Wir befinden uns in einer Situation dramatischer Radikalisierung. Die Gräben durch die Gesellschaft werden immer tiefer. Die AfD und der Umgang mit ihr ist dafür ein Indi-kator. Auf der einen Seite gibt es eine immer größere Anzahl von Bürgern, die der Par-tei um Frauke Petry ihre Stimmen geben werden. Auf der anderen Seite wird die Zahl all derer größer, die der AfD und ihren Anhänger zutiefst feindlich gegenüber eingestellt sind. Im Wettbewerb der Skandalisierung – die einzige Chance, um in den Medien wahrgenommen zu werden –, überbieten sich die Kontrahenten tagtäglich. Da wird auf der einen Seite prognostiziert, dass der Schusswaffengebrauch an den Grenzen, die Ultima Ratio sei. Daraus wird in den Medien ein »Schießbefehl«. Die AfD lebt als populistische Partei von der Angst der Menschen. Ihre Kritiker, die den Staatsstreich vorhersagen, aber ebenso.
Wo bleibt die Stimme der Vernunft?
Die Situation schaukelt sich auf und man sehnt sich nach einer Stimme, die Maß und Vernunft anmahnt. Die Kirchen schweigen leider ebenso wie unser Bundespräsident oder geistige und kulturelle Eliten. Wie wollen die Beteiligten miteinander zukünftig auskommen? Sehr sinnfällig ein jüngstes Video von dem Satire-Magazin Extra3, über des-sen Humor man trefflich streiten kann. Da werden die Anhänger und Protagonisten der AfD als Neandertaler und NSDAP-Nachfolger bezeichnet. Neandertaler steht für geistig zurückgeblieben, die NSDAP für industriellen Massenmord. Kein Vergleich ist zu krass, dass er nicht aus der Tasche gezogen würde. Ein Anhänger der Partei kommentiert bei Facebook zu diesem Beitrag: »Euch sollte man die Zähne ausschlagen für die Art und Weise wir ihr Eure GEZ-Gebühren propagandamäßig verballert.« Der Weimar-Vergleich wird oft bemüht. Allmählich passt er tatsächlich. Der Lack von zivilisiertem Umgang miteinander ist dünn und nicht sehr kratzfest. Leider hat man offenbar vergessen, wie es aussieht, wenn man sich wirklich »die Zähne gegenseitig ausschlägt« im Kampf um die »Wahrheit« – oder was man dafür hält. Es ist wie bei einem Ehestreit. Mit der nicht zu-sammengerollten Zahnpastatube fängt es an und dann herrscht irgendwann Krieg, aus dem es kein Entrinnen gibt. Nun kann man sagen, das sei Satire und Satire dürfe über-zeichnen.
Was darf Satire?
Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass Satire inzwischen zum Ventil geworden ist, um auch Menschenfeindliches ausdrücken zu können. Wer wirklich klare Kante zu den Problemen will, schaut sich Karneval oder politisches Kabarett an. Und die richtigen Scharfmacher und Menschenverächter können im Windschatten dieses Teremnds gut segeln. Das gilt für die Verhöhnung des Glaubens, etwa bei der katholischen Kirche
oder dem Islam. Wo Rassismus und Diskriminierung Andersdenkender sonst politisch nicht korrekt ist, war es ja hier »nur« Satire und Überzeichnung. Humor kann befreien. Er kann aber aber richten und zerstören. Und Hass erzeugen. Für die Situation jetzt heißt das: Wir stehen vor riesigen Herausforderungen. Nicht nur, dass wir hier in Deutschland mit Flüchtlingen zu tun haben, sondern dass wir eine Politik betreiben, die in Afrika etwa dafür sorgt, dass die Lebensgrundlage der Menschen zerstört wird, und diese sich perspektivlos auf den Weg nach Europa machen. »Der Westen« hat in Syri-en und im Nahen Osten dafür gesorgt, dass Krieg und Terror regieren. Wir schauen zu, wie der IS durch Ölschmuggel Geld verdient. Wir reichen Mördern in Saudi Arabien die Hand.
Probleme lösen
Man könnte die Liste ewig fortsetzen. So lange nichts an den Fluchtursachen ge-macht wird, wird kein Zaun der Welt ein Problem lösen. Allerdings gilt das auch für die naive Freude von politischen Utopisten, die glauben, diese Art von Einwanderung sei ein Segen. Wer meint, dass die derzeitige Situation durch ein paar Integrationskurse gemeistert werden kann, wird sich noch wundern. Ein Blick in die europäische Ge-schichte sollte ernüchtern, wozu der Mensch der »abendländischen« Kultur alles fähig ist. Eine Generallösung für diese Probleme – die EU und andere Dinge kommen ja noch hinzu – gibt es nicht. Aber statt eines angstfreien, kontroversen Diskurses auf dem Weg zur besten Lösung schlägt man aufeinander ein. Klischees statt Argumente. Nach dem hitzigen Gefecht muss es aber weitergehen. Je weniger man im Gegenüber den Men-schen respektiert und sich gegenseitig zu »Hasspredigern«, Pack oder Lügnern und Verrätern stempelt, um so schwieriger der Umgang miteinander hinterher. Integration und Dialog lösen Probleme. Propaganda und Hassaufrufe schüren sie.