© Dieter Schütz / pixelio.de

Es ist wirklich kein leichtes Thema. Zuerst war ich sprachlos. Ich bekam die Info direkt von einer betroffenen Mutter und kurz danach aus den Nachrichten bei RBB. [1]

Irgendwie konnte ich es aber auch nicht richtig einordnen. Ist das nun Rassismus, Selektion, Diskriminierung oder nur das natürliche Recht von Eltern, die ihre Forderungen an eine Schulleiterin stellen, die nun zwischen zwei Stühlen sitzt.

„Wenn man es jedem Recht machen möchte, macht man es im Endeffekt niemandem recht“, fällt mir nur dazu ein.

Genau das ist der Schulleiterin, der Lenau Grundschule, Karola Klawuhn, widerfahren.

Sowohl deutsche Eltern als auch Eltern mit Migrationshintergrund sind unzufrieden. Die Schulleiterin wollte nur das Beste für jeden. Es ging aber nach hinten los.

Die Einschulung der Kinder an der Lenau Grundschule mündete bei  einem kleinen medialen Aufschrei.

Folgendes hat sich nämlich ereignet:

Die Schulleiterin hat auf die besondere Bitte von deutschstämmigen Eltern die eingeschulten Kinder in deutsche und in nicht-deutsche Klassen aufgeteilt. Demnach sollten die Kinder mit einer anderen Muttersprache als deutsch in eine rein bilinguale Klasse kommen und unter sich bleiben.

Folglich sollten dann die muttersprachlich deutschen SchülerInnen auch unter sich bleiben, nämlich in der Klasse A3. Die Klassen A1 und A6 bilden sich aus Erstklässlern, die aus Migrantenfamilien kommen.

In der Klasse A3 gibt es auch SchülerInnen, die bilingual sind, verteidigen sich die Eltern aus der Klasse A3. Von 25 Erstklässlern sind aber nur drei dabei, die jeweils  einer koreanischen, kroatischen und türkischen Familie entstammen. Das ist eine verschwindend geringe Zahl, wie ich finde. Der Vorwurf, dass reine deutsche  Klassen gebildet wurden, gilt bei dieser Proportion nach wie vor.

Bei der Klasse A6 handelte es sich laut der Berliner Zeitung um eine Klasse, wo zu hundert Prozent SchülerInnen sind, die eine andere Sprache neben der deutschen sprechen.

Die Eltern bekommen das kurz nach der Einschulung ihrer Kinder mit und beschweren sich. Keiner der Eltern möchte, dass ihr Kind in eine Klasse kommt, wo türkische und arabische Kinder in der Mehrheit sind. Das Tragische dabei ist, dass sich kein einziges deutsches Kind in diesen akribisch aufgeteilten Migranten-Klassen befindet.

Warum wollen türkische Eltern nicht, dass ihr Kind mit anderen türkisch oder arabischen Kindern in einer Klasse unterrichtet wird, war meine erste Frage. Das hörte sich für mich nach einer Diskriminierung im eigenen Kreis an.

„Seht ihr! Die wollen doch selber ihre Kinder von schlecht deutsch sprechenden Schülern fernhalten, warum sollten wir deutsche Eltern nicht das gleiche wollen.“ So ungefähr denken doch einige, die von diesem  Vorfall hören, siehe auch Leserkommentare des oben genannten Zeitungsartikels.

Bei uns heißt es dann gleich „Rassismus“. Wir sind keine Rassisten lautet der Tenor und auch die Empörung der Eltern der rein deutschen Klasse A3.

Was sagen denn eigentlich die Schulpädagogen dazu? Gibt es Expertenmeinungen zur Vermischung und Zusammensetzung von reinrassigen Klassen?

Zurück zur Aufteilung der Klassen. Die Schulleiterin wird inzwischen aufgefordert, die Klassen noch mal neu aufzuteilen, so dass eine Vermischung stattfindet.

Es wird sogar ein Anwalt, Carsten Ilius, eingeschaltet. Die Konsultierung übernimmt die Tante (Sonay Avci) einer Erstklässlerin. [2] Die Mutter dieses Mädchens, Sezen Bozkurt, die sich unter den Eltern den ErstklässlerInnen am meisten empört hat, sei vom Beruf Erzieherin.

Es sind inzwischen 3 Wochen vergangen, aber es hat sich nichts getan. Der mediale Aufschrei ist nämlich mittlerweile abgedämpft und der normale Alltag kehrt wieder ein.

Fakt ist, dass die Klasse A 3 mit der A 6 jetzt erneut durchmischt wurde. Dafür wurden sogar 2-3 gemeinsame Klassenausflüge gemacht, damit die Schüler sich untereinander kennenlernen. Die Erstklässler sind teilweise ganz glücklich mit der Situation, haben sich an ihre Klassenkameraden gewöhnt und wollen keinen Wechsel, weder in eine andere Klasse noch in eine andere Grundschule. Manche Eltern spielen nämlich mit den Gedanken, die Schule zu wechseln und das wiederum ist gar nicht so leicht.

In den ersten drei Wochen bekommen die Erstklässler keinen Stundenplan. „Es wird nur gespielt“, beklagt sich eine türkischstämmige Mutter, die eine Uni abgeschlossen hat. Sie hat ganz andere Vorstellungen von Bildungskonzepten als diese Grundschule, bei der sie ihren 5-jährigen Sohn einschulen ließ.  Hätte sie es ahnen können,  dass sie schlaflose Nächte hinterher hat? Bei einer anderen Grundschule sieht sie zurzeit auch geringe Chancen zumal der Schuldirektor kaum freie Termine hat.

Den Leitmedien folgend handelt es sich, wie hier anfangs auch beschrieben, um eine Selektion von deutschen und nicht-deutschen Erstklässlern bei der Einschulung.

Interne Quellen geben mir aber die Info, dass es sich lediglich um die Initiative deutscher Eltern und einiger türkischer Eltern handelt, die ihre Kinder unbedingt bei einer bestimmten Klassenlehrerin unterbringen wollten. Dass daraus eine scheinbare Bevorzugung abgelesen wird, hätten die Beteiligten allerdings nicht vermutet.

Rein deutsche Klassen bleiben unberührt, die deutschen Eltern sind glücklich, türkisch- und arabisch-stämmige Kinder wollen keinen Wechsel, doch ihre Eltern suchen immer noch nach Lösungswegen. Ein Streit ist längst zwischen den Eltern ausgebrochen, weil sie ganz verschiedene Interessen vertreten. Mediatoren sind eingeschaltet und auch schon zweimal eingesetzt worden. Das ist schon mal ein sehr guter Schritt und bei einem solchen Vorfall sehr angebracht. In der Regel führen  Mediatoren immer zu einer Lösung, wo die Konfliktpartner sich einigen können. Es handelt sich um eine Konfliktlösungsstrategie, bei der ausgebildete Mediatoren zum Einsatz kommen.

Ich bin mir sicher, dass die Gespräche zwischen den beiden Parteien fruchten werden. Es wird sich herausstellen, wer welche Position aus welchem Grunde vertritt. Eine Aussprache wird stattfinden, wo jeder seine Bedenken Preis geben und Vorbehalte reflektieren kann.

Welche Vorteile hat es für türkische und arabische SchülerInnen, wenn sie in eine Klasse kommen, wo muttersprachlich deutsche Kinder sind? Diese Kinder bilden eine Gemeinschaft, spielen in den Pausen zusammen, freunden sich an, unterhalten sich auf Deutsch, nämlich in einer Sprache, die ausgehend von muttersprachlich deutschen Familien zumindest korrekter gesprochen wird als bei Migrantenfamilien. Es ist leider ein Phänomen, dass vor allem Kinder der 3. und 4. Generation sowohl die deutsche als auch die jeweilige Muttersprache schlecht beherrschen. Quasi eine doppelte Halbsprachigkeit.

Die Nachteile, die reine Migrantenklassen haben könnten, verstehen sich von selbst.  Wenngleich Bildung nicht davon abhängt, ob jemand deutsch ist oder einen Migrationshintergrund hat, so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Kinder aus türkischen und arabischen Familien nicht die gleichen soziokulturellen Chancen besitzen, um die deutsche Sprache perfekt zu beherrschen. Eine angemessene Förderung im Schulalltag ist unabdingbar und die Trennung der Schüler in deutsche und  nicht deutsche SchülerInnen gleicht einer Förderung von Parallelgesellschaften. SchülerInnen aus Migrantenfamilien haben durchaus das Potenzial, wenn sie gefördert werden, Glanzleistungen zu erbringen und nicht das Lernniveau der Klasse zu senken.

Zu meiner Schulzeit saß ich immer neben meiner deutschen Freundin, die meistens eine 6 im Diktat bekam. In Grammatik war sie aber besser als ich. Als ich ihr einmal bei der Klassenarbeit mein Heft rüberschob, damit sie ihre Fehler korrigieren kann, bekam ich wegen Täuschungsversuch eine 6.  Das war meine erste 6 im Diktat, ich war ohnmächtig und konnte noch nicht mal sagen, dass es ungerecht ist. Auch konnte ich das meinen Eltern nicht erzählen, die gingen ja so gut wie nie zum Elternabend und sprachen so gut wie gar kein Deutsch.

Heute ist es anders. Heute sprechen fast alle Eltern von Migrantenkindern deutsch, wenngleich grammatikalisch nicht das perfekteste. Doch die Lösung liegt augenscheinlich nicht nur bei der Sprache, sondern bei der Unvoreingenommenheit und dem Respekt, den man allen Eltern und auch allen Schülern entgegenzubringen hat.

Wenn SchülerInnen sich respektiert fühlen, nicht diskriminiert werden, keine Vorwürfe gegenüber der eigenen Kultur erfahren, so geben sie die positive Energie auch zurück.

Dass die meisten LehrerInnen überfordert und fern von jeglicher pädagogischer Ausbildung sind, ist inzwischen für mich eine Binsenwahrheit. Je lauter die Schüler sind oder auch frech, desto verunsicherter sind die LehrerInnen und versuchen mit schlechten Noten zurückzuschlagen.


[1] Klassenkampf in Kreuzberg – Eltern gegen Multikulti

[2] Göçmen çocuklara ayrı sınıfı

.

Share.

Geboren in Berlin, Deutsche mit türkischen Wurzeln, MA-Publizistin mit dem Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit, Erziehungswissenschaftlerin mit dem Nebenfach Psychologie (Abschluss 2010).

Comments are closed.