Bildquelle: Proud Muslim | CC BY-SA 3.0 | Sunset scene with a minaret
Das Feindbild „Islam“ torpediert die Medien und macht somit vielen Muslimen das Leben schwer. Die Erwartungshaltung „distanziert euch!“ macht die Sache nicht leichter.
Erschaffen wir ein Monster. Einen Feind. Einen, der unsere lieben, ehrlichen, gutbürgerlichen Menschen Angst einjagt.
Zeigen wir diesen Unmenschen bei jeder Gelegenheit. In der Halbzeitpause während der Weltmeisterschaft, wo das öffentlich-rechtliche Fernsehen Millionen von Einschaltquoten hat. Die Titelblätter aller Zeitschriften, Zeitungen sollen dieses Monster darstellen, der Menschen frisst, Frauen vergewaltigt, Kinder hungern, unschuldiges Blut nicht im Namen Gottes, sondern „Allah“s fließen lässt.
Die großen Mächte sollen eine Skepsis präsentieren. Eine Art Ehrfurcht vor diesem Monster, eine Weise der Angst, um eine gemeinsame Basis für die Sicherheit des jeweiligen Landes aufzubauen.
Der Weltsicherheitsrat muss zusammenkommen, darüber diskutieren, wie die aufgeklärte, zivilisierte Welt mit diesem primitiven Vorhaben der Barbaren aus der Wüste fertig wird.
Kein anderer hat so viel Werbung für den vermeintlichen „Islamischen Staat“ gemacht wie die, die ihn der Welt unbedingt als ein neues Monster vorstellen wollten, der zu bekriegen ist. Legen wir das Klischee beiseite, welche jedes Widerwort, jede andere Vorstellung der Sachen, als die der imperialistischen Welt als paranoide Verschwörungstheorien abstempeln will.
Hierzulande wird der gleiche Film abgespielt. Ein Plan, der auch sogenannte Humanisten auf die Seite stellt, vom muslimischen Mitbürger zu fordern, sich von diesem Monster zu distanzieren. Zu distanzieren von den Leuten, die im Namen des gleichen Gottes Menschen massakrieren. Zu distanzieren von Leuten, die die Flagge des Propheten hissen, die den Bart des Propheten, die die Kleidung des Propheten tragen.
ISIS ist ein Fehler
Die ISIS: Ein Bastard, eine Fehlgeburt, eine Missgeburt des „Islams“, an deren Genetik heftig rumgespielt worden ist. Dank der ISIS sind wir heute aus muslimischer Perspektive in einem schlechteren Zustand, als wir es schon waren. Der Druck der Öffentlichkeit, die skeptischen Blicke der Passanten sind wieder gestiegen. Es ist wieder geschafft worden, den „Islam“ als Problemkind der Gesellschaft darzustellen, wo wir Muslime doch alle wissen, wie gut er Lösungen findet für das Zeitalter der materiellen Götzen.
Islam steht für Frieden, Bildung und Miteinander
Anstatt den Muslim zu fragen, wie sie es jahrhundertelang geschafft haben, eine Zivilisation aufzubauen, wo die unterschiedlichsten Mentalitäten unter dem Dach der Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit zusammen leben konnten, werden ihm jetzt wieder uneheliche Kinder in die Schuhe geschoben, womit unsere einzige Aufgabe ist, uns in der Defensive einen Platz zu reservieren und uns zu distanzieren. Man fordert von uns keine Beteiligung am Prozess, sondern nur eine Reaktion. Wir sollen wieder „Don´t Panic, I´m Muslim!“-Shirts tragen, bei der ich viele Parallelen zu den gelben Sternen herstellen kann.
Die Mehrheitsgesellschaft der Muslime macht bei diesem heuchlerischen Spiel aufgrund der defensiven Haltung leider mit. Die Haltung des „Nicht alle Muslime sind so!“, ist eine Akzeptanz der Niederlage. Der Verzicht auf die Majorität der Muslime. Den eigenen Glauben in den Dreck ziehen lassen, nur für ein Stück Applaus, für ein wenig Anerkennung seitens der Salonintellektuellen. Dieser machiavellistischer Zug ist ein Lucky-Punch in die Mitte der Gesellschaft. Ein Schlag, der sehr gut angekommen ist. Die ewigen orientalistischen Argumente können wieder in die Runde geworfen werden. „Der Islam braucht eine Aufklärung, eine Art französische Revolution, um aus dem Mittelalter herauszukommen!“. Dieser Eurozentrismus ist das Zeichen des Hochmutes Europas. Diese Soziologie hat jeder Europäer versucht, in der weiten Welt zu pauschalisieren, gleichgültig ob Indien, Kenia, Lateinamerika oder dem alten Amerika, der den Indianern gehört hatte. Ein kleines Kontinent, eine kleine Halbinsel, östlich des Atlantischen Ozeans, schreibt das gleiche Schicksal für jeden Menschen in der ganzen Welt neu, ohne zu betrachten, dass jedes Land, jede Geographie, jede Religion ihre eigenen Erfahrungen während der Geschichte macht.
Und um logisch argumentieren zu können, haben sie die ISIS.
Es sollte nicht der Hass und Rassismus befriedigt werden, sondern der Frieden
Wir haben in Deutschland endlich die Salafisten. Die Äquivalenz zum Rechtsrassismus. Montagsdemos, Hooligans gegen Salafisten, Abendlandfetischisten gegen die stille Islamisierung Europas. „Ausländer Raus!“ darf man wieder schreien und den Salafisten klarmachen, dass Deutschland den Deutschen gehört. Doch nicht nur den Salafisten wird damit klargemacht, wer Herr im Hause ist, sondern auch allen anderen, die nicht Deutsch sind. Das clevere Spiel der Hegemonie. Ein perfekter Schachzug der medialen Präsenz Deutschlands, Großbritanniens und vielen anderen Akteuren, um neue Gesetze erlassen zu können, um die Gesellschaft zu schützen.
Ach, die arme Gesellschaft. Wie eine schwache Frau, die sich nach der starken Schulter sehnt. Ein Stockholm-Syndrom, in der der Entführer der Geisel klarmacht, dass noch schlimmere Geiselnehmer existieren, die viel schlimmere Sachen vorhaben als er. Das skeptische Volk, das heutzutage auch zweimal überlegt, einem Schwarzen die Hand zu geben, weil man ja nie weiß mit Ebola und anderen Seuchen.
Nimmt Euch in Acht…vor normalen Menschen!
Ganz klassische Muster, wie man erkennen kann, wenn man richtig hinschaut. Kranke, unzivilisierte Afrikaner mit der Pest in ihrem Gepäck und barbarische, kinderfressende Muslime mit Schwertern, die sie zum Enthaupten aller möglichen Personen benutzen, die nicht so glauben wie sie es haben möchten. Der Deutsche ist nach diesem Muster auch ein potenzielles Opfer und somit muss sich der Deutsche vor der Gefahr des Salafismus schützen. Ein Bürger in dieser krankhaften Psyche wird auch eine komplett andere Haltung annehmen, wenn der Nazi beginnt den Salafisten zu jagen. Eine ignorantere, eine, die die Opfer nicht mehr als Menschen sehende Haltung, sondern als potenzielle Parasiten, die es auf das eigene Leben abgesehen haben. Doch die Frage ist: Wie kann der Nazi, der Salafistenhasser mit bloßem Auge den Unterschied zwischen dem Salafisten und dem Muslim machen? Was ist, wenn ein Pakistaner am Tage einer Hochzeit von seinen Verwandten von Nazis verprügelt wird, weil er seine traditionelle Kleidung trägt und sein Bart traditionellerweise lang ist? Wie kann der typische LIDL-Gänger, L&M-Raucher, RTL2-Zuschauer mit einem Haarschnitt aus den Achtziger zwischen einer Terroristin und einer Kopftuchträgerin unterscheiden?
Wo geht es überhaupt nach Rechts und wo nach Links?
Vielleicht paranoide Fragen, doch im Detail, in einzelnen Szenen kann man sich ein Bild von dem Ganzen machen. Ich habe es satt, jedes Mal aufs Neue „Don´t Panic, I´m Muslim“ zu sagen, weil irgendwelche kaputten Freaks im Nahen Osten die Menschen des Nahen Ostens massakrieren. Der Nahe Osten. Ein Schachbrett für alle Großmächte, wo Menschen Spielfiguren sind. Bei jedem Zug von den wirklichen Spielern sterben tausende von Menschen. Die Kinder Babylons sterben, die Kinder Mesopotamiens, Anatoliens, aber am meisten hat der Deutsche Angst vor der ISIS.
Wer sich wirklich von der IS distanzieren sollte, sind eigentlich die, die von uns diese Distanzierung fordern, denn im Endeffekt gehen Kämpfer aus Europa nach Syrien und in den Irak, um Muslime zu töten. Das ist eigentlich das Ende vom Lied. ISIS ist eine Art Leihfirma, ein Subunternehmen des Kapitalismus, um die Interessen dieses eigentlichen Monsters zu vertreten.
Scharfsinn aus Andalusien ist gefragt
Die Muslime, die muslimischen Verbände, Vereine in Deutschland haben nicht die Aufgabe, sich von der ISIS zu distanzieren. Wir, die Muslime, müssen uns endlich in solchen Zeiten der inneren Krisen unserem Scharfsinn bedienen, unserer Intelligenz, denn das Denken ist eine der größten Aufgaben für den Muslim und der Muslim lässt sich nicht zweimal an der gleichen Stelle beißen. Die Aufgabe des Muslims in Deutschland, in Europa ist nicht kleinwüchsig. Man stellt uns das Ideal Mesut Özils hin, doch tief aus dem Unterbewusstsein müssen wir Andalusien hervorholen. Ein Andalusien, wo die schönsten, größten philosophischen Diskussionen stattgefunden haben zwischen Juden, Christen und Muslimen. Ein Kampf auf der intellektuellen Ebene ohne ein Nagasaki hervorzubringen, weil man das Geschöpf liebte aufgrund des Schöpfers. Özil ist die finanzielle Fügung in die Mehrheitsgesellschaft. Die Akzeptanz, bis man nicht mehr taugt. Wenn sich das Rad des Geldes, des Erfolges nicht mehr dreht, ist man wieder der „Schwarze Mann“.
Die Muslime Deutschlands machen eine Psychose durch, ein Minderwertigkeitskomplex der ganz bemitleidenden Klasse. Wie ein Hund, der nicht weiß, wie er seinem Herren gefällt. Die Beschäftigung mit der Frage, ob man nun guter Muslim ist oder schlechter, macht ihn zu einem Menschen mit schizophrener Haltung. Der Muslim wird nur noch als soziologischer Begriff benutzt. Unsere Handlungen sind meistens Reaktionen, ein PR-Gag der schlechteren Sorte, wo wir jede Gelegenheit nutzen, um dem Deutschen zu zeigen, wie höflich, wie edelmütig, wie menschlich wir sind. Die wirkliche Aufgabe des Muslims ist, jedem Menschen klar und deutlich zu machen, dass er MENSCH ist. Für den Bankier, dem Schalträger, bedeutet dies der Verlust seiner Hochmut, für den Obdachlosen das Zurückerhalten seines Stolzes. Ein Schlag, zwei Fliegen. Die Handlungen unabhängig von den Menschen nur für den einzigen Gott zu durchführen, was ja Keynes komplett widerspricht, der das Geld anstatt Gott ins Zentrum des Handelns rücken lassen hat. Die Barmherzigkeit, die Gerechtigkeit, der Aufstand gegen die Tyrannei, die Ehrlichkeit, das Lächeln, das Schöne, die Literatur, die Wörter im Namen des einzigen Gottes der Welt schenken, ist die Devise für den Muslim und nicht mit dem Ideal, in der Gesellschaft endlich akzeptiert zu werden. Das eine schließt das andere nicht aus, denn wir glauben an einen Gott, der das Schicksal immer von neuem schreibt. Wir glauben an einen Gott, der die Herzen in der Hand hält und mächtig genug ist, uns in der Gesellschaft eine gerechtere Rolle zu geben, wenn wir die Tugenden von ihm befolgen, anstatt den unehrlichen Hampelmann mit der aufgesetzten Aufrichtigkeit zu spielen, um als Klassenclown abgestempelt zu werden.
Jeder Mensch ist ein Individuum
Die Ideale machen den Menschen aus, nicht die Reaktionen. „Don´t panic, I´m Muslim!“ ist eine Reaktion. Die Distanzierung von der ISIS ist eine defensive Haltung, ist eine Art zu akzeptieren, dass wir doch ein Teil des Problems sind. Nur ein Dialog auf Augenhöhe wird uns die Chance geben, eine gerechtere Gesellschaft herzustellen. Ein Dialog auf Augenhöhe bedeutet, den Dialog aufzunehmen, ohne weder die „nationale“ noch die „religiöse“ Identität aufzugeben, ohne aufzuhören, auf Türkisch zu träumen. Ansonsten haben wir lauter Schwarzköpfe, die glauben, einen Dialog auf Augenhöhe begonnen zu haben, nachdem sie sich als „Deutsche“ dem ganzen gefügt haben. Ich will als Muslim, ich will als Türke diesen Dialog, ohne mich von der ISIS distanzieren zu müssen, ohne meinem afrikanischen Bruder aufgrund Ebola skeptisch die Hand zu geben, ohne den Obdachlosen als Unmensch zu sehen, ohne mich unter dem Bankier zu sehen, ohne den Islam den gleichen Umständen des europäischen Mittelalters zu unterwerfen, um einen „fabrizierten“ Islam zu erschaffen.
Ohne zu vergessen, dass Gott größer als Alles ist.
Gott ist Allmächtig
Gott ist größer als Ebola, Gott ist größer als ISIS, als die Aufklärung, als der Rassismus, als der Nazi, als die Bürokratie, als die Lebenden, als die Toten, als die Götzen, als das Geld, als der Kapitalismus, als der Deutsche, als der Türke, als der Brite, als der Kolonialismus, als die Arbeitslosenzahlen, als Sandra Maischberger, als Beckmann, als Hart aber Fair, als Jauch, als Taz, als Israel, als Palästina, als Amerika, als Türkei, als das Schicksal jedes Einzelnen,
denn er ist der Erschaffer von allem, was „ist“.
Weder Descartes mit „Ich denke, also bin ich.“ noch Camus mit „Ich revoltiere, also bin ich.“ hat die Sache verstanden.
Es gibt Gott, also bin ich.