Gespalten war auch ich, denn ich musste überlegen, wie ich meine erste Kolumne gestalte. Geboren bin ich im Morgenland und aufgewachsen mit der Kultur des Abendlandes oder dem, was man als solche bezeichnet. Ich konnte schon mit 2 Jahren fast das Alphabet, jedoch hatte ich mit 5 noch Probleme mit dem Beherrschen der deutschen Sprache. Man muss natürlich erwähnen, dass ich eine sehr auffällige Hautfarbe habe und nicht gerade wie ein Türke, sondern eher wie einer aus Pakistan aussehe und somit sehr schnell im Mittelpunkt stehen kann.

Als Kind bin ich nicht mit dem Komplex aufgewachsen, etwas Schlechteres als meine deutschen Klassenkameraden zu sein, denn mein Vater ist Akademiker. Der Grund, warum ich das erwähne, ist, dass meine türkischen Freunde alle aus Arbeiterfamilien kamen und mit diesem Komplex aufgewachsen sind. Wie auch die Mehrheit meiner Freunde, mochte ich die meisten Deutschen in meiner Klasse nicht, denn die waren anders. „Anders“ in dem Sinne, dass meine Mutter ein Kopftuch trägt, ich zu Hause immer Türkisch sprach und ich vor allem Deutschland hasste und immer wieder träumte, Kampfpilot bei der türkischen Armee zu werden. Dieser Hass war kein Produkt meiner Erziehung, ich wurde deshalb sogar immer wieder ermahnt von meinen Eltern.

Ich habe sie damals nie verstanden. Wie sollten meine Eltern mich auch verstehen, die sind ja in der Türkei auf die Schule gegangen, woher sollten die  denn deutsche Lehrer und ihre Lehrkünste kennen? Mit einer Empfehlung für die Realschule habe ich mich auf dem Gymnasium angemeldet.  Die Probleme mit meiner Identifikation fingen erst jetzt richtig an. Ich war in einer Klasse mit fast 30 Schülern – einer von zwei türkischstämmigen Schülern.  Ich sah zu große Differenzen zwischen meinen deutschen Klassenkameraden und mir. Das Problem war: Meine Klassenkameraden dachten wohl das Gleiche.

Erst spät erwachte der Ehrgeiz

Nachdem ich in der fünften und sechsten Klasse auf dem Gymnasium sitzen geblieben war, meldete ich mich für die siebente Klasse auf der Realschule an. Diese sollte ich knapp bestehen, jedoch blieb ich auch zwei Mal in der achten Klasse.

Ups, jetzt war ich schon 16 Jahre alt und hatte  keinen Abschluss in der Tasche. Die Realität hatte mich eingeholt und ich merkte, es musste etwas geschehen.

Ich meldete mich auf der Berufsschule an und besuchte das BVJ  (Berufsvorbereitungsjahr). So bekam ich meinen Hauptschulabschluss.

Nach schlechten Erfahrungen mit einem  Nebenjob  übermannte mich plötzlich der Ehrgeiz. Ich wollte nun auf einmal studieren. Ich sah keine Alternative, wollte ich jemals noch eine anständige Karriere machen.

Die Leute in meinem Umfeld lachten mich aus, aber meine Eltern glaubten an mich und am Ende gelang es tatsächlich: Ich machte mein BF1 und BF2 Information und Mediengestaltung und erlangte somit den Sekundarabschluss im Jahre 2010.

2010 habe ich mich für das Fachabitur (Informatik) angemeldet. Bis zu diesem Datum hatte ich immer noch Hass in mir gegenüber meinen deutschen Klassenkameraden. Ich hatte ein Problem mit meiner Identifikation, denn ich wusste eigentlich nicht, wer ich bin. Während meines Abiturs lernte ich jedoch neue Menschen kennen, die ich heute noch als Vorbilder sehe. Ich sah türkischstämmige Bürger, die die deutsche Staatsbürgerschaft hatten und sich für ihre Kommunen und Regionen engagierten.

Goethe sagte:

„Toren und gescheite Leute sind gleich unschädlich. Nur die Halbnarren und Halbweisen, das sind die Gefährlichsten.“

Goethes Zitat traf genau auf mich zu, denn ich war halb religiös und ein Narr, der dachte, er wüsste alles.

Ich lernte, dass ich Religion, Kultur und mein Leben im Morgenland vereinbaren kann. Wieso sagte mir keiner, dass meine Religion mir empfiehlt, mich in meinem Umfeld zu engagieren?

Warum sagte keiner, dass ich nicht hassen, sondern lieben soll? Mit der Zeit fand ich heraus, dass nicht nur meine deutschen Mitbürger Schuld an den Identifikationsproblemen waren, sondern ich nie daran gedacht habe, dass auch ich immer Vorurteile gegenüber meinen deutschen Mitbürgern hatte.

Wie kann ein religiöser Mensch von Gott verlangen, in sein Paradies zu kommen, wenn er nicht gut auskommt mit seinen Nachbarn?

Ich setzte mir als Ziel, Vorurteile zu brechen und Brücken zwischen meinen Mitmenschen zu bauen, denn ich will nicht, dass die neue Generation mit den gleichen Identifikationsproblemen aufwächst.

Der Mustafa, der früher das Ziel hatte, wieder in die Türkei auszuwandern, setzte sich als Ziel, in Deutschland zu bleiben und sich darüber im Klaren zu werden, dass Deutschland seine Heimat ist.

2011 wurde ich stellvertretender Schülersprecher meiner Schule und versuchte somit, mich für meine Kameraden auf der Schule zu engagieren.

2012 habe ich mein Fachabitur abgeschlossen und durfte somit an einer Hochschule studieren. Mit der Zeit entwickelte sich meine Liebe für das Streben, im Einklang mit dem Streben nach Gottes Gefallen. Im Oktober 2012 habe ich mit dem Studium in Trier angefangen und bin seit einiger Zeit Präsident des Studierendenparlaments.

Ich bin gleichzeitig freiwilliger Wahlhelfer bei den kommenden Wahlen und seit neustem auch Mitglied einer Partei. Motivation für das Engagement und Streben nehme ich aus meiner Religion, die mir empfiehlt, gut zu meinen Nachbarn und Mitmenschen zu sein. Liebe und Brücken zu bauen sind meine Ziele.

Ich hoffe, dass ich es zum Einstieg geschafft habe, mich vorzustellen und gleichzeitig auf ein Problem aufmerksam zu machen. Zudem muss ich gestehen, dass ich von einem Thema leicht abschweifen kann, jedoch hoffe ich, dies in Zukunft besser unter Kontrolle zu bekommen.

Zu guter Letzt wünsche ich jedem einen schönen Abend und möchte die Gläubigen bitten, für Ägypten und für alle Menschen in Not zu beten.

 

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21 Jahre und studiert Informatik an der Hochschule Trier. Seit Dezember 2012 ist er Präsident des Studierendenparlaments. Missverständnisse und Trägheit machen vielleicht mehr Irrungen in der Welt als List und Bosheit. Johann Wolfgang von Goethe

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