Bildquelle: Facebookprofil Şahinöz | Im Bild eine Auszeichnung von Angela Merkel für das besondere Engagement im Bereich Integration
„Bashing“ nennt man die wörtliche oder auch körperliche Attacke gegen etwas oder jemanden. Eine öffentliche Schmähung von Muslimen, sei es nun verbal oder physisch, wird als „Muslim-Bashing“ bezeichnet. „Muslim-Bashing“ scheint in letzter Zeit eine neue Volkssportart oder Freizeitbeschäftigung – teilweise auch unter Muslimen und Türken selbst – geworden zu sein. Wir müssen also nicht nur nach Dresden zu den so genannten „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) schauen. Auch in einer westfälischen Stadt, die es angeblich gar nicht gibt und über die viele kuriose Geschichten im Internet existieren, hat die Meute einen Sündenbock gefunden. Dazu gleich mehr.
Wenn sich Türken selbst im „Muslim-Bashing“ üben
Zunächst einige mögliche Gründe für das allgegenwärtige „Muslim-Bashing“: Feindseligkeit, Aggression, Abneigung, Misstrauen, Missgunst, Verleumdung und Neid zeigen vor allem in Krisenzeiten ihr hässliches Gesicht. Nicht nur Verlust- und Veränderungsängste, sondern die Angst an sich spielt eine wichtige Rolle beim „Muslim-Bashing“. Politische, wirtschaftliche und sozio-kulturelle Transformationsprozesse, kurz: ökonomische und strukturelle Veränderungen, können Menschen durchaus vor psychologische Herausforderungen stellen. Und: Auch wenn die Bedeutung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, unter ihnen auch selbsternannter Eliten sowie ihrer Repräsentanten, hinfällig werden und diese immer mehr an Wirkung verlieren, können unschöne Situationen entstehen. So wird derzeit der hoch angesehene deutsch-türkische Soziologe, Journalist, Autor, Glücksspielsuchtberater, Integrationsbeauftragte und Familienberater Cemil Şahinöz von Teilen der Lokalpresse in Ostwestfalen und einer Gruppe, die zu den „alten Eliten“ der „Alten Türkei“ zählen, massiv und unqualifiziert angegriffen. Bei einigen Pressevertretern und Medienkonsumenten kommt die „Hau auf den Muslim“-Strategie offenbar auch gut an.
Şahinöz genießt Vertrauen bis in die US-Regierung hinein
Was war passiert? Şahinöz, der sich stets auf seine muslimische Identität beruft, hielt am 19. Januar auf der Kundgebung „Nein zu Rassismus und Islamfeindlichkeit“ vor etwa 10 000 Menschen eine Rede. Organisiert wird die Aktion vom Bielefelder „Bündnis gegen Rechts“. Die komplette Rede ist auf dem Videokanal „Youtube“ im Internet nachzuverfolgen. Das Publikum reagiert mit großem Beifall auf die Rede von Şahinöz. Vertreter der Parteien und der zivilgesellschaftlichen Organisationen äußern sich durchweg positiv über die Rede. Auf sozialen Netzwerken wie facebook wird die Ansprache über 10 000-mal geteilt.
Durch diese Aktion werden jedoch einige türkischstämmige Personen, die zum „alten Establishment” zu zählen sind, auf den Plan gerufen. Es gehen anonyme Beschwerden bei Parteien und Verwaltungen ein. Diese stehen jedoch mehrheitlich hinter dem jungen muslimischen Integrationsexperten. Es wird geantwortet, dass Şahinöz Vorsitzender des Dachverbandes der Moscheevereine in Bielefeld sei und es selbstverständlich sei, dass er als Repräsentant der 18 Moscheegemeinden spreche. Daraufhin werden türkischsprachige Kolumnen von Şahinöz in Umlauf gebracht. Ihm wird unterstellt, dass er in diesen anders auftritt als in seinen deutschsprachigen Verlautbarungen. Diesen rufschädigenden Unterstellungen widerspricht der Doktorand und Schriftsteller Şahinöz vehement. Der Autor zahlreicher Bücher und Chefredakteur der Zeitschrift „Ayasofya“, der von den Spitzen der Politik, u.a. durch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die
Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoğuz, oder den Berater Barack Obamas für Islamfragen, Rashad Hussain, empfangen und ausgezeichnet wurde, setzt sich in seinen Kolumnen nachweislich für demokratische Werte, Meinungs- und Pressefreiheit ein.
Er ist Gesprächspartner und ein gern gesehener Redner in Politik, Verwaltung, Polizei, Wissenschaft und der Kirche. Über seine Popularität lässt sich ebenfalls auf der Nachschlagplattform „Wikipedia“ nachlesen. Allerdings steht der Vater zweier Kinder unter der missgünstigen Beobachtung von Leuten, die in den 70ern, 80ern und 90ern zu den Hauptquellen, Kontaktpersonen und Ansprechpartnern von Teilen der Verwaltung, Justiz, Politik und auch Sicherheitsbehörden zählten. In der Türkei verlieren diese Leute derzeit stark an Einfluss. Dennoch sind sie gut vernetzt und straff organisiert. Nicht nur am Bosporus, sondern international.
Radikalen Säkularisten schwimmen die Felle davon
Die streng säkulare Türkei war bis vor wenigen Jahren noch religionsdistanziert und kritisch gegenüber jedem Glauben, sei es nun Judentum, Christentum, Buddhismus oder Islam. Der Staat sah es gleichsam als seine Pflicht an, Menschen so weit wie möglich ihre religiösen Überzeugungen auszutreiben. Seit etwa fünf bis zehn Jahren hingegen bemüht sich die Türkei hingegen ernsthaft um religiöse Toleranz sowie konfessionellen und religiösen Frieden. Das passt dem antireligiösen, laizistischen Establishment ganz und gar nicht. So wurden diese schon in jüngerer Vergangenheit Teil eines Agitationskartells, das gegen christliche Missionare hetzte und jedwede christlich-islamische Dialogbemühung torpedierte. Sabotiert wurden auch die alevitisch-sunnitische sowie die türkisch-kurdische Annäherung.
Die Türkei ist erst seit knapp einem Jahrzehnt auf dem Weg in eine Demokratie nach westlichen Maßstäben. Bis dato hatte das Land viele Bewährungsproben nicht bestanden. Ein Establishment, das die Modernität und seinen originellen Lebensstil für sich pachtete, das sich hinter dem glorreichen Republikgründer Mustafa Kemal „Atatürk“ versteckte und ihn immer und immer wieder für die eigenen Ziele und Zwecke benutzte, ja missbrauchte, saugte das Land aus, verschaffte sich selbst weitgehende Privilegien und behandelte die Mehrheit der türkischen Bevölkerung wie Menschen zweiter und dritter Klasse. Diese Minderheit besetzte indessen systematisch die Schaltstellen im Staate: Justiz, Verwaltung, Militär, Staatsbetriebe, Schulverwaltung, Universitäten – alles waren in den Händen dieser autoritären Clique. Sie bestimmten durch Verbote, Strafen, Folter und auch Morde, wie und ob die Menschen in der Türkei zu leben hatten. Und jedes Mal, wenn das Volk nach Ende der Einparteiendiktatur 1947 eine Regierung wählte, die dieser antidemokratischen Elite nicht passte, gab es in der Türkei einen Putsch oder Putschversuch.
Tee trinken und weitermachen!
Es sind leider auch Teile dieser destruktiven Kräfte, die derzeit Cemil Şahinöz und andere Autoren mit explizit muslimischer Identität zu verunglimpfen versuchen. Die Antwort von Şahinöz und Kollegen lautet:
„Wir setzen Tee auf, trinken diesen und machen da weiter, wo wir aufgehört haben! Wir setzen uns weiter für Demokratie, den gesellschaftlichen Frieden, für Gerechtigkeit, Meinungs- und Pressefreiheit ein.“
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