Türkische Politik, AfD, Krim und Kanakenbashing – all diese auch auf I-Blogger viel zerkauten Themen haben etwas gemeinsam: Getrieben und viel diskutiert werden sie von krassen Egomanen, selbstverliebten kleinen und großen Paschas, manischen Kontroll- und Anstandslosen mit einem fehlenden Bezug zur Realität.
Doch fangen wir erst mal klein an:
Nach Sarrazin hat dieses Land einen weiteren salonfähigen Hassprediger hinzugewonnen. Was für fanatische Salafisten ein Pierre Vogel, sind für meist akademisch, jedoch selten menschlich gelehrte Wesen Thilo Sarrazin und – seit kurzem – ein gewisser Akif Pirinçci. Während bei Sarrazins ausländerfeindlichen Thesen sein eigener ausländischer Name einen noch zum Schmunzeln brachte, kommen Kennern von Malcolm X und der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung bei einer unfreiwilligen Auseinandersetzung mit Pirinçci ganz schnell die Begriffe „Field Negro“ und „House Negro“ in den Sinn. Man kommt sich eigentlich vor wie in einem schlechten Witz.
Dabei gibt es gar nichts zu Lachen. Diese Menschen werden nämlich immer salonfähiger dadurch, dass mit ihnen umgegangen wird, als wären sie nichts weiter als einfache Vertreter einer sachlichen These. Dass hinter diesen Thesen ein tief sitzender Hass versteckt ist, wird meist zunächst einmal ignoriert – um „sachlich“ zu bleiben, versteht sich. Diesen Menschen werden – ob öffentlich-rechtlich oder privat – ein bequemer Sessel angeboten sowie eine Runde von Mitdiskutanten. Dann ignoriert man schlicht, dass es um Politik auf den Schultern der Schwächsten geht.
„Komm mir ja nicht mit der Masche!“ heißt es. „Kannst du nicht mal die Emotionen da rauslassen?“ – Und während sich Sarrazin noch hinter seinen Zahlen versteckte und Fakten so drehte und wendete, bis sie in sein Schema passten, dabei aber zugegebenermaßen sachlich blieb (bis auf seine wilden Ausflüge in die Genetik), wirkte er sozusagen zugleich als Türöffner für Pirinçci, der sich noch nicht einmal die Mühe macht, sachlich zu bleiben. Denn: „Mann wird ja wohl noch sagen dürfen…“ – Und ja, man darf jetzt endlich sagen! Man darf sagen, dass Menschen, die sich hier nicht wohlfühlen, auswandern sollten und dass man das „alte Deutschland“ wiederhaben will – was auch immer das sein soll. Deutschland 2014, herzlichen Glückwunsch!
Proleten in Hemd und Sakko
Verdrängt wird dabei oft, dass eigentlich weder Gedanken noch Ausdrucksweise derartiger Menschen salonfähig sind. Salonfähig werden sie auch nicht dadurch, dass sie zumindest wissen, wie man sich zu kleiden und zu artikulieren hat. Proleten in Schlips und Kragen also, zu mehr taugen diese Menschen nicht. Doch erzähl das mal einer den quotensüchtigen Medienvertretern. Vergessen wir es…
Interessant aber ist das Geschäftsmodell: Hau einen Haufen Mist raus, sorge für massenmediale Empörung, setze dich dann bequem in die Lederhocker abendlicher Prolet-, ääh, Politsendungen, kichere dir ins Fäustchen und kassiere ab. Ganz einfach und effizient. „Ein Nerv wird getroffen“, heißt es. Ich würde eher sagen: „Ins Hirn wird geschissen!“ – Entschuldigt bitte meine Wortwahl und entschuldigt bitte auch, dass auch ich jetzt eine gewisse unerwünschte Werbung beisteuere. Doch etwas anderes fällt mir dazu nicht ein.
Im Kern bleibt etwas ganz Einfaches übrig. Etwas ganz Banales, Primitives. Etwas, was in jedem von uns Freude weckt, wenn man dieses Gefühl kosten darf: nämlich das Gefühl, etwas Besseres zu sein. Das Gefühl, über minderes Fußvolk reden und urteilen zu können, als wäre es Abschaum. Nichts anderes als ein Objekt, über das man diskutiert, mit einem Glas Wein in der einen und einer Zigarre in der anderen Hand. Etwas ganz Banales, Primitives eben. Etwas Abartiges.
Von diesem Gefühl, etwas Besseres zu sein, dürfen übrigens auch die Türken in diesem Land spätestens seit der Panikmache um die angebliche Masseneinwanderung aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn kosten. Dieser paradox-süße Geschmack des Abartigen. Doch weiter möchte ich auf dieses Thema nicht eingehen. WER MEHR DAZU LESEN WILL, FOLGE BITTE DIESEM LINK.
Ein Sultan ist (wieder)geboren
Nun wandern wir mal weiter südostwärts. Genauer: nach Anatolien. Genauer: nach Ankara. Hier und in den Städten der ganzen Türkei sammelt ein Ministerpräsident seit geraumer Zeit Menschenmassen vor einer Bühne, auf der er dann selbst steht und vor einem Mikrofon brüllt, dann kreischt, dann Mickey-Mouse-Geräusche von sich gibt. Recep Tayyip Erdoğan: Ein charismatischer, großer Mann. Einer, der viele politische Kriege gekämpft und die meisten auch gewonnen hat. Als logische Konsequenz musste irgendwann nach den vielen symbolischen endlich auch mal ein richtiger Krieg her. Und genau darauf bereitet sich die Türkei, ein NATO-Mitglied, nun vor.
Auch wir in Deutschland stecken bereits mittendrin, bevor der Krieg zwischen der Türkei und Syrien überhaupt erst angefangen hat. Deutsche Soldaten und Militärmaschinerie sind schon längst an der türkisch-syrischen Grenze stationiert. Nun ist es nichts Neues, dass Krieg von NATO-Ländern ausgeht. Auch ist es nichts Neues, dass sich Völker in dieser Region mit ihren Glaubensbrüdern und kulturellen Gefährten in die Haare kriegen, statt gemeinsam an der Stabilisierung des Nahen Ostens und der muslimischen Welt zu arbeiten. Neu ist allerdings das hässliche Gesicht einer provokanten Türkei. Die Brücke zwischen Orient und Okzident droht zusammenzubrechen.
An einen türkischen Alleingang ist allerdings nicht zu denken. Wie gesagt: Wenn die Türkei Krieg führt, führt auch die NATO Krieg. Weitere Konflikte der Türkei mit ihren muslimischen Nachbarstaaten scheinen immer unumgänglicher, während zeitgleich ihr Weg in die EU immer unwahrscheinlicher wird – sowohl aus europäischer als auch und vor allem aus türkischer Sicht.
Eine kriegerische Stimmung herrscht bei den Türken momentan nicht nur in Richtung Ausland, sondern vor allem im Inland. Erst Gezi, dann Korruptionsaffäre, dann Kommunalwahlen und jetzt bereitet sich das Land auf Präsidentschaftswahlen vor, zu denen höchstwahrscheinlich kein Geringerer als Erdoğan selbst kandidieren wird, nachdem die Verfassung dahingehend verändert wurde, dass nun das Volk direkt den Staatspräsidenten wählen wird. Dass dies selbstverständlich auch etwas an der Macht und den Befugnissen dieses Amtes verändern müsse, äußerte kürzlich Erdoğan selbst. Wie schön doch alles zusammenpasst!
Über alle Einzelheiten der türkischen Innenpolitik zu schreiben würde hier genau den Rahmen sprengen, der an zu vielen anderen Stellen bereits oft genug zerschreddert wurde. Doch um eine Sache komme ich nicht herum: Die Telefonmitschnitte der Gespräche von Regierungsmitgliedern und die unter anderem darauf gestützten Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung. Auch dieses Thema wurde schon oft genug zerkaut und ich habe nicht vor, zu viel meines Speichels hinzuzumischen.
Ohne ein wenig darauf einzugehen lässt sich derzeit aber kaum über die Türkei sprechen. Während nicht klar ist, wer für die (by the way: von einer höchst kriminellen Energie getriebenen) Mitschnitte verantwortlich ist, und noch unklarer ist, was und wie viel davon echt ist, bleibt für mich etwas unterm Strich übrig: Kopfschütteln über einstige Weggefährten, die nun urplötzlich gemerkt zu haben scheinen, dass der Gegenüber doch nicht so ganz koscher, ääh, halal ist, wie man zuvor dachte.
Ist es nicht interessant, wenn zwischen einstigen Weggefährten ein großer Konflikt ausbricht und lange Zeit versteckte Ungereimtheiten – auf Türkisch würde man sagen „çekememezlik“ (es gibt kein deutsches Wort dafür, lernt also einfach Türkisch!) – plötzlich ans Tageslicht kommen? Wenn herauskommt, dass die Regierung jahrelang abgehört wurde und eine religiöse Bewegung dann kurz vor den Wahlen mit den daraus gewonnenen Informationen Gegenstimmung verbreitet? Und wenn all das genau dann aufgebauscht wird, wenn die Regierung versucht, ein wichtiges finanzielles Standbein eben dieser Gemeinde zu zerstören?
Wen verarscht ihr eigentlich? Uns, euch gegenseitig oder gar euch selbst? Wenn einem doch so viel daran liegt, dass der eigene Bruder rechtmäßig handelt und nicht irgendwann im Korruptionssumpf ertrinkt, dann nutzt man doch seine guten Beziehungen und sorgt dafür, dass er etwas an seinem Verhalten ändert, oder?
Risse durch Freundeskreise und Familien
Aber nein: Es geht auch hier, wie an so vielen anderen Stellen auch, weder um Rechtmäßigkeit noch um Wohltätigkeit. Es geht wieder „nur“ ums Ego. Und wenn sich zwei Brüder die Köpfe einschlagen, leiden eben die jeweiligen Gefolgschaften an den Schmerzen. So einfach ist das. Wer sich am Ende beweist, hat gewonnen. Auf der Strecke bleiben Tausende von Freundschaften, Weggefährten, Brüdern und Schwestern.
Und was sagt die türkische Opposition dazu? Ach komm, hör mir auf mit denen! Die türkische Opposition ist im wahrsten Sinne „nicht der Rede wert“. Das Einzige, was sie kann, ist sich im Kreise ihrer treuen, fast fanatischen, aber eben zu kleinen Gefolgschaft selbst zu loben, und zwar nicht dafür, was sie selbst geleistet hat, sondern dafür, wie gut sie die Regierung schlechtredet.
Ach ja, noch was kann die Opposition: Sich bei ihren großen Brüdern in Europa beschweren. Doch die wiederum haben weder die Zeit noch die Lust, sich um diesen Kinderkram zu kümmern. Denn die großen Brüder sind derzeit viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Einzig und allein Gauck Abi hat kürzlich Erdoğan das Fürchten gelehrt. OK, OK, das sollte hier keine Komödie werden. Weiter im Text:
Krimsalabim…
…und schon war Russland um ein Stück größer.
Also wenn wir schon bei großen Brüdern sind, dann kann Putin ja nicht weit sein. Doch statt mir hier die Finger wundzutippen, mache ich lieber auf einen Menschen aufmerksam, der, wie zu vielen anderen Themen, auch an dieser Stelle die richtigen Worte findet. Die Rede ist von Jürgen Todenhöfer, in den ich wahrscheinlich unterbewusst verknallt bin. Auf seiner Facebook-Seite schrieb er am 30. März:
Und Recht hat er! Der Text geht übrigens noch weiter. Ich empfehle mit Nachdruck, auf seine Facebookseite zu gehen, und auch die vielen anderen zu lesen.
Im Übrigen sollen die letzten paar Zeilen bitte nicht als Antiamerikanismus verstanden werden. Wer sich mit den amerikanischen Grundwerten beschäftigt, wird sehr schnell merken, dass die US-amerikanischen Regierungen nicht nur, aber vor allem in den letzten Jahrzehnten so einiges verbockt und so einige ihrer eigenen Werte über Bord geschmissen haben. “We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the Pursuit of Happiness…” – Schon klar!
Und siehe da, von einem kamen wir auf zwei: Zwei große Länder, zwei große Brüder, zwei große Mächte und zwei große Egos. Und da wären wir wieder beim Thema…
…von großen Brüdern und noch größeren Egomaniacs.
Und wenn wir von großen Egos reden, dürfen Bernd Lucke und sein „Alibi für Dummköpfe“ nicht unerwähnt bleiben. Aber damit soll auch gut sein. SO wichtig ist die AfD nun auch nicht, dass ich hier mehr darüber schreiben müsste, oder?
Dann soll es auch reichen für heute! Haydi Tschüss!