Am 6. Mai 2013 hat der NSU-Prozess mit dreiwöchiger Verzögerung vor dem Oberlandesgericht München begonnen. Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte stehen aufgrund der zehn Morde und einer Reihe weiterer krimineller Akte der rechtsextremen Terrorvereinigung NSU vor Gericht. Nach vielen Diskussionen und Enttäuschungen vor allem für die Deutsch-Türken, wird nun die Aufarbeitung der NSU-Morde beabsichtigt. Ob der Prozess die hohen Erwartungen der Opferangehörigen erfüllen wird, ist ungewiss.
Der NSU-Prozess ist einer der größten Prozesse der Nachkriegszeit. Es gibt viele offene Fragen, die immer noch niemand beantworten kann. Wie konnte es in einem Staat wie Deutschland geschehen, dass jahrelang rechtsextreme Terroristen mordend das ganze Land durchquerten? Wie konnten sie über Jahre hinweg unauffällig rauben, Bombenanschläge verüben und Menschen verletzen, ja sogar morden, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen? Warum haben die Medien 12 Jahre lang die Bevölkerung manipuliert und die Ermordung von Türkischstämmigen nicht hinterfragt? War die erfundene und auf die Opfer extrem zynisch wirkende Bezeichnung „Dönermorde“ ein Versuch, die Morde zu verharmlosen?
Vieles ist in den 12 Jahren schief gelaufen. Erst nachdem es unmöglich war, die NSU-Terrorzelle zu verleugnen, musste die Gesellschaft der nackten Wahrheit mit Empörung gegenüberstehen.
Wenn man zurückschaut auf die vielen Jahre, in denen die Medien über diese Morde berichtet hatten, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, dass ein klares rassistisches Motiv hinter diesen Verbrechen steht, dann wird man feststellen, dass der Vertrauensverlust seitens der Migranten in Deutschland, vor allem aber seitens der Deutsch-Türken berechtigt ist. Das Vertrauen und der Glaube an die deutsche Justiz, die Behörden, den Verfassungsschutz und die Polizei waren so groß, dass die Enttäuschung umso größer ist und der Grad der Desillusionierung schockierende Ausmaße annehmen musste. Aus diesem Grund wird nun auch vom NSU-Prozess besonders viel erwartet. Die Schmerzen der vielen vergangenen Jahre, in denen unschuldige Opferangehörige als potenzielle Kriminelle betrachtet wurden, befragt und hinterfragt wurden, ja sogar als Täter beschuldigt wurden, schreien zu Recht in diesem Prozess nach Vergeltung.
Die Wurzeln der rassistischen Morde verlaufen tief
Gewiss, es ist eigentlich nur ein Strafprozess. Aber kein gewöhnlicher. Das Erscheinungsbild Beate Zschäpes am gestrigen Verhandlungstag, ihr selbstbewusstes bis arrogantes Auftreten haben die Opferfamilien sogar noch mehr getroffen als die 12-jährige Verleugnung des rechtsextremen Terrors. Beate Zschäpe hat kein Gefühl der Reue gezeigt, sie hat mit ihrem Auftreten klargestellt, dass ihre rassistische Weltanschauung berechtigt und ihr terroristisches Handeln nach ihrem Werteverständnis richtig und somit verdient ist.
Die Brandstiftungen gegen Migrantenwohnungen, der gesellschaftliche Beifall in der Sarrazin-Debatte und die NSU-Morde haben das Vertrauen der Türkischstämmigen erschüttert. Es ist nicht zu bezweifeln, dass Menschen mit Migrationshintergrund hierzulande schlechtere Chancen in Bildung und im Arbeitsmarkt haben und rassistischen Äußerungen und Vorurteilen ausgesetzt sind. Die Politiker vertreten die Interessen der Migranten nicht ausreichend oder thematisieren ihre Probleme nicht, wie man es in einer diversen und von Chancengleichheit gekennzeichneten Gesellschaft erwarten würde.
Um die Zukunft hoffnungsvoll gestalten und die Teilhabe der Minderheiten fördern zu können, muss die aktuelle Lage mit all den Problemen und negativen Ereignissen schonungslos dargestellt werden. Ziel des Ganzen ist, an der Gestaltung unserer Zukunft in Deutschland aktiv und positiv mitzuwirken.
Wir sollten unsere Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben und eine gerechtere Zukunft in Deutschland nicht verlieren. Es gibt sie, trotz allem, was geschehen ist.
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