Bildquelle: Jürgen Matern | CC BY-SA 3.0 | Reichstagsgebäude von Westen, kurz vor Sonnenuntergang
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Punkt. Diese Erkenntnis galt lange Jahre als ein Tabu. Und Menschen, die diese Realität ausgesprochen haben, wurden von verschiedenen Seiten belächelt und beargwöhnt. Aus ideologischen Gründen rangen sich schließlich große Volksparteien nach ewigen internen Diskussionen dazu durch immerhin von einem Integrationsland zu sprechen. Das Wort Einwanderungs- oder Zuwanderungsland blieb jedoch weiterhin aus. Dabei ist diese Erkenntnis durchaus notwendig, wie der neueste Bericht des Bundesamts für Migration zeigt.
Vor allem Europäer kommen nach Deutschland
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) hat im Auftrag der Bundesregierung seinen Migrationsbericht für das Jahr 2013 vorgestellt. Dieses verzeichnet für Deutschland ein positives Wanderungssaldo. Das bedeutet, dass mehr Menschen nach Deutschland kommen, als das Land verlassen. Genau genommen waren es 1,23 Millionen Personen, die 2013 nach Deutschland kamen (ein Plus von 13 Prozent gegenüber 2012). Im selben Zeitraum verließen 800 000 Menschen das Land (ebenfalls ein Plus von zwölf Prozent gegenüber 2012). Am Ende blieben 430 000 Menschen mehr als gingen. Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte anlässlich des Migrationsberichts, dass drei Viertel der einreisenden Europäer aus Polen, Rumänien, Ungarn, Griechenland, Italien und Spanien kamen, auf Suche nach Arbeit oder besseren Lebensumständen.
Wanderungssaldo für 2014 bleibt stabil
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden errechnete für 2014 ein ähnlich hohes Wanderungssaldo wie auch für 2013. Aus Schätzungen des Amts geht hervor, dass sich der Wanderungsüberschuss für 2014 bei mindestens 470 000 beläuft. Als Gründe nannte das Amt neben der zunehmenden Zahl der Asylbewerber auch die Anfang 2014 in Kraft getretene vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien sowie die nach wie vor präsente Wirtschafts- und Finanzkrise in der Europäischen Union. Im Jahr 2013 belief sich die Zahl der Asylsuchenden noch auf 130 000. 2014 stieg dieser Wert auf über 200 000.
Die Demographische Situation entspannt sich
Aufgrund des demographischen Wandels und der alternden deutschen Mehrheitsgesellschaft kommt die Zuwanderung besonders der Wirtschaft sehr gelegen. Die Menschen, die nach Deutschland kommen, sind meist jung oder noch sehr lange im arbeitsfähigen Alter. Sie tragen dazu bei, dass die Renten- und Sozialbeiträge stabil bleiben und die Bevölkerungszahl in Deutschland wieder wächst. Derzeit leben in Deutschland 81,1 Millionen Menschen.
Unbegründete Panik vor muslimischer Übervölkerung
Es gibt auch eine sehr erfreuliche Nachricht für alle Einheimischen, die sich durch die angebliche „Islamisierung des Abendlandes“ bedroht fühlen: Aus muslimisch geprägten Staaten kommen immer weniger Menschen nach Deutschland. Und ein auffälliger Trend setzt sich weiterhin fort: Die Zahl der Türken und türkischstämmigen Deutschen, die in die Türkei auswandern ist im Vergleich zu denen, die aus der Türkei nach Deutschland kommen, weitaus höher. PEGIDA darf also aufatmen. Für Deutschland hat dieser Trend jedoch auch negative Auswirkungen.
Deutsch-Türkischer Braindrain
Leider sind es hauptsächlich qualifizierte Bildungsinländer mit türkisch-muslimischen Wurzeln, die auswandern. 2013 verließen 27 896 Menschen mit türkischem Pass, in der Regel Hochschulabsolventen Deutschland. 2011 waren es 33 000, 2010 ganze 36 000 Menschen. Im gleichen Zeitraum wanderten dagegen 23 230 (2011: 31 000; 2010: 30 000) Türken nach Deutschland ein. Dieser Trend setzt sich schon seit 2006 ungebrochen fort. Ob sich eine Exportnation so einen Talentschwund im „Wettbewerb der Köpfe“ langfristig leisten kann? Nicht wenige Auswanderer geben als Grund ihres Fortzugs die Morde des so genannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) und Diskriminierung im Alltag, bei der Job- und Wohnungssuche an. Vergrault sich Deutschland gerade die Türken die es am meisten braucht?
Für Deutsch-Türken ist Deutschland zum Auswanderungsland geworden
Die Zahlen zeigen, dass Deutschland zumindest für türkischstämmige Akademiker ein Auswanderungsland geworden ist. Wissenschaftler gebrauchen daher schon seit einiger Zeit den Terminus „Postmigrationsland“. Deutschland hat also immens an Anziehungskraft verloren. Doch immer mehr Unternehmen in Deutschland versuchen nun dem Trend entgegenzuwirken. Aufgrund von öffentlich gewordenen Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen in der Einstellungspraxis ändern sie beispielsweise ihre Bewerbungsformalitäten. Es gibt Studien, die demonstrieren, dass Menschen in Deutschland aufgrund ihres Namens, Herkunft, Aussehens oder Religion benachteiligt oder nicht eingestellt werden. Um dem vorzubeugen führen immer mehr Unternehmen die anonymisierte Bewerbung ein.
Gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen
Nicht nur die Menschen persönlich, auch die Kommunen, Parteien, Behörden und Unternehmen müssen sich den Migranten öffnen und „Vielfalt als Chance“ im internationalen Wettbewerb begreifen. Das Bemühen und Umwerben deutscher Sicherheitsbehörden und -dienste um Menschen mit Migrationsbiographie ist seit langem nicht zu übersehen und sollte wegweisend auch für andere Bereiche sein. Private wie öffentliche Einrichtungen fangen auch an sich daran zu orientieren. Beispielsweise gibt es seit dem Jahr 2006 die so genannte „Charta der Vielfalt“, die von großen Arbeitgebern in Deutschland wie Daimler, BP, Deutsche Bank und der Deutschen Telekom mit dem Ziel der Förderung der Vielfalt in den Betrieben ins Leben gerufen wurde. Wenn gleichberechtigte Teilhabe ernsthaft gewollt wird, dürfen sich weder staatlich/kommunale Einrichtungen, noch Wirtschaft und Gesellschaft der Heterogenität verschließen. Das haben die großen Unternehmen erkannt. Wird der Rest des Landes rechtzeitig mitziehen?
Integration als Zukunftsaufgabe
Eingliederung und Teilhabe der Zuwanderer ist für beide Seiten Lohnend. Das meinte auch der Bundesinnenminister bei der Vorstellung des Migrationsberichts. Auch müssen alle an einem Strang ziehen. Die Einwanderer müssen sich an die Gepflogenheiten und Pflichten im Land halten, damit sie auch von den Rechten Gebrauch machen können. Und auch die Einheimischen haben viele Aufgaben zu übernehmen. Sie müssen Integration zulassen und für Veränderungen offen sein. Denn viele Menschen wissen immer noch nicht, dass Integration von beiden Seiten Anstrengungen erfordert und beide Seiten gleichermaßen verändert. Es war schon seit Menschengedenken wie heute noch immer ein Wechselspiel von Geben und Nehmen. Die Basis all dessen ist und bleibt das Grundgesetz. Doch die Sicherung der Zukunft unseres Landes liegt bei der Bevölkerung selbs
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