Das tägliche absurde Theater

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Das Leben an sich ist absurd. Absurd witzig. Am meisten lacht man über Leute, die das Leben ernst nehmen wollen und dabei einfach schlecht aussehen. Brillentragende Bürofuzzis, die die ganze Woche lang auf der Arbeit beim Chef die berühmtberüchtigte Schleimspur hinterlassen, um in eine bessere Position auf der kapitalistischen Pyramide des Betriebes zu gelangen und am Samstag im Stadion mit anderen Bürohengsten als Pseudo-Hooligans der für Sicherheit während des Spiel sorgenden Polizei den Mittelfinger zeigen.

In Anbetracht ihres Körperumfangs vertikal Herausgeforderte am ersten Trainingstag, die von dem Tag träumen, an dem sie die Hälfte ihres Gewichts verloren haben werden, dann immer noch doppelt so viel wiegen wie Lady Gaga, aber in einer Talkshow reden dürfen, mit welcher Zielstrebigkeit sie es geschafft haben, so abzunehmen. Wer lacht denn bitte nicht über dicke Leute, die versuchen, Sport zu machen? Ok, wenn man welche als Freunde hat, oder selbst einer ist, versucht man ihn oder sich selbst zu motivieren, aber im Endeffekt ist das eben witzig.

Pathos als Bedürfnis

Als Türke habe ich auch nichts gegen Türkenwitze, solange sie gut überlegt und originell sind. „Kümmeltürke“, „Ziegenbesteiger“ sind Schimpfwörter für Luschen, denen nichts Neues einfällt, die weiterhin konservativ den Mist aus der Vergangenheit in die Zukunft transportieren wollen und dabei noch von den Leuten erwarten, dass sie lachen. Für einen schlechten Türkenwitz würde ich schon dem Erzähler einen Drehkick à la Van Damme auf seine rechte Backe verpassen wollen, aber nicht des Rassismus wegen, den er in die Runde wirft, sondern aufgrund seines schlechten Humors, mit dem er vielleicht 70-Jährige CDU-Wähler aus Nordhessen zum Lachen bringt.

„Spaß beiseite“ gibt es einfach nicht in diesem absurden Leben, oder zumindest nicht in dieser wohlständigen Gesellschaft. Uns geht es gut. Doch wir versuchen uns die ganze Zeit einzureden, dass wir schlechtgelaunt sind. Vielleicht weil die Deutsche Bahn mal wieder fünf Minuten später einfahren wird oder der Freund jemanden bei facebook nicht angestupst hat. Wir erfinden einfach einfache Probleme, um auch mal im Pathos leben zu dürfen. Jeder Mensch hat das Bedürfnis, traurig zu sein und wenn wir keine Gründe haben, überlegen wir uns einfach welche, anstatt mal auf die anderen Ecken dieser Erdkugel zu schauen.

Aber nein, wir warten dann lieber zehn Jahre, bis eine Doku von Srebrenica ausgestrahlt wird, um dann vor dem Fernseher heulen zu dürfen, oder bis jemand einen Film über Ruanda dreht. So ist der moderne Mensch. Deswegen zahlt er GEZ. Das Heulen, das Angsthaben wird zu einer Marktlücke und sogar dort hat sich der Kapitalismus eingenistet. Der Zuschauer hat das Bedürfnis Angst zu haben – und das wird zur Nachfrage. Die Filmindustrie produziert Horrorfilme oder auch nur irgendwelche Agitpropschinken wie „Promised Land“, „An InconvenientTruth“ oder „The Day After Tomorrow“. Auch das ist ein Angebot.

Menschheit von Dostojewski zu Gangnam degeneriert

Der heutige Mensch konsumiert alles, er eifert jeder behinderten Mode nach, die Karl Lagerfeld und sein Pferdeschwanz produzieren. Und dann wollt ihr von uns, dass wir ernst bleiben sollen? Wie gesagt, die Welt da draußen ist eine absurde Komödie, dessen Humor leider nicht viele verstanden haben. Wer ihn nicht versteht, lacht eben über Mario-Barth-Witze. Und wer über Mario-Barth-Witze lacht, heult mit den Opfern von X-Diaries. Die Enkel der Zuschauer Mario Barths werden sich schämen für ihre Großeltern und sich womöglich fragen: „Wie konnten die das nur tun?“. Also ein ähnliches Syndrom wie bei den Enkelkindern der Nazizeit.

Sozialwissenschaftler und Historiker werden in Zukunft versuchen zu analysieren, wie die Menschheit von Dostojewskij zu Gangnamstyle-Tanzen gekommen ist. Da wünscht man sich fast wirklich, dass das kommunistische Nordkorea in das Vaterland dieses Tanzes einmarschiert und diesen Erfinder wegen Hochverrats zu 85 Jahren Haft verurteilt. Mit Sicherheitsverwahrung. Leider ist es nur eine Ironie. Für die, die meinen, dass sie zu hart oder pervers ist, rate ich, einfach mal die Straßen, Regionalbahnen, Stadien, Schulen, Unis zu analysieren und sich mal zu fragen, ob etwa nicht die Welt da draußen zu pervers ist?

Und wer immer noch aufrichtig weinen will, sollte einfach mal in den Spiegel schauen. Da wird jeder den Kain sehen können. Diesmal ohne das Gewissen, welches ihn in Form eines Auges verfolgt, sondern mit Blutflecken seines Bruders Abel an der Hand am Paradiestor klopfend. Wir sind alles Ignoranten und Egoisten…

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Jahrgang 1987, Student der Soziologie und der islamischen Religionswissenschaft.

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