Rund 12 000 Menschen in der Düsseldorfer „ISS Dome“ Arena schwenken die Besucher türkische, deutsche und Europafahnen. Organisiert wird die als „großes Treffen“ beworbene Veranstaltung vom staatlichen „Präsidium für Auslandstürken und verwandte Völker“ sowie der „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ (UETD), die der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) des türkischen Premierministers nahesteht.
Im Saal befinden sich Menschen aus vier Generationen: Greise Türken mit schwarz-rot-goldenen Fahnen, die als Arbeitsmigranten ab 1961 nach Deutschland gekommen waren und kleine Kinder mit Fahnen, auf denen der Halbmond und der Stern zu sehen sind. Es ist Volksfeststimmung in Düsseldorf.
Nachdem die türkischen und deutschen Nationalhymnen gesungen wurden, eilt Premier Recep Tayyip Erdoğan unter tosendem Applaus und überschwänglicher Begeisterung in die Halle. Er wird empfangen wie ein Star. Die Halle bebt. Der Jubel bringt die Stühle zum vibrieren. So muss es sich wohl anfühlen, wenn Borussia Dortmund fünf Tore gegen Schalke schießt. Man muss kein Türke sein, um zu verstehen, was hier passiert. Man kann es regelrecht erspüren.
Erdoğan: „Ihr genießt den Schutz der türkischen Republik“
Gleich zu Beginn seiner Rede stellt Erdoğan den Auslandstürken die breite Unterstützung der Türkei in jederlei Hinsicht in Aussicht: „Ihr seid meine Staatsbürger und ihr genießt den Schutz der türkischen Republik!“ Die einstimmige Reaktion aus der Halle: „SagolBasbakanim“ („Danke unser Premierminister“) und „Avrupa seninlegururduyuyor“ („Europa ist stolz auf einen wie dich“). Der türkische Premierminister entgegnet den Massen bescheiden: „Wir sind stolz auf euch“.
Erdoğan stellt aber auch klar, dass die Türkei ebenfalls die ethnischen Deutschen im Land beschützen werde: „Auch in der Türkei leben mehrere Tausend Deutsche, die ihren dauerhaften Wohnsitz bei uns haben, die bei uns Grundstücke und Häuser erwerben. Wenn diesen Menschen auch nur ein einziges Haar gekrümmt werden sollte, werde ich das so auffassen, als ob jemandem aus meiner eigenen Familie ein Haar gekrümmt würde. Diese Menschen haben unsere Garantie für ihre Religionsfreiheit, für ihr Leben und ihren Besitz.“
Die Kernaussage des Regierungschefs zeigt Parallelen mit der umstrittenen Kölner Rede von vor drei Jahren, in der Erdoğan die „Assimilation als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnete. Einige Medien und Politiker hatten damals Auszüge aus seiner Rede für eine reißerische Integrationsdebatte genutzt. Damit sich dies nicht wiederhole, warnt der Premier die deutsche Presse: „Wir werden nicht erlauben, dass meine Worte in den deutschen Medien verdreht wiedergegeben werden.“ Heute sagt der türkische Premier zwar erneut „Ja zu Integration, aber auch ein deutliches Nein zu Assimilation“. Niemand werde in der Lage sein, die Türken von ihrer Kultur loszureißen, sagt Erdoğan.
Mahnung zu Bildung und Ehrgeiz im Beruf
Aber das wichtigste seiner Rede folgt direkt im Anschluss: „Die Angst vor dem Islam, die Islamophobie, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Genauso wie Antisemitismus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist. Und genauso wie Rassismus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist“. Zudem mahnt Erdoğan die Deutschtürken zu mehr Bildung. Er empfiehlt, sowohl sehr gut Türkisch als auch Deutsch zu lernen, zu studieren und einen guten Beruf zu wählen. Er weist auf die 60 000 türkischen Unternehmer in Deutschland hin und macht deutlich: „Gestern wart ihr Hilfsarbeiter, heute seid ihr Arbeitgeber“.
Überdies verspricht Erdoğan den Deutschtürken, um ihnen die Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft leichter zu machen, die Aufwertung der bereits vor Jahren eingeführten „blauen Karte“, die in der Türkei die Funktion eines Personalausweises erfüllen soll. Damit verbinden sich zahlreiche aufenthalts- und erbrechtliche Vorrechte bei Behördengängen. Zuletzt kündigt der türkische Regierungschef an, dass die Türken in Deutschland an den türkischen Parlamentswahlen am 12. Juni ihre Stimmen mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Wahlurnen der türkischen Konsulate abgegeben könnten. Hierzu benötige die Türkei noch das Einverständnis deutscher Behörden und des „Hohen Wahlrats“ der Türkei.