Zweifelsohne hat die erste Generation der Migranten einen positiven Beitrag zur Ankurbelung der Wirtschaft in Deutschland beigetragen. Jedoch hören wir auch kritische Stimmen, die in den Medien überwiegen. Auf der einen Seite hätten die darauf folgenden Generationen Integrationsprobleme, auf der anderen Seite würden sie aufgrund der wachsenden Arbeitslosigkeit und der wachsenden Zahl an Sozialhilfeempfängern eine immense finanzielle Last für Deutschland darstellen.
Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, der zu Focus-Online sprach, sieht es anders:
Für die damalige Bundesrepublik hat sich mit den türkischen Gastarbeitern vieles verändert. Es war der erste Kontakt nach dem Krieg mit einer vielschichtigen Kultur. Ohne die Türken mit ihrer Arbeits- und Kaufkraft wäre das deutsche Wirtschaftswunder nicht möglich gewesen. Sie haben die Binnenkonjunktur der 60er-Jahre und der folgenden Jahrzehnte erst richtig angekurbelt.
Das Anwerbeabkommen mit der Türkei 1961 sah vor, dass die ausländischen Arbeitskräfte nach zwei Jahren wieder ins Heimatland zurückkehren sollten. Das war nicht durchzuhalten und ist bis heute mit Grund dafür, dass auch in der vierten Generation noch Integrationsarbeit schwer ist. Es war ein Fehler, zu leugnen, dass wir es mit dauerhaften Einwanderern zu tun hatten. Dabei war das Abkommen 1961 der Start in die Einwanderungsgesellschaft.
Ein richtiger Ansatz von Herrn Becker zur Völkerverständigung.
Ein positiver Beitrag kam auch aus München, wo der Nostalgie-Zug erneut anlässlich zum 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens ankam. Angefangen am Bahnhof Sirkeci in Istanbul fuhr der „TRT Deutschland-Zug“ über Bulgarien, Serbien, Kroatien, Slowakei und schließlich über Österreich nach Deutschland. Begrüßt haben die Insassen des Zuges, die zum Teil Einwanderer aus der ersten Generation waren, der Innenminister von Bayern, Herr Joachim Herrmann, der Bürgermeister von München, Herr Christian Ude, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Herr Rüdiger Grube. Im Zug waren unter anderem die Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Frau Maria Böhmer und der Stellvertretende Ministerpräsident der Türkei, Bekir Bozdağ. Eine der ersten Gastarbeiterinnen ,„Sümer Hanım“, sagte damals bei der Ankunft:“ Kartoffel, ich liebe dich“. Den Spruch nahm die Künstlerin, Gülcan Turna, in das Denkmal auf. Andere Politiker aus beiden Ländern waren ebenfalls anwesend.
Das Obst in Plastiktüten, die am Bahnhof München verteilt wurden, erinnert ebenfalls an damals, die an die „Gastarbeiter“ verteilt wurden.
Und hier ein Ausschnitt aus der Süddeutschen Zeitung:
Es entsteigen dem Zug viele vornehm gekleidete Herrschaften. Unter ihnen Männer wie Muhtat Mihmat im grauen Anzug. Er strahlt. „Prima, prima, sehr gut.“ So war die Fahrt, es war eine Reise auf alten Gleisen, nicht mehr in die Fremde, wie damals, sondern aus der einen Heimat in die andere Heimat. 1964 machte er nur kurz Station in München, er reiste weiter nach Frankfurt, wo er am Flughafen Arbeit fand. Er blieb, gründete eine Familie.
Ein Sohn, erzählt er, ist Englischlehrer, einer Mediziner, die Tochter unterrichtet Mathematik. Und er, der Papa, 71 Jahre alt, Rentner, runder Bauch, er lacht. Gastarbeiter war er einst, jetzt trägt er ein Schild um den Hals, das ihn als Zugpassagier ausweist.