© Gordon Gross / pixelio.de

Der November ist eine trübe Zeit. Zwischen Volkstrauertag und Totensonntag ist es gefühlt am schlimmsten. Man mag kaum aus dem Fenster schauen. Nebel, Nässe, Dunkelheit. Und auch als politisch begeisterter Mensch gibt es kaum Befeuerndes. 2013 wird ein Wahljahr – Niedersachsen, Bayern, Bund. Wahlkampfgetöse schon jetzt. Die Diskussion um Peer Steinbrück zeigt das gerade. Aber wo geht es in den reichlich vorhandenen Medien um die zentralen Fragen: Wie soll es in unserem Land zukünftig aussehen? Welche politischen Entwürfe gibt es? Nach solchen Diskussionen kann man in den großen Medien lange suchen. Vielleicht bei Precht. Aber wer schaut sich so etwas schon zu nachtschlafender Zeit an? Statt dessen tobt der Kampf der Marketing-Experten. In der großen Politik ist es ein bisschen so wie beim Profifußball. Wer das meiste Geld hat gewinnt, weil er die teuersten Spieler einkaufen kann. Das klappt zwar nicht immer, wie der Saisonstart der VW-Werkself in Wolfsburg gezeigt hat. Aber es ist doch so: Eine Mannschaft mit viel Geld kann zwar mal eine Pechsträhne haben. Eine mit wenig Mitteln höchstens eine temporäre Glückssträhne.

Die Plätze sind im wesentlichen vergeben. In der Politik weist uns die Demoskopie mehr oder weniger penetrant darauf hin, wo es sich lohnt sein Kreuz zu machen und wo nicht. Die FDP wird es in Niedersachsen nicht schaffen. Die Piraten, erst gehypt und nun abgeschrieben, haben auch schon ihre beste Zeit gehabt (es gibt Dinge, die trauriger stimmen). Wofür diese beiden Parteien stehen, ist genauso unmaßgeblich für die Berichterstattung wie für alle anderen Parteien. Die Grünen, einst Geburtshelfer von Hartz IV, entdecken nun plötzlich ihr soziales Gewissen. Und Peer Steinbrück, als Finanzminister für die Regulierung der Banken zuständig, möchte nun den finanzpolitischen Wildwuchs bekämpfen. Die CDU rettet den Euro und erklärt fortwährend neue Grenzen der Belastbarkeit, die anschließend doch wieder ungeniert erweitert werden. Die Marketingexperten der Kanzlerin werden sich deshalb die Hände reiben, wenn das Attribut eisern verwendet wird. Nach dem Pisa-Schock erinnern sich die wenigsten daran, dass der Reichskanzler Otto von Bismarck einst der Eiserne Kanzler genannt wurde. Aber auch die resolute Frau aus der Downing-Street wird kaum im Bewusstsein sein. Jedenfalls nicht, solange die politischen Diskussionen derartig kurzatmig sind.

Inhalte würden nur stören. Die SPD bräuchte einen Kandidaten, der sie zur Mitte attraktiv mache, rät der Spiegel. Man hat viel Verständnis im Nachrichtenmagazin für den kantigen, bulligen Peer Steinbrück, ein politisches „Urviech“. Als normaler Bürger hat man eher den Eindruck, es handele sich um einen besonders dreisten Homo Novus, der ungeniert die Hand aufmacht für die Verbreitung seiner Allgemeinplätze. Im Bundestag, finanziert vom Bürger, fehlen, aber dafür in Bochum 25.000 Euro für einen Vortrag kassieren. Im normalen Leben würde man so etwas dreist nennen. Der Skandal bei diesem Vorgang liegt aber, das muss man gerechter Weise sagen, hauptsächlich bei den Damen und Herren von den Stadtwerken, die trotz Bankrotts der Stadt derartig so sorglos mit den Beitragsgeldern der Leute umgehen und einen auf mondän machen. In südlichen Ländern hätten die Wutbürger den Laden gestürmt, Jauche vor der Tür ausgeschüttet oder sonst etwas. In Deutschland macht sich der Spiegel über den Seelenhaushalt des designierten SPD-Kanzlerkandidaten sorgen.

Dabei ist es gar nicht so, dass die Menschen uninteressiert wären. In den Foren, Blogs und sozialen Netzwerken wird diskutiert. Leidenschaftlich und kontrovers. Es wäre endlich einmal an der Zeit, aus dem politischen Stillstand die Konsequenzen zu ziehen und wenigstens ein bisschen mehr Demokratie zu wagen, wie Willy Brandt einst den Deutschen zurief. Wie wäre es mit Volksabstimmungen über die großen Fragen? Es gibt so viele Probleme, dass gemeinschaftliche Kraftanstrengungen auch von allen getragen werden müssten. Und woran man sich beteiligen kann, da kann man auch dahinter stehen. Zugegeben, das sind Novemberträume. Aber wie würde man sich sonst über Wasser halten in der dunklen Jahreszeit.

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Ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Deutsch, Geschichte und Politik in Göttingen und war acht Jahre lang Lehrer an einer Waldorfschule. Als Publizist und Politiker arbeitete er viele Jahre im extrem rechten Milieu. Im Juli 2012 stieg er aus dieser Szene aus. Seitdem engagiert sich Molau in Sachen Extremismusprävention bei Seminaren, Vorträgen und in Aufsätzen. Heute ist er selbstständig für das Textbüro dat medienhus tätig.

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