Als die Tageszeitung „Welt“ vor wenigen Tagen ankündigte, sich wegen einer angedienten Beratertätigkeit für die AfD von ihrem Redakteur Günther Lachmann zu trennen, da sah es so aus als wenn in Sachen Glaubwürdigkeit des Journalismus klare Kante gezeigt wird. Der zweite Blick wirft Fragen auf. In der Chefredaktion scheint die Stunde der Heuchler geschlagen zu haben.
„Warum sich die ‚Welt‘ von Günther Lachmann trennt“, so lautete in den letzten Tagen eine Überschrift in der Welt. Chefredakteur und Herausgeber, Stefan Aust erklärt darin, warum jemand, der sich einer Partei als Berater andient, seine „Unabhängigkeit“ verloren hat, man sich deshalb von Lachmann trennen müsse.
„Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Kapital des Journalismus. Wer diese aufs Spiel setzt, schadet nicht nur der Zeitung oder der Zeitschrift, für die er arbeitet. Er schadet der gesamten Publizistik“ (Stefan Aust)
Hintergrund der Trennung des Springer-Verlags von Günter Lachmann ist, dass der AfD-Europaabgeordnete, Marcus Pretzell Ende Januar öffentlich gemacht hat, dass Lachmann der AfD eine Beratertätigkeit angeboten hat. Anfänglich bestritt Lachmann das und legte eine Eidesstattliche Versicherung vor, in der er die Aussagen Pretzells zurückwies. Später tauchten E-Mails auf, in denen Lachmann der AfD tatsächlich Vorschläge für die politische Strategie der Partei gemacht hat. Die Behauptung von Marcus Pretzell, dass Günther Lachmann in diesem Zusammenhang Honorarforderungen gestellt haben soll, ist damit nicht bewiesen. Für die Welt-Chefredaktion reichen diese Mails aber aus, um sich vom Redakteur zu trennen.
Zu Recht, möchte man auf den ersten Blick meinen. Schließlich steht es Journalisten, die unabhängig über Vorgänge in Deutschland und der Welt berichten sollen, nicht gut zu Gesicht, wenn sie zu stark in Netzwerke verflochten sind. Unter dem vermeintlichen Mäntelchen der unabhängigen Berichterstattung, würde hier gegenüber den Leserinnen und Lesern Rosstäuschung betrieben werden. Insofern müsste man der Welt an dieser Stelle dankbar sein, dass sie hier so klare Kante gegenüber einem Redakteur zeigt. Der zweite Blick auf die Geschichte, macht dann aber alles etwas komplexer.
Distanzlosigkeit gegen eine Partei sieht anders aus
Günther Lachmann hat der AfD politische Empfehlungen gegeben. Ob er dafür Honorarforderungen an die AfD gestellt hat, das ist bisher nicht aufgeklärt. Sicher scheint aber zu sein, dass es nie ein Beraterverhältnis zwischen dem ehemaligen Welt-Redakteur der der AfD gegeben hat. Der Versuch ist also schon in der Redaktion der Welt sanktionierungswürdig.
Dabei hätte nur ein Blick auf die Artikel von Lachmann in der Welt genügt, um festzustellen, dass Lachmann sich keineswegs zu Jubelberichterstattung über die AfD versteigt. Wie viele andere Menschen auch, hat er vielleicht einmal voll Hoffnung in eine Partei gesetzt, die 2013 angetreten ist, die von vielen empfundene verkrustete Parteienlandschaft aufzubrechen. „Neue Besen kehren gut“, wird sich vielleicht auch Lachmann gedacht haben. Wenn man sich durch seine Artikel auf der Internetplattform Geoletico klickt, dann kann man feststellen, dass Lachmann in vielen Bereichen ein konservatives Weltbild vertritt. Verantwortlich für die Internetseite zeigt sich laut Impressum, Karin Lachmann, die Ehefrau des nun entlassenen Redakteurs. Viele Artikel Lachmanns lassen eine Grundsympathie mit der AfD vermuten. Damit steht er nicht allein. Nach der letzten Sonntagumfrage, geben 12 Prozent der Befragten an, dass sie ihr Kreuzchen, wenn morgen Wahl wäre, bei der AfD machen würden.
Allerdings schreibt Lachmann über Frauke Petry, nachdem sie im Juni des letzten Jahres den Parteivorsitz übernommen hat, zunehmend kritisch. Schon früh ist für ihn klar, dass mit dieser Neuaufstellung der AfD, die Partei nach rechts gerückt ist. Als die AfD-Parteivorsitzende dann auf dem Bundespresseball erschien, konnte sich Lachmann die eine oder andere Spitze gegen Petry nicht verkneifen, die sich hier freiwillig unter die von ihr so gescholtenen „Pinocchio-Presse“ begeben hat.
Ende Januar erscheint dann auf Welt-Online ein Artikel, in dem Lachmann Petry das gleiche Schicksal wie Lucke voraussagt. Die AfD sei das „Zentrum der neuen deutschen Nationalisten“ schreibt der Welt-Redakteur damals. „Eine neue deutsche Rechte sein entstanden“, so Lachmann weiter. Wie nie zuvor seit 1945 würde die AfD das Klima im Lande radikalisieren.
„Eine neue deutsche Rechte ist entstanden… Wie nie zuvor nach 1945 radikalisiert die AfD mit Parolen wie ‚Deutschland soll schön deutsch bleiben‘ das Klima im Land“ (Günther Lachmann)
Distanzlosigkeit einer Partei gegenüber sieht sicherlich anders aus.
„Korrupte, durch Eliten vereinnahmte Journalisten“
Nun kann man natürlich darüber spekulieren, ob hier einer die Feder führte, der enttäuscht darüber gewesen ist, dass aus dem Beratervertrag nichts wurde. Spekulationen haben aber keinen Platz, wenn man die Vorgänge um Lachmann bewerten möchte. Erhellender dürfte es aber sein, wenn man einmal einen Blick auf einen ehemaligen Kollegen von Lachmann wirft, Michael Stürmer.
Stürmer ist Chefkorrespondent der Welt. Er verfügt über ein großes Netzwerk zu den Eliten aus Politik und Wirtschaft. Das ist erst einmal überhaupt nicht zu beanstanden, da es für einen Journalisten unabdingbar ist, sich in seiner Arbeit auf ein großes Netzwerk stützen zu können. Braucht man exklusive Informationen, so erhält man diese eher bei persönlichen Hintergrundgesprächen als auf Pressekonferenzen.
Spannend ist aber ein Studienergebnis, das der Medienforscher Uwe Krüger veröffentlicht hat, in dem auch der Name von Michael Stürmer auftaucht. <a href=“http://www.taz.de/!5069170/“ target=“_blank“>Krüger kommt in der Studie zum Ergebnis, dass viele Journalisten viel zu nahe an den politischen und wirtschaftlichen Eliten dran sind </a>und sich damit nicht selten zum Sprachrohr dieser Eliten machen. Somit komme es nicht selten vor, dass in den „Qualitätsmedien“ nicht der Meinungsquerschnitt in der Gesellschaft wiedergegeben wird, sondern eben nur PR für die Elitemeinungen gemacht wird.
Krüger prüfte im Rahmen seiner Studie „Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten“ die Netzwerke von 219 Journalisten bei 21 großen Medien. Dafür durchforstete er Internetseiten von Thinktanks, gemeinnützigen Organisationen, Vereinen und Stiftungen. Vier Journallisten, die laut Krüger über enge Verflechtungen im „ US- und Nato-affinen Milieu“ verfügten, wählte Krüger dann aus, um hier einen exemplarischen Zusammenhang zwischen Elitennähe und Berichterstattung zu belegen. Unter diesen vier Journalisten befindet sich auch Michael Stürmer von der Welt. Gerade im Hinblick auf die Frage der Auslandseinsätze der Bundeswehr, klafft laut Krüger eine große Lücke zwischen der Bürgermeinung und der veröffentlichten Meinung. Eine Debatte findet kaum statt, da „korrupte, durch Eliten vereinnahmte Journalisten“ diese verhindern. Das ist sicherlich starker Tobak.
Natürlich haben die in der Studie benannten Journalisten diese Vorwürfe Krügers zurückgewiesen. Die Arbeit des Medienforschers halten sie für „unseriös“. Nur bleibt, trotz der Beteuerung, nach wie vor der Vorwurf im Raum stehen, das Deutschlands Alpha-Journalisten nur einseitig schreiben, weil sie sich mit den politischen Eliten gemein machen. Der Gegenbeweis konnte nicht angetreten werden. Die im vergangenen Jahr heftig geführte Debatte um den Begriff „Lügenpresse“, der übrigens nicht nur im Pegida- oder AfD-Umfeld auf Zustimmung stößt, macht deutlich, dass „Qualitätsmedien“ dabei sind, ihre Glaubwürdigkeit zu verspielen.
Ungefährliche Muskelspiele
Was hat das aber alles mit der Entlassung von Günther Lachmann zu tun? Ich finde sehr viel. Offenbar wird nämlich in den Redaktionsstuben mit zweierlei Maß gemessen. Michael Stürmer scheint in den Augen der Welt-Chefredaktion seine „Glaubwürdigkeit“ behalten zu haben, obwohl ihm sowohl Kontakte als auch Mitgliedschaften in Netzwerken nachgewiesen wurden, die seine Berichterstattung augenscheinlich beeinflusst haben.
Tag für Tag wird, indem man solche Praktiken innerhalb des „Qualitätsjournalismus“ duldet, die Glaubwürdigkeit von unabhängigem Journalismus aufs Spiel gesetzt. Keine Chefredaktion hat bisher die Reißleine gezogen.
Nur im Falle von Lachmann lässt man plötzlich die Muskeln spielen, weil es ja relativ ungefährlich ist. Mit der Entfernung des Welt-Journalisten tritt man ja schließlich keinem der Machteliten in unserem Land auf die Füße. Im Gegenteil, man kann sich eventuell sogar deren Zustimmung sicher sein. In der Auseinandersetzung mit der AfD, das zeigen uns ja die letzten Monate, ist zunehmend jedes Mittel recht. Das auch hier die Demokratie, die man vorgibt verteidigen zu wollen, Schaden nimmt, scheint zweitrangig zu sein.
Es gibt viele gute und richtige Argumente, die man gegen die Positionierung der AfD ins Feld führen kann. Berechtigterweise ist die Frage aufzuwerfen, ob man mit Lösungsansätzen von gestern eine Welt von morgen gestalten kann. Da habe ich meine Zweifel. Nur muss genau diese Auseinandersetzung mit der AfD geführt werden. Fiese Tricks und die Verlagerung der politischen Auseinandersetzung auf ein Feld von Repression, Druck und Oberlehrerhaftigkeit sind die falsche Antwort auf eine Retropartei wie die AfD.
Die Entlassung von Günther Lachmann lässt daher auf den zweiten Blick dann doch zweifeln, ob es hier nur um die Glaubwürdigkeit von Journalismus geht. In der Welt-Chefredaktion wird jedenfalls mit zweierlei Maß gemessen. Das ist mindestens ebenso ein Glaubwürdigkeitsproblem wie ein Journalist, der sich einer Partei als Berater andient.