Wenn „friedliche Demonstranten“ auf Mütter mit Kind einprügeln…
„Schaut mal her, die H..e von Erdoğan ist hier, lass uns Sie f….n !“ waren die Worte, die mich veranlassten, mich umzudrehen. Der hasserfüllte Blick der Gruppe ungefähr 25- bis 30-jähriger Frauen ließen keinen Zweifel zu, sie redeten über mich. Ehe ich mich versah war ich inmitten eines Mobs von 70-100 Stirnband und Lederhandschuhe tragenden Männern. Mein Kinderwagen wurde mir entrissen. Eine Frau schrie: „Was unserem Land passiert ist, ist nur durch ihre Kopftücher passiert, schlagt Sie!“ und ich spürte die Schläge und Tritte von hinten.
Sie schrien, dass dies eine Revolution sei, ein Umsturz, sie würden das Land nicht uns überlassen, sie würden Erdoğan hängen, Sie würden Erdoğan und den Rest einzeln f…n.
Zwei Passanten – ein Mann mit seiner Tochter – die mir zur Hilfe eilten, haben sie erbarmungslos niedergeprügelt. Ich verlor mein Bewusstsein und als ich wieder aufwachte, stinkend nach Urin, wollte ich nur noch mein Kind finden“.
Das sind die Schilderungen einer Mutter, die zufällig mit ihrem Kind einer Gruppe der „friedlichen Umweltschutzaktivisten“ begegnet ist.
Putschversuch gegen ein verhasstes System namens „westliche Demokratie“
Ja! Unzweifelhaft, dieser Aufstand hat den Charakter eines Putschversuches. Es ist ein Putschversuch gegen ein verhasstes, westliches Demokratieverständnis. Das Ziel ist die Aufhebung der Gleichberechtigung und Freiheit für alle Bürger. Angesichts der einseitigen medialen Berichterstattung würden sich viele irritierte Leser jetzt fragen: „Über wen schreibt er jetzt?“
Die schwächelnde Opposition, die mit letzten Mitteln die alte kemalistische Staatsordnung wiederherzustellen versucht, ist gut beraten, auf Demokratie und Wahlen anstatt auf Straßenkämpfe zu setzen. Die sich jedem nennenswerten konstruktiven Beitrag im Demokratisierungsprozess der Türkei verschließende Opposition erweist jetzt mit ihrer Haltung der türkischen Demokratiebewegung einen letzten Bärendienst. Obwohl die Regierung in dem Bauprojekt eingelenkt hat, weiter auf Straßenkämpfe zu setzen, kann nur ein Motiv haben: Die Destabilisierung mit dem Ziel einer undemokratischen Machtübernahme.
Ist Taksim repräsentativ für die Türkei?
Taksim ist nicht repräsentativ für die gesamte türkische Gesellschaft. Das haben besonders gestern, nur wenige Kilometer davon entfernt, die Bilder der über 1 Million versammelten Besucher der AKP-Veranstaltung gezeigt. Die türkischen Wähler haben sich für eine westliche und offenere Demokratie entschieden und unterstützen Erdoğans Reformen. Es sieht auch lt. letzten Umfragewerten nicht so aus, als ob sich dies in naher Zukunft ändern würde.
Genau diese Tatsache wird in den internationalen Medien bewusst verdreht. Gestützt auf Bilder einiger tausend Demonstranten in einem Istanbuler Stadtteil geht ein fatales Bild der Türkei um die ganze Welt. Untermauert wird die Berichterstattung mit Begriffen wie „Hitler“, „Diktator“ „autoritärer Machthaber“ und abenteuerlichen Parallelen zum Arabischen Frühling.
Die leichtfertige, gezielte und manipulative Gleichstellung mit Diktatoren, das Suggerieren eines Kriegszustandes, die Kluft zwischen der Realität und der medialen Aufarbeitung durch die internationale Presse lässt viele Fragen offen: Ist die Türkei in Wahrheit für bestimmte Kreise unbequem geworden?
Internationale Kritik ist wichtig und sollte auch für jede Regierung ein Anlass sein, sich über ihre Politik Gedanken zu machen. Jedoch schießt die Kritik in diesem Fall sehr weit über dem Ziel hinaus.
Eine demokratisch gewählte Partei, die eine absolute Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat und der man keinen einzigen – zumindest unseren westlichen Maßstäben nach – undemokratischen Gesetzesbeschluss vorwerfen kann, wird regelrecht durch internationale Medien demontiert. Es scheint so, als ob dieser mediale Putschversuch noch für die kommenden Jahre die türkische Gesellschaft und Politik beschäftigen und auch maßgeblich prägen wird.
Prüfung nicht nur für die türkische Demokratie
Die angespannte Situation ist nicht nur zu einer Prüfung für die türkische Demokratie geworden sondern sie ist auch zur Prüfung der Beziehung zwischen dem Westen und der Türkei geworden.
Versuche, die türkischen Reformbewegung, die Demokratiebewegung wieder in das alte unterdrückerische System zurückzukatapultieren, werden nicht viele Sympathiestimmen hervorrufen. Dies sollte sowohl Claudia Roth als auch vielen anderen, die aktiv versuchen, in der türkischen Innenpolitik mitzumischen, bewusst sein. Anstatt sich an gewaltsamen Protesten zu beteiligen, würden wir Migranten sie gerne als Demokratie- und Friedensbotschafterin sehen.
In der Hoffnung, dass nicht der Hass, sondern die Vernunft und die Demokratie siegen…
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