Michael Widmann (Jahrgang 1964) wirkte nach dem Studium der Philosophie und Theologie in München, Wien und Frankfurt zunächst in einer großen Pfarrei und erhielt eine pastorale Ausbildung (Vermittlung der Kenntnisse für die hauptberufliche praktische Arbeit in einer Gemeinde ohne Pfarrer zu werden). Anschließend absolvierte er eine journalistische Ausbildung und war in der Redaktion einer katholischen Zeitung tätig. Derzeit arbeitet er in einem katholischen Verlag, wo er die Autoren, Inhalte und Form von Büchern betreut.
Widmann ist der Autor der Bücher „Das Kopftuch – Gefahr für die plurale Gesellschaft?“ und „Im Kampf der Kulturen: Wo steht der Feind?“
Herr Widmann, Sie haben, wie wir oben bereits erwähnt haben, zwei Bücher geschrieben, die wenn man so will, ein friedliches Zeichen des Miteinanders mit Muslimen setzen sollen. Was war Ihre ursprüngliche Motivation zum Schreiben?
Ende der 90er Jahre las ich davon, dass eine Lehrerin im staatlichen Schuldienst kein Kopftuch tragen darf. Ich hatte noch nie gehört, dass es Bekleidungsvorschriften für Lehrerinnen gegeben hätte. Selbst Uniformträger wie Polizisten sah man mittlerweile mit langen Haaren oder Ohrringen. Wieso also gerade ein Kopftuch im Schuldienst verbieten? Wenn man gesagt hätte, Miniröcke oder tiefe Ausschnitte würden Pubertierende vom Unterricht ablenken, das wäre nachvollziehbar gewesen. Aber ein Kopftuch war das Gegenteil: ein eher biederes Accessoire, das von der Lehrerin, der Muslima Fereshta Ludin, getragen wurde, um gerade ihre Reize zu verhüllen.
Die Begründung für das Verbot lautete, es handle sich um ein politisches Symbol. Demnach würden also die Trägerinnen damit eine politische Botschaft oder Forderung transportieren. Muslimas mit Kopftuch wären also irgendwie politische Aktivistinnen, ohne dass die Öffentlichkeit gewusst hätte, wofür oder wogegen. Das war eine Konstruktion jenseits der Realität.
Es hieß, eine Lehrerin sei ein Vorbild, dies könne Schülerinnen beeinflussen. Aber wozu? Auch ein Kopftuch aufzusetzen? Zum Islam überzutreten? Ersteres konnte ich mir bei muslimischen Schülerinnen noch vorstellen. Aber welches durchschnittliche deutsche Mädchen findet es verlockend, seine Reize zu reduzieren, weil die Lehrerin das tut? Und dann müsste es bei Nonnen genauso sein, und die arbeiten ja auch im Schuldienst. Selbst wenn es solche Einflüsse gäbe: Was ist mit den Einflüssen durch die Privatmeinungen und Glaubensvorstellungen, die nicht durch religiöse Bekleidung oder Symbole markiert werden?
Mir wurde aus diesen Überlegungen zweierlei klar: Erstens, dass hier eine religiöse Minderheit mit abenteuerlichen Argumenten drangsaliert wird; und zweitens, dass am Ende auch die Religion der Mehrheit an der Öffentlichkeit gehindert wird. Und damit wurde in unserer durchsexualisierten Gesellschaft ausgerechnet bei einem solchen Kleidungsstück begonnen. Das widersprach zutiefst meinem freiheitlichen Bewusstsein wie auch meiner religiösen Überzeugung. Und deshalb begann ich, ein Buch zum Kopftuchstreit zu schreiben.
Hier das Interview im Überblick:
1. Zusammenleben von Christen und Muslimen in der Pluralen Gesellschaft
2. Ein friedliches Miteinander oder doch ein Kampf der Kulturen?
3. Erfahrungen des Zusammenlebens: Ein Stimmungsbild aus Deutschland