Ich bin wütend, ärgerlich und traurig. Und nicht nur ich, sondern auch viele meiner muslimischen und nichtmuslimischen Parteigenossen sind es: Eine sozialdemokratische Partei, die Partei, zu der auch ich gehöre, die jahrelang die Rolle der Migranten-Partei in Deutschland gespielt hat, nimmt einen Hassprediger herzlich auf, der mit seiner gar sozialdarwinistischen und islamophoben Haltung unser Land ins Beben gebracht hat. Ein Sozialpessimist, der auf die Bevölkerungspolitik des Nazi-Regimes zurückgreift, wird in einer Partei gedultet, die auf dem Grundgesetz der BRD beruht. Und das auch noch, nach den klaren Abgrenzungen des Partei-Vorsitzenden.
Es ist für mich nun keine Seltenheit mehr, von türkischen und muslimischen Freunden ausgelacht zu werden. Auch meine Wähler in der Universität haben mir versprochen, kein Kreuz mehr bei der SPD zu setzen. Sie erzählen mir, dass es ihnen Leid tut, empfinden Mitleid mit mir. Es ist nun auch keine Seltenheit mehr, dass ich mir folgende Fragen gestellt habe: Warum bin ich eigentlich immer noch in derselben Partei, in der auch ein Volkshetzer ist, der meine kopftuchtragende Mutter für Nichtsnutz und unintegriert hält? Warum vertrete ich noch die Interessen einer Partei in einem Studierendenparlament, wobei ich doch mit ihrer bundesweiten Politik gar nicht einverstanden bin? Ein Parteigenosse, der sich mich, oder vielmehr meine sozialen Wurzeln, zum Feindbild gemacht hat. Wie sollte ich damit umgehen?
Die Antwort ist ganz einfach: Ich, als eine sozialdemokratischer Muslim, trage eine gewisse Verantwortung. Eine Verantwortung, weiterhin als Muslim in einer Partei meine Meinung zu vertreten, trotz der Sarrazins. Die Verantwortung, das Gegenteil von Sarrazins Thesen zu beweisen. Ich wusste eins: Ein solch einfacher Mensch, durfte mich weder entmutigen, noch in Hoffnungslosigkeit mitreißen.
Die Integrationspolitik der SPD ist ganz klar fehlgeschlagen. Sigmar Gabriel grenzte sich zwar von den eugenisch-biologischen Theses Sarrazins ab. Er sprach von der „Absurdität seiner Diskussion“. Doch die Integrationsunwilligkeit der Muslime und die dabei entstehenden sozialen Probleme solle man ruhig ansprechen dürfen. Muslimische Wähler werden nun ganz bestimmt nicht mehr die SPD wählen, sondern eher andere linke Parteien.
Trotzdem ist es Tatsache, dass die Jugend, die neu heranwachsende Generation, die Ideen und Thesen Sarrazins dementiert hat. Die „Älteren“, die sich noch immer in die Gegenwart nicht integrieren konnten, sind auch heute noch Träger der konservativen Sozialdemokratie. Ich bin mir sicher, dass es nach 20 Jahren keine „Sarrazinisten“ mehr geben wird. Jedenfalls nicht in der SPD. Muslimische Jugendliche, die trotz ihrer Frömmigkeit oder ihres Kopftuches, überhaupt keine Integrationsprobleme haben, die aber auch tagtäglich mit Chancenungleichheiten und Abgrenzungen in Konfrontation geraten, dürfen sich meines Erachtens durch einen solchen Ereignis nicht entmutigen lassen. Mein Appell an sie: Geht! Engagiert Euch! Zeigt Euch, und gestaltet die Politik!
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