Die Ordnung von Medina ist für sie ein Paradebeispiel für ein Miteinander ohne staatlichen Zwang. Die Muslime hätten in einer individuellen Vereinbarung, freiwillig und von Angesicht zu Angesicht die Führung durch den Propheten Muhammad anerkannt und dieser habe sich nie die Autorität angemaßt, Gesetze mit Wirkung für Menschen zu erlassen, die diesen nicht zugestimmt hätten, beispielsweise für die Juden oder Heiden, welche die Vorstellung, Muhammads Autorität käme von Gott, nicht geteilt hatten.
Die Stämme Medinas hätten mit dem Mithaq die erste geschriebene Verfassung der Geschichte ausgehandelt, mit einem wechselseitigen Schutzpakt, einem Prinzip der Nichtaggression und einer freiwilligen Schiedsgerichtsbarkeit. Es habe kein Gewaltmonopol gegeben, jede Gemeinschaft wäre frei gewesen, Gott als Souverän ohne Vermittler zu betrachten und nach ihrer Vorstellung von Recht zu leben, ohne dieses anderen aufzuzwingen – deshalb habe der Mithaq auch keinen Staat konstituiert. Die Philosophie eines islamischen Libertarismus wäre auf diese Weise seit mehr als einem Jahrtausend essenzieller Teil des islamischen Rechtsverständnisses.
„Islamischer Staat“ als Widerspruch in sich
Auf diese Weise widersprechen William Coley und seine Mitstreiter von der Gemeinschaft „Muslims4Liberty“ der Vorstellung, Muslime sollten nach der Errichtung eines „islamischen Staates“ streben. Gerade islamische Fundamentalisten sollten nach ihrer Auffassung lieber dem Konzept der voluntaristischen Anarchie folgen als sich mit politischen Konzepten der Moderne zu befassen. Auf diese Weise stehen sie aber auch innerhalb der bestehenden politischen Ordnung der USA der staatskritischen „Tea Party“ nahe, die allerdings bis dato eher durch Repräsentanten in Erscheinung getreten war, die islamfeindliche Paranoia verbreiteten. Und deshalb versucht William Coley, das Unmögliche wahr zu machen, in seiner nicht gerade für sehr große islamische Communities bekannten Heimat im Osten von Tennessee den Kontakt zu örtlichen Tea-Party-Gruppen aufzubauen und sie zum Hinterfragen ihrer islamfeindlichen Haltung zu bewegen.
Ursprünglich als Einzelperson, dann mit immer mehr Mitstreitern versuchte der 31-Jährige dann auch, auf ersten Tea-Party-Konventen die Botschaft zu verbreiten, der Islam ware mit jeder Philosophie vereinbar, die libertär ist und sich gegen “Big-Government”-Vorstellungen wende. „Es ist überall das Gleiche“, zitiert das US-amerikanische muslimische „Illume“-Magazin den Aktivisten, „wir sprechen mit 50 Leuten. Darunter gibt es fünf oder sechs, die uns danach immer noch hassen, aber der Rest beginnt nachzudenken und selbst nachzuforschen.“
Am Ende schaffte es Coley im Jahre 2011, die Mehrheit der Tea-Party-Organisation im Osten Tennessees zu einer klaren Botschaft gegen Islamophobie zu bewegen. Gleich 12 von 14 Gruppen unterstützten öffentlich eine Petition, die sich gegen die Forderung ultrarechter Vereinigungen nach einem gesetzlichen „Schariaverbot“ aussprach.
Nachdem die Anti-Islamophobie-Seite “loonwatch” erstmals über die Bemühungen Coleys berichtet hatte, wurden libertäre, radikalliberale und anarchokapitalistische Kräfte nicht nur aus den muslimischen Communities, sondern aus ganz Amerika auf das Projekt aufmerksam.
Graswurzelbewegung mit ersten Erfolgen
Der bekannte kalifornische Journalist Davi Barker schloss sich mit Coley zusammen, um publizistische Projekte über die Philosophie des islamischen Libertarismus auf die Beine zu stellen. Mittlerweile folgt eine Fangemeinde von mehreren Hundert Personen dem Blog und der facebook-Seite der „Muslims4Liberty“. Es gibt mittlerweile libertäre muslimische Gruppen in den US-Bundesstaaten Tennessee, California, Ohio, Florida, New York, New Jersey, und Washington, D.C. – selbst in Australien, Malaysia und Pakistan haben sich M4L-Anhänger zusammengeschlossen.
Neben den publizistischen Projekten setzt man sich auch für Bürgerrechtsinitiativen oder soziale Belange ein, beispielsweise organisierte man eine Kampagne für „Ramadan-Geschenke für Gefangene“ mit. An einer Aktion der Masjid al-Haqq Moschee in Orlando/Florida für Obdachlose beteiligten sich sogar Politiker der Republikaner. Für Coley bleibt aber die Teilnahme an Veranstaltungen vordringlich, im Rahmen derer er gegen Vorurteile über den Islam ankämpfen will.
Dabei zeigen sich auch eindeutige Erfolge. Nachdem er in die Radio-Talkshow des bekannten libertären Moderators Phil Russo eingeladen worden war und Russos Co-Host aus Protest die Sendung verließ, verpflichtete Russo Coley kurzerhand als Ersatz.
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