Vor fast genau sechs Jahren, am 1. Juli 2015 wurde die ägyptischstämmige Apothekerin Marwa El-Sherbini in Dresden Opfer eines rassistischen und islamfeindlichen Mordes. Die 31-Jährige Frau wurde aufgrund ihrer äußeren Erscheinung – sie trug ein Kopftuch – ermordet. Sie starb, weil sie eine Muslimin war. Ein tragischer Vorfall der eines deutlich macht: rechtsextreme und rassistisch motivierte Gewalttaten sind innerhalb Deutschlands sowohl für die Gesamtgesellschaft als auch für die Sicherheitsbehörden eine entscheidende Gefahr.
Rechtsextremistische Gewalt erreicht neuen Höchststand
Natürlich stellen auch linksextreme- und religiös motivierte Extremisten eine Bedrohung dar. Aber die Gewalt von Rechten und Rassisten war, ist und wird immer brutaler. Dies geht auch aus dem jüngst veröffentlichten Verfassungsschutzbericht hervor, den Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Hans-Georg Maaßen kürzlich in Berlin vorstellten. Demnach ist die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewaltdelikte in Deutschland 2014 um 23,6 Prozent auf 990 gestiegen. Ein Höchststand seit 2008. Und hierbei handelt es sich lediglich um eindeutig bewiesene Fälle. Die Dunkelzahl dürfte um ein vielfaches höher liegen. Darauf weist unter anderem die Amadeu Antonio Stiftung hin, die in Kooperation mit der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl eigene Statistiken führt: So wurden 2014 neben 36 Brandstiftungen weitere 211 andere Übergriffe, beispielsweise mit Steinen und Sprengsätzen, gezählt. Darüber hinaus wurden 81 Flüchtlinge persönlich angefallen.
Im ersten Halbjahr 2015 schon drei Mal so viele Anschläge auf Asylunterkünfte wie in 2013
2013 zählten die Behörden noch 50 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Innerhalb eines Jahres vervielfachte sich die Zahl der Angriffe bereits auf 170. Und im ersten Halbjahr 2015 wurden längst 150 Attacken auf Asylunterkünfte verübt. Wenn man diese Zahl auf das gesamte Jahr hochrechnet, kommt man auf fast einen Anschlag pro Tag. Dieser Anstieg der ausufernden Angriffe ist alarmierend und darf niemanden kalt lassen. Gerade die Menschen, die in äußerster Not nach Deutschland fliehen konnten, benötigen eine humane und einfühlsame Unterstützung.
Einfühlsamere Flüchtlingspolitik
Deutschland, das selbst aus seiner Geschichte Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung hat, kann in der Asylfrage durchaus mehr Empathie, Solidarität und Verantwortung zeigen. Hierbei ist jedoch auch anzumerken, dass die Bundesrepublik im Gegensatz zu Großbritannien, Frankreich oder Italien deutlich mehr leistet. Nichtsdestotrotz; die Absicht vieler europäischer Staaten in erster Linie qualifizierte Flüchtlinge aufzunehmen, also die Unterscheidung von manchen Politikern, Fachleuten und Behördenvertretern zwischen qualifizierten und unqualifizierten Migranten, ist menschlich gesehen sehr heikel. Denn hier werden unter Umständen Kategorien wie „wertvoll“ und „minderwertig“ assoziiert. Die so oft beschworene „Willkommenskultur“ muss in der gesamten Europäischen Union für alle
Menschen gelten können. Es ist traurig hören zu müssen, dass diplomatische Vertretungen zum Beispiel in Albanien Zeitungsanzeigen schalten lassen und der Bevölkerung die Botschaft verkünden, dass „Akademiker und qualifizierte Fachkräfte in einzelnen Berufen” durchaus gesucht würden, jedoch andere Asylanträge keinen Sinn hätten.
Türkei leistet „mehr als jedes andere Land auf der Welt“
In Deutschland wurden nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge 2014 173.072 Asylanträge gestellt. In den ersten fünf Monaten diesen Jahres suchten schon offiziell 125.972 Personen nach Schutz in der Bundesrepublik. Diese Zahlen fallen jedoch im Gegensatz zu dem, was vergleichsweise die Türkei derzeit leistet weniger ins Gewicht. Die UNO-Flüchtlingshilfe berichtet, dass die Türkei allein 1.772.535 syrische Flüchtlinge aufgenommen habe. Dies sei „mehr als jedes andere Land auf der Welt“. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) geht davon aus, dass sich die Zahl der Flüchtlinge noch in diesem Jahr auf 2,5 Millionen erhöhen werde. Hier wird deutlich, dass auch Deutschland potentiell zu mehr in der Lage ist und auch dieser Verpflichtung nachkommen sollte. Die Flüchtlingspolitik bedarf allerdings einer Gesamtstrategie die auch mehr Präventionsprojekte gegen Rechtsextremismus mit einschließen muss.
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