Sprache ist ein sehr wichtiges Phänomen. Ohne Sprache kann eine Integration nicht gelingen. Andererseits ist die Sprache aber nicht alles: Schließlich gibt es ja auch deutsche Schüler, die Integrationsschwächen haben und in der Klassengemeinschaft die Außenseiterrolle spielen.

Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble sagt in einem seiner Vorträge über Integration:

Die Sprache ist ein Schlüssel für gelingende Integration. Sie ist eine notwendige, aber vermutlich keine hinreichende Voraussetzung. Das sehen wir beispielsweise in Frankreich. Frankreich hat ein Problem nicht: Dort sprechen alle Französisch. Aber sie sind trotzdem nicht besser integriert. Im Gegenteil, sie haben sogar größere Probleme. Also ist die Sprache ein notwendiges, aber kein hinreichendes Mittel.

Schäuble ist der Meinung, dass die Sprache nicht das „A und O“ der Integration ist, denn sie sei nicht das hinreichende, sondern das notwendige Kriterium der Integration. Schäuble definiert hiermit die Hauptfunktion der Sprache für die Integration sehr knapp, aber deutlich.

Viele türkische Migranten in Deutschland leiden unter Sprachproblemen. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  1. Immer mehr Migranten (-kinder) leben/wachsen in bestimmten Stadtvierteln (Ghettos) und gettoisierten Schulen auf.
  2. Migrantenkinder sehen in ihrer Freizeit oft türkische Fernsehsender
  3. Planlosigkeit im Bezug auf ihren zukünftigen Beruf.
  4. Keine disziplinierte Lesegewohnheit
  5. Fehlende Unterstützung der Eltern
  6. Sozialisierungsprobleme usw.

Sprachdefizite werden meistens immer dann sichtbar, wenn das Kind seine Sätze mit Wörtern wie „Dings“, „also“ und „dann“ zu füllen versucht. Auch kommt es sehr oft vor, dass man die türkische und deutsche Sprache miteinander mischt und somit eine „Mischmaschsprache“ entsteht (doppelte Halbsprachigkeit). Sprachwissenschaftler, die die Vielsprachigkeit untersucht haben, sind der Meinung, dass Vielsprachigkeit normal, Einsprachigkeit jedoch unnormal gesehen werden darf. Der Grund dafür ist, dass mehr Menschen auf der Erde leben, die mehrere Sprachen sprechen. Hierbei meint man natürlich nicht Menschen, die zwei unterschiedliche Sprachen zu einer Sprache verknüpfen, sondern Menschen, die ihre Ideen und Gefühle in beiden Sprachen in einem bestimmten Maß wiedergeben können. Türkische Kinder, die in Deutschland geboren sind, haben Probleme, ihre eigene Muttersprache zu erlernen. Das erschwert gleichzeitig das Erlernen der deutschen Sprache. Somit befinden sich die Türken in einem großen Handicap.

Auch die Eltern tragen eine sehr große Verantwortung. Sie haben die Aufgabe, sowohl das Erlernen der Muttersprache, als auch der Zweitsprache ihrer Kinder zu fördern.

Es ist offen, dass die türkische Diaspora unter einem großen Sprachproblem leidet. Doch wie sollte man dieses Problem lösen? Sollte man die tr. Sprache ganz aufgeben, damit die Migrantenkinder die dt. Sprache gut erlernen? Dazu gibt es verschiedene Meinungen von Sprachwissenschaftlern.

In einem Interview, die in der Wirtschaftswoche veröffentlicht wurde, sagte die Migrationsforscherin Necla Kelek:

„Die Forderung des Türkischen Bundes und einiger pädagogischer Institute, bei türkischstämmigen Kindern erst die Muttersprache und danach Deutsch als `Zweitsprache´ zu etablieren, hat sich als falsch erwiesen. Damit isolieren sie die Kinder.“

Dass türkische Kinder türkisch lernen, sei ein Hindernis für das Erlernen der dt. Sprache, so Kelek. Kelek stellt zwar die These auf, dass die Muttersprache nicht unbedingt für das Erlernen der Zweitsprache erforderlich ist, kann jedoch keine Argumente aufbringen. Von einer Erkenntnis (als Beweis bzw. Argument), dahingehend, dass das Beherrschen der Muttersprache das Erlernen der deutschen Sprache behindern würde, spricht sie nicht.

Ismail Kul, ein Sprachwissenschaftler, der regelmäßig in der Zeitschrift Zukunft und der türkischen Zeitung Zaman schreibt, erwidert dem entgegen, dass doch gerade in einer globalisierten Welt, die Vielsprachigkeit nicht als Bedrohung, sondern eher als eine Bereicherung gesehen werden soll:

Es gibt zahlreiche Publikationen, in denen belegt wird, dass erst die sichere Beherrschung der Muttersprache das Erlernen einer weiteren Sprache ermöglicht und fördert. So zeigte beispielsweise Prof. Mehmet Ali Akinci vom Nationalen Forschungszentrum in Frankreich, dass das Beherrschen der Muttersprache Migrantenkindern das Erlernen der französischen Sprache erleichtert. (…) Das Argument, der muttersprachliche Unterricht verursache Probleme bezüglich der deutschen Sprache und damit auch bezüglich der Integration und der Schule, ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar.

Der Ausländerbeiratsvorsitzende der Stadt München, Cumali Naz, befürchtet, dass deutsche Politiker die türkischen Migrantenkinder ihrer Wurzeln berauben wollten und in 20 oder 50 Jahren nur noch deutsch sprechende Generationen im Land haben.

Auch der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Freundschaftsvereine, Ali Kilic, ist der Meinung, man solle sich auf der demokratischen Plattform gegen eine Assimilation wehren.

Dr. Özgür Savasci, Turkologe an der Münchner Maximilians-Universität, vertritt die These, einige Politiker wollten die jüngeren Migrationsgenerationen ihrer Identität berauben.


Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich des Symposiums der Initiative Freiheit und Verantwortung der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft

am 27. Juni 2006 in Berlin

Avrupa`daki Anadolu, Muhammet Mertek, Anatolien in Europa, S. 303

Wirtschaftswoche, 6.3.2006, Nr. 10, S.49/50

Zukunft, Februar 2007, S. 16-17

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Studiert Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Derzeit engagiert er sich an verschiedenen Projekten und Institutionen. Dazu gehören politische Hochschularbeit oder auch ehrenamtliches Engagement in diversen Netzwerken und NROs. Er schreibt als freier Autor für verschiedene Publikationen.

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