Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland werden weiterhin stark bleiben, aber keine Seite sollte sie als allzu selbstverständlich betrachten.
Die Internetplattform „German-Foreign-Policy.com“ (GFP) hat vor einigen Monaten eine Analyse veröffentlicht, in der die Hintergründe der deutsch-türkischen Beziehungen, aber auch die Neuausrichtung der türkischen Außen- und Wirtschaftspolitik analysiert werden. Um es vorwegzunehmen: Die türkisch-deutschen Beziehungen sind viel zu wichtig und zu weit fortgeschritten, um damit zu experimentieren. Deshalb wurde auch Mitte Mai ein Abkommen über einen „strategischen Dialog“ zwischen Berlin und Ankara unterzeichnet, der künftig regelmäßig „die ganze Bandbreite der deutsch-türkischen Beziehungen abdecken“ und somit die bestehenden Beziehungen intensivieren soll.
Die politischen Stiftungen werden dabei sicherlich weiterhin ihre bis dato immense Rolle zur Festigung der deutsch-türkischen Partnerschaft fortsetzen. Hans-Gert Pöttering, Präsident der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), möchte die Beziehungen zwischen beiden Ländern zumindest weiter ausbauen. Deutschland ist seit Jahren der größte Handelspartner und Investor in der Türkei.
Türkisch-afrikanisches Handelsvolumen von 2002 bis 2011 verfünffacht
Auf der anderen Seite kümmert sich die Türkei auch um neue politische und ökonomische Partner. So schreibt GFP: „Die Türkei richtet ihre wirtschaftliche und politische Expansion mittlerweile nicht mehr nur auf die arabischen Mittelmeerstaaten Nordafrikas, sondern auf den gesamten Kontinent. Auf der Grundlage dynamisch boomender Exporte hat sich das türkisch-afrikanische Handelsvolumen von 2002 bis 2011 verfünffacht; es soll in diesem Jahr weiter auf insgesamt 32 Milliarden US-Dollar steigen – also auf einen Wert, der sich bereits dem türkisch-deutschen Handelsvolumen annähert. Unterhielt Ankara im Jahr 2005 nur vier Botschaften südlich der Sahara, so waren es Anfang 2012 bereits 15; im Jahr 2008 wurde bei einem Türkei-Afrika-Gipfel in Istanbul, begleitet von einem Türkisch-Afrikanischen Unternehmerforum, eine ‚strategische Partnerschaft’ zwischen Ankara und der Afrikanischen Union (AU) in die Wege geleitet.“
Eigenständige Politik Ankaras als Störfaktor?
„GermanForeignPolicy.com“ spricht jedoch auch von einer „Befürchtung, Ankara könne außenpolitisch eigene Wege gehen und deutsch-europäischen Interessen zuwiderhandeln. Vor wenigen Monaten sorgte der türkische Ministerpräsident mit dem Vorschlag international für Aufmerksamkeit, die Türkei könne womöglich der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) beitreten, zu der sie seit dem Juni 2012 als fester ‚Dialogpartner’ institutionalisierte Beziehungen unterhält. Die SCO ist ein Bündnis, das – getragen von China, Russland und mehreren Staaten Zentralasiens – auf dem Feld der so genannten Sicherheitspolitik tätig ist und manchen als künftige Alternative zur NATO gilt. Experten halten eine vollständige Abkehr der Türkei vom Westen zwar für unwahrscheinlich. Doch zeigen Pläne, auf ökonomischem und auf energiepolitischem Gebiet beträchtlich enger als bisher mit Russland zu kooperieren – die Rede ist von einem türkisch-russischen Handelsvolumen von bis zu 100 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 -, dass Ankara sich ehrgeizig um neue Optionen bemüht.“
Abnahme der türkisch-europäischen Wirtschaftsleistung
Die Außen- und Sicherheitspolitikexperten von GFP weisen zudem auf diesen wichtigen Punkt hin:
„Berlin konnte sich bei seinen Einflussbemühungen bislang stets darauf stützen, dass Deutschland bis heute größter Investor und größter Handelspartner der Türkei ist. Diese Position ist inzwischen jedoch gefährdet: Gingen 2007 noch 56 Prozent der türkischen Exporte in die Eurozone, waren es 2012 nur noch 40 Prozent, während zugleich die Ausfuhren nach Nordafrika und Mittelost von 18 auf 34 Prozent stiegen.“ Bleibt zu hoffen, dass weder die politischen noch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland hierdurch einen Schaden nehmen und die jahrhundertelange Partnerschaft zwischen diesen Völkern für immer bestehen bleibt.
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