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Prähistorische Grundgedanken

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war kaum von der Integration der sich  damals bereits hierzulande eingefundenen „Gastarbeitern“ die Rede. Sowohl Politiker als auch Soziologen befassten sich so gut wie gar nicht mit diesem Brennpunktthema von heute. Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch pflegte damals zu sagen: „Gesucht wurden Arbeitskräfte und es kamen Menschen“ und traf den Nagel auf den Kopf. Tatsächlich kamen diese Menschen mit sozialen Bedürfnissen, die sie meist selber befriedigt haben. Moscheen und Teestuben entstanden vielerorts, die später in der Politik als Hinterhofeinrichtungen gekennzeichnet wurden, die angeblich Unheilstifter ausbildeten.

Die Integration von Migranten wurde dann zum Brennpunktthema, nachdem der Bedarf an ihre Arbeitskraft gesunken ist und die Sprachdefizite ins Tageslicht gerückt sind. Der Ahmet könnte früher pantomimisch sogar selber Eier legen, wenn er im Laden nach Eiern fragte und keiner nahm ihm das übel. Heute scheint es zu einer prekären Situation geworden zu sein, weil er nach dreißig Jahren Aufenthalt in Deutschland immer noch nicht die Landessprache beherrscht.  Kritiker fühlen sich bestätigt, wenn die deutsche Sprache als Verständigungsobjekt bei einem „beachtlichen (!)“ Anteil der Migranten in Deutschland nicht angekommen ist. Es stellt sich automatisch die Frage: „Sind denn Migranten tatsächlich nicht entschlossen genug, um Fortschritte in dieser Richtung zu machen oder droht uns hier ein Generalverdacht, worunter auch die sich viel besser integrierten „Ausländer“ unterstellt fühlen? Wobei, was hieß eigentlich das Wort „Ausländer“ für den zehnjährigen Tolga, dessen Großvater zwar zugewandert ist und er wie sein Vater schon längs seine Wurzeln hier geschlagen haben? Nicht besser klingt das türkische Wort „yabanci“, das das Exotische und Fremde an diesen Menschen deklariert.

Sprache hin, Sprache her

Über die Lernentwicklung dieser sozialen Gesellschaftsschicht wurden im Jahr 2009 Zahlen und Fakten veröffentlicht. Diese besagten, dass 80{29198b972399c81ed5054510dfa220ef2abbd08e78f3050c7d7070df681d4040} der türkischstämmigen Migranten inzwischen die deutsche Sprache gut bis sehr gut beherrschten. Die Medien affrontierten gegen diesen Erfolg mit den Schlagzeilen „Jeder fünfte Migrant kann kein Deutsch“ und schmälerten diesen Trend, weil sie nur die leere Glashälfte sehen wollen. Die Zahlen sprechen ein klares Wort dafür, dass diese Menschen in Deutschland gut angekommen sind und dass diese das Gefühl der Zugehörigkeit gezeigt bekommen möchten. Denn in der Praxis sehe man sich nur im eigenen Bekanntenkreis um. Man wird die Erkenntnis machen, dass insbesondere die jüngste Generation sogar der deutschen Sprache so mächtig ist, dass bei ihnen sogar die Kompetenzen in der Muttersprache fehlen, wodurch die Integration in die eigene Gesellschaft fehlzuschlagen droht. Wenn es bei der Integration nur um die Sprache gehen sollte, dann ist diese Schicht sogar „überintegriert“.

Migranten mischen sich in der Bildung ein

„Integration durch Bildung“ wurde als Motto bei vielen deutschen und ausländischen Vereinen und Bildungseinrichtungen Mitte der 90er Jahre auf die Fahnen geschrieben. Jeder wollte seinen Beitrag dazu leisten und den Übergang der ausländischen Jugendlichen in die Berufswelt mit ankurbeln. So entstanden in diesen Jahren in fast allen deutschen Großstädten Nachhilfevereine, von denen einige seit 2004 in Schulen der Sekundarstufe I und II in freier Trägerschaft umstrukturiert wurden. In der Tat leisteten diese Bildungsstätten enorm viel und Schüler wie Eltern merkten den Unterschied zwischen der Bildung an Privatschulen und den öffentlichen Schulen. Die Kinder wurden hier viel breitflächiger und individueller gefördert.

Auszeichnungen über Auszeichnungen

So verzeichnete beispielsweise das Gymnasium und die Realschule Eringerfeld zahlreiche nationale und internationale Erfolge, wobei die Schüler auf internationaler Ebene das Land vertreten haben, das ihnen die Bildungsmöglichkeit gegeben hat, nämlich Deutschland. So gingen in der georgischen Hauptstadt Tiflis bei dem Chemiewettbewerb die deutschen (nicht türkische) Fahnen hoch, als die Migrantenkinder dieses Privatgymnasiums den ersten Platz belegten und bekamen ihre Medaillen durch die Mutter des Staatspräsidenten persönlich überreicht. Eben die Medien, die mit den Schlagzeilen „Jeder fünfte Migrant kann kein Deutsch“ diesen Erfolg versuchten herabzuwürdigen, wollten von diesem Coup, den die Schüler für Deutschland gelandet haben, nichts gehört haben. Nicht weniger erwähnenswert ist der Erfolg der Eringerfelder Schüler in Karlsruhe im Frühjahr 2011. Im Rahmen der Planspiel „Gesunde Stadt“ belegten sie bundesweit den stolzen ersten Platz. Dieser Erfolg wiederholte sich kurzer Zeit später auch im deutschen Indoor-Soccer 2011 in Wolfsburg, als die Schüler dieser Schule bei den Deutschen U-14 Fußballmeisterschaften ebenfalls den Pokal holten. Die Funktionäre dieser Schule verrieten das Erfolgsrezept mit zwei Wörtern: Zielstrebigkeit und innere Dynamik.

Medien in Zwiespalt

In einer Tageszeitung am 6. Juli 2010 kam ein Bericht über die Chancengleichheit in der Schule und berichtete auf der einen Seite von den sportlichen Erfolgen eines Gymnasiums, bei dem in der Aula dieser Schule die Leistungsträger bejubelt wurden und Tage später kämen aus den hinteren Reihen „Streber“ Rufe, als die Schüler, die in der Naturwissenschaft Erfolge verzeichneten, geehrt wurden. In dem Artikel wurde diese Haltung zu Recht kritisiert und für mehr Interesse an wissenschaftlichen Erfolgen plädiert. Jedoch hatte dieselbe Zeitung Mesut Özil bei der WM 2010 mit ihren Artikeln in die Arme genommen und dem oben angesprochenen Erfolg nicht mal die geringste Achtung geschenkt.

Wie äußern sich Politiker dazu?

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer kam nun mit der Bemerkung zum Vorschein, dass in den letzten Jahren vielerorts Privatschulen entstanden seien, deren Gründer sich dem türkischen Islam-Gelehrten Fethullan Gülen bekennten und bat um äußerste Vorsicht hinsichtlich der Entwicklung. Sie betrachte es nicht ohne Sorge, denn Schulen seien Orte der Integration. Auch auf den Schulhöfen sollte Deutsch gesprochen werden. Recht hat sie in ihrer Kritik insofern, weil diese Schulen fast ausschließlich von Migrantenkindern besucht werden. Warum besuchen also keine deutschen Schüler diese Privatschulen. Liegt es an den Einkommen der Eltern oder eher an einer merkwürdigen Obsession der Einheimischen? – Obwohl diese Schulen einen sehr großen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit legen, kommt es in der deutschen Gesellschaft nicht ganz an. Die Obsession der Deutschen, von der Bildung besser als andere zu verstehen ist inzwischen hinfällig. Denn auch „andere“ haben Ahnung davon, wie man Kinder fördert. Die Erfolge sprechen dafür. Deutsche und türkischstämmige Lehrer mobilisieren Hand in Hand ihre Kräfte für die Förderung eines besseren Charakters und höheren Bildungsniveaus bei den Schülern.

Allein das alljährliche Weihnachtsessen wurde beispielsweise im Schulzentrum Eringerfeld im Kreis Soest bereits zur Routine. Der Förderverein beschenkt jedes Jahr die Lehrkräfte und würdigt ihre Bemühungen, wobei in diesem Jahr die deutschen Lehrer in einer vorweihnachtlichen Atmosphäre zusätzlich Nikolausschokoladen erhalten haben. Ein Vorstandsmitglied des Fördervereins verwies in seiner Rede auf die Geschichte dieser historischen Persönlichkeit, die sein Landsmann sei, die sie mit der einheimischen Kultur verbinde.

Das Dorffest, der Gösselkirmes in Geseke, an der sich die Schüler dieser Schule jedes Jahr beteiligen und Projekte, die mit den Schülern der benachbarten Schulen unternommen werden, zeigen auch, dass die Schule keine geschlossene Gesellschaft für sich darstellt, sondern eine weltoffene Prägung hat.

Offene Türen dienen zur offenen Sicht

Anstatt am Redaktionstisch Kolumnen und Artikeln über die Eringerfelder Schule zu schreiben, ohne über sie recherchiert zu haben, empfinde ich es als viel seriöser, wenn die Einladungen dieser Schule wahrgenommen werden, um sie vor Ort zu besichtigen. Das Parlamentspult sollte auch für unsere Politiker nicht der Ort sein, um das Thema zu politisieren und damit zu polarisieren. Es besteht viele gute Besuchsgründe, um Vorurteile gegen diese Schulen abzubauen. Der Tag der offenen Tür vor einigen Wochen war eine Möglichkeit, die Schule näher kennen zu lernen. Durch offene Türen erreicht man offene Sichten und Einstellungen.

Wird Integration nur temporär aufgeheizt?

Es ist nicht abzustreiten, dass viele soziale Einrichtungen in Deutschland intensiv zur Integration beisteuern, die sehr aufrichtig ihre Leistungen erbringen. Dagegen gab es und gibt es leider noch Menschen, die dieses Thema temporär aufheizen, um andere Interessen zu verwirklichen. Was steuerte eigentlich das berühmt berüchtigte Bestsellerbuch des umstrittenen Autors Thilo Sarrazin zur Integration? War es eine Selbstbefriedigung des Ex-Bankiers oder sollten damit viele Migranten zu Integrationskursen aufgemuntert werden? Kann man mit diesen polarisierenden Aufrufen diese Menschen überhaupt dazu bewegen? Herr Sarrazin ist möglicherweise nur ein Vorreiter und Wegbereiter für nationalistische Gefühle in unserem Land, die die braune Staatsaffäre zur Folge hatte. Vermutlich werden hier auf intellektueller Ebene die Schwerter gezogen beim Kampf der „Sarrazine“ gegen die „Sarrazene“. Der Schaden wird jedoch nur unserem Wohlwollen angerichtet.

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Geboren am 18.07.1973 in Kassel ist Sait Gül dort zur Schule gegangen. Sein Studium absolvierte er im Bereich Bauingenieurwesen. In seiner Jugend entwickelte sich Gül im Gebiet der Religionswissenschaften und Geschichte. Er war jahrelang freier Journalist in Tageszeitungen und brachte selbst eine regionale Zeitschrift in Kassel heraus. Gül ist verheiratet und hat vier Kinder. Er ist ein leidenschaftlicher Leser von historischen Romanen.

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