Als sich vor einigen Jahren die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. (AABF) gegründet hatte, um die Interessen der Aleviten zu vertreten, stand die türkische Community hinter ihr. Seither hat die sich AABF jedoch nicht als Interessenvertreter, sondern vor allem als zweifelhafter politischer Kampfverband gezeigt.

Das politische Wirken und öffentliche Auftreten der AABF vermittelt gegenwärtig den Eindruck, als hätten sich dort unter faszinierten Blicken des deutschen Staates kurdische Nationalisten und türkische Linksradikale mit dem primären Ziel organisiert, um Ressentiments gegen die Türkei, gegen Türkinnen und Türken sowie gegen das sunnitische Leben in Deutschland insgesamt zu verbreiten. Die türkische Gemeinde in Deutschland ist irritiert und über das Treiben dieses als Religionsgemeinschaft anerkannten Verbandes außerordentlich beunruhigt.

AABF: Wenn Aleviten gefragt werden, Linke antworten und Kurden agitieren

Ohne Zweifel habe ich mich vor einigen Jahren sehr darüber gefreut, dass die alevitische Gemeinde in Deutschland sich bundesweit organisiert und es sogar geschafft hat, als Religionsgemeinschaft in Deutschland anerkannt zu werden. Denn angesichts der Tatsache, dass die türkische Community nur wenige, eigentlich fast keine zivilgesellschaftlichen Akteure aufzubieten hat, die bundesweit organisiert wären, war diese Leistung der alevitischen Gemeinde nicht nur organisatorisch herausragend, sondern vor allem auch vom Diversitätsgesichtspunkt aus im höchstem Maße erfreulich. Denn jede migrantische Selbstorganisation ist eine Brücke auf dem Weg in eine Gesellschaft der Vielfalt. Vielleicht, ja vielleicht könnte dieser Erfolg der Alevitinnen und Aleviten in Deutschland für den Rest der türkischen Community ein starkes Signal werden – so war damals meine stille Hoffnung.

Inzwischen ist diese Hoffnung gravierenden Zweifeln diesem Verband gegenüber gewichen. Innerhalb nur weniger Jahre hat er es geschafft, die türkische Gemeinde in Deutschland mehrfach vor den Kopf zu stoßen. Denn zwischen dem, wie sich der Verband nach außen darstellt, und seinem politischen Handeln besteht ein besonders widersprüchlicher Unterschied, der nicht unwesentlich ist! Nämlich: Zwar vertritt der Verband nach eigenem Bekunden die AABF, wie der Name schon sagt, die alevitische Gemeinde in Deutschland. Bewertet man diesen Verband aber nach seinem tatsächlichen Gebaren, seinem politischen Handeln und seiner öffentlichen Kommunikation, scheint er vor allem ein ideologisch motivierter Verband zu sein, dem es weniger um das Alevitentum als vielmehr um die politischen Interessen der Kurden in Deutschland und in der Türkei geht.

AABF in strategischer Allianz mit PKK-nahen Organisationen

Die türkische Gemeinde in Deutschland war beispielsweise im negativen Sinne beeindruckt, dass die Demonstration, welche der AABF anlässlich des Besuches des türkischen Ministerpräsidenten in Berlin am 31. Oktober 2012 veranstaltete, auch von Yek-Kom e.V. getragen wurde. Denn beim Yek-Kom e.V. handelt es sich um einen zwar legalen kurdischen Dachverband, der aber dem deutschen Verfassungsschutz zufolge Organisationen umfasst, die den Kampf der PKK nicht nur in der Türkei unterstützen, sondern auch die Strukturen der PKK in Deutschland mittragen (siehe Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz: Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) – Strukturen, Ziele, Aktivitäten).

Mehr noch: In der engen Zusammenarbeit mit Yek-Kom e.V. hat die  AABF die Kampagne des kurdischen Dachverbandes zur „Anerkennung der kurdischen Identität in Deutschland” öffentlich unterstützt. Das wäre wenig heikel, wenn es nur bei dieser Forderung bliebe, da schließlich das kurdische Volk selbstverständlich den Anspruch hat, nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei seine Identität, seine Sprache und Kultur auszuleben. Bei der Sitzung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags am 17. Oktober 2012 ging es aber über die Anerkennung der kurdischen Identität hinaus auch um die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland.

Die AABF  ist bei den meisten politischen Themen, die die Lebensrealität, aber auch Lebensqualität der türkisch-sunnitischen Gemeinde in Deutschland betreffen, öffentlich präsent. Sei es die Einführung des Islamunterrichts, die Beschneidungsdebatte, die Organisation ihrer Verbände: Die AABF wird nicht müde, sich einzubringen und dabei teilweise sogar die drohende Faust in der Luft zu schwingen.

Verbrüderung mit kommunistischen  Organisationen

Inzwischen haben AABF und der Yek-Kom e.V. ihre Zusammenarbeit im Rahmen der so genannten „Demokratischen Gemeinschafts-Plattform” gefestigt und ausgebaut. Zu dieser Plattform gehören noch zahlreiche andere Organisationen an, die nicht nur die Gruppe der Kurdinnen und Kurden, sondern auch ideologische Strömungen vom Sozialismus über Kommunismus bis hin zum Maoismus vertreten.

Diese Verbindungen zwischen den Organisationen sind nicht verdeckt oder werden etwa geheim gehalten. Keineswegs! Sie sind öffentlich einsehbar. Seien es öffentliche Demonstrationen, die sich gegen den türkischen Ministerpräsidenten oder gegen die Politik der Türkei richten, oder offene Briefe an die deutsche Bundeskanzlerin – sie alle werden getragen und unterschrieben von dieser „Demokratischen Gemeinschafts-Plattform”. Infolgedessen stellt sich die zwingende Frage, welche Gruppe dieser Verband tatsächlich vertritt: Denn nach gegenwärtigem Stand umarmt die AABF kurdische Nationalisten und singt mit diesen kommunistische Kampflieder, während sie gleichzeitig die Fahne des Alevitentums hisst.

Im Herzen des Berliner Regierungsviertels

Bedenklich in diesem Zusammenhang ist auch, dass die AABF eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft ist. Dies bedeutet nämlich, dass dieser Verband monetäre und politische Privilegien besitzt. Und ein vom Staat anerkannter Verband genießt eine hohe Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Das ist für die politische Kommunikationsarbeit dieses Vereines natürlich unbezahlbar.

Dieser Verband also, den man inzwischen als dubios bis subversiv bezeichnen kann, sitzt in wichtigen staatlichen Gremien, posiert neben dem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und hält Pressekonferenzen mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel ab, wie zuletzt auf der Pressekonferenz im Anschluss des 5. Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt geschehen.

Mehr noch: Er gestaltet die Bundespolitik mit. Man sitzt nicht nur in der Islamkonferenz und beim Integrationsgipfel. Schlimmer noch, die AABF, die mit radikalen und gewaltbereiten kurdischen  wie linksradikalen Organisationen kollaboriert, gestaltet die Sicherheitspolitik Deutschlands mit. Wahnsinn! Denn der Verband ist inzwischen der einzig verbliebene Partner des Bundesinnenministeriums im Rahmen der „Initiative Sicherheitspartnerschaft”, die aufgrund der “Vermisst!”-Plakataktion bundesweit in Verruf geraten war. Insofern war es auch wenig verwunderlich, dass auf den Plakaten, die inzwischen zurückgenommen wurden, keine „radikale Kurdin” und kein „religiös fanatisierter Alevit” zu finden waren – dafür aber ein Hassan, ein Ahmad, eine Fatima und der Konvertit Tim.

Agitationen gegen türkischstämmige PolitikerInnen

Die AABF ist auch noch für anderweitige Umtriebe berüchtigt. Denn sie kompromittiert öffentlich türkischstämmige Politikerinnen und Politiker, die nicht die Linie des Verbandes vertreten. Das prominenteste Opfer ist bisher die Staatssekretärin für Integration im NRW-Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, Zülfiye Kaykin, die über Jahre mehrfach aus dem Dunstkreis des AABF attackiert wurde. Auch die erste türkischstämmige Landtagsabgeordnete der CDU, Serap Güler, wurde jüngst zur Adressatin solch haltloser Vorwürfe.

Die Vorgehensweise dabei ist perfide: Die Untergliederungen der AABF, ihre Netzwerkpartner und einzelne Persönlichkeiten aus dieser Community bringen sich in Stellung und gehen gegen die Zielperson mit der Keule des türkischen Ultranationalismus oder des fanatisierten Islamismus vor. So werden sowohl die Ängste und Vorurteile der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch die niederen Instinkte fremdenfeindlicher und islamophober Gruppen gegenüber Türkinnen und Türken in Deutschland bedient. Schützenhilfe erhält diese Gruppe der Agitatoren hin und wieder vom Noch-Grünen-Bundestagsabgeordneten Memet Kılıç, der regelmäßig für mediale O-Töne und Statements bereitsteht,  vom Redakteur der „Welt“ Till-R. Stoldt, der bereits einige Jubelartikel und Interviews über die alevitische Gemeinde verfasst hatte bis hin zur „Aktion Linkstrend stoppen“ von CDU-Mitgliedern, die der rechtsextremen Anti-Islam-Szene durch ein wechselseitiges, von Sympathie geprägtes Naheverhältnis verbunden ist.

Eine schauerliche Vorstellung!

Es ist schauerlich, was hier stattfindet. Es ist schauerlich, dass ein Verband, der eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft sein will, mit dem Willen und dem Rückenwind der Bundesregierung anti-türkische Ressentiments in der Gesellschaft verbreitet und fördert. Es ist daher Zeit, die AABF kritisch zu hinterfragen und ihre Arbeit ebenso kritisch zu begleiten. Denn es darf in einem demokratischen und pluralistischen Rechtsstaat nicht möglich sein, dass eine ethnische und/oder ideologisch geprägte Gruppe eine andere Bevölkerungsgruppe in der Gesellschaft mit dem Ziel der Marginalisierung diffamiert und denunziert – zumal diese Gruppe drei Millionen Menschen in diesem Land umfasst und damit die größte Minderheit bildet.

Aber noch mehr lässt es mich erschaudern, dass die Betroffenen in der türkischen Community so schweigsam sind. Man kann sich zwar über eine Ohrfeige beschweren – aber nicht dann, wenn man zuvor die Wange bereitwillig hingehalten hat.

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(Jahrgang 1978) Gründer und Leiter des futureorg Instituts für angewandte Zukunfts- und Organisationsforschung. Durch die von ihm initiierte Sozialstudie über die türkischen Akademiker und Studierenden in Deutschland (TASD-Studie) hat er national und international Reputation als Trend- und Zukunftsforscher erlangt. Er hat an der Ruhr Universität-Bochum Sozialwissenschaft mit den Schwerpunkten Organisationssoziologie und empirische Sozialforschung studiert. Während und nach seinem Studium arbeitete er in verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen und Beratungshäusern. Zwischen 2010 und 2012 war er Lehrbeauftragter an der Universität Duisburg-Essen. Zwischen April 2009 bis Mai 2012 war er ehrenamtlicher Geschäftsführer der Föderation Türkischer Elternvereine NRW e.V.

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