Im ersten Teil meiner Analyse habe ich geschildert, wie lustlos die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU und die Implementierung des AGG in Deutschland vonstattengegangen sind. Heute soll der Blick auf das Thema „Vergabe öffentlicher Aufträge und die Gewährung staatlicher Leistungen“ gerichtet werden – auch hier sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf in puncto Antidiskriminierung.

Was getan werden müsste, ist, die „Vergabe öffentlicher Aufträge und die Gewährung staatlicher Leistungen“ davon abhängig zu machen, wie viel Diversität eine Bewerberorganisation nachweisen kann. Finanzierung durch öffentliche Gelder sollte immer Diversität als Voraussetzung haben. Die Steuern kommen ja bekanntlich auch von diversen Mitbürgern und sollten somit auch diversen Menschen im angemessenen Verhältnis nützen.  Minderheiten-Unternehmen sollten bei gleicher Eignung für eine Finanzierung durch den Staat eindeutig bevorzugt werden. Dies sollte auch offen kommuniziert und gefördert werden. Ein positiver Nebeneffekt davon wäre, dass alle Organisationen, die sich für öffentliche Gelder bewerben, einen Anreiz hätten, Diversität in ihren Unternehmen zu erhöhen, es entstünde im Endeffekt also eine Win-Win Situation für alle Beteiligten. Daran scheint die Bundesregierung aber nicht interessiert zu sein.

Entsprechend wird auch die Frage „Welche Maßnahmen und/oder Handlungsempfehlungen erwägt die Bundesregierung für Bund, Länder, Kommunen oder nichtstaatliche Akteure zum Abbau ethnischer und rassistischer Diskriminierung im Miet- bzw. Immobiliengewerbe, und wenn keine, warum nicht?“ unpassend beantwortet. Anstatt uns etwas Neues über Anti-Diskriminierungsmaßnahmen zu erzählen, berichtet sie diesmal über „soziale Wohnraumförderung“.

Die Regierung behauptet, dass „§ 19 Absatz 3 AGG […] ein effektives Instrument, um Diskriminierungen von Personen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft im Bereich des Wohnens zu begegnen“, biete und, dass sie daher keine „Handlungsempfehlungen oder Maßnahmen auf diesem Gebiet“ für erforderlich hält.

In den USA kontrollieren Tester, wo Diskriminierung vorliegt

Es gibt jedoch eine sehr einfache Methode, Diskriminierung z.B. auf dem Wohnungsmarkt aufzuspüren und zu verhindern, nämlich zum Beispiel Tester-Methoden, wie sie in den USA weitverbreitet durchgeführt werden. Weil eine detaillierte Ausführung dieser sehr wirkungsvolle Methoden den Rahmen sprengen würden, wird in diesem Artikel auf die Methoden nicht in Detail eingegangen.

Wieso sind Tests wie sie in den USA eingesetzt werden, um Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt effektiv zu unterbinden, eigentlich nicht auch in Deutschland weitverbreitet? Es gibt im Jahre 2013 zwar mittlerweile Anzeichen dafür, dass zumindest das Konzept dieser Tests bekannt ist, dass sie schon flächendeckend durchgeführt werden, ist aber nicht der Fall.

Was auch immer die Ausreden diesmal sein mögen: Das wiederholte Fehlen unterschiedlicher Maßnahmen beweist immer wieder, wie nebensächlich die Verhinderung von Diskriminierung in Deutschland eigentlich ist; was wiederrum ein sehr guter Hinweis für die Präsenz von z.B. institutionellem Rassismus ist. Denn wenn es keine Maßnahmen gibt, Diskriminierung zu stoppen, dann kann man davon ausgehen, dass sie aufgrund von conscious oder unconscious biases auf jeden Fall stattfindet.

Wie viele besuchen tatsächlich die Polizeiseminare zur Diversitätsarbeit

Die Frage, ob und inwiefern beispielsweise innerhalb der Bundespolizei Aus- und Fortbildungsschulungen für die Themenfelder „Menschen-, Grundrechte sowie Diskriminierungsverbot“ speziell für dienstführende Beamtinnen und Beamte bzw. Führungskräfte angeboten werden, beantwortet die Bundesregierung mit einer Liste von Themen, die vermittelt werden. Die Fragen, die man sich hier stellen muss, sind: Wie oft werden diese Seminare angeboten, wie oft nimmt jede einzelne Mitarbeiterin an einem Seminar teil (der Aufholbedarf ist leider sehr groß) und was genau ist der Inhalt dieser Seminare? Wie bekannt ist, sind auch viele Diversitäts- und Anti-Diskriminierungs-„Experten“ in Deutschland mit ihren eigenen Themen „überfordert“. Deshalb wäre es schon gut zu wissen, was in diesen Seminaren genau besprochen wird. Hinweis: Einer dieser Fortbildungen trägt den Titel „Polizei und Fremde“—man kann nur hoffen, dass mit „Fremden“ nicht u.a. Deutsche mit „abweichende Hautfarbe“ gemeint sind. Das werden uns aber wahrscheinlich nur die Experten sagen können, die so ein Seminar anbieten.  

Die Bundesregierung bestätigt ferner, dass auch Gastdozenten von Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch bei der Vermittlung von „Menschen-, Grundrechte sowie Diskriminierungsverbot“ vertreten sind. Interessant wäre zu wissen, wie oft solche Gastdozenten wirklich eingeladen werden und wie viele Mitarbeiterinnen sie genau erreichen.

Schlussfolgerung

Der Nachholbedarf im Hinblick auf die Verminderung und Verhinderung von ethnischer und rassistischer Diskriminierung in Deutschland ist alarmierend. In einem Land mit einer der schrecklichsten Vergangenheiten in Hinsicht auf Rassismus ist der Mangel an Diskriminierungswissen und Diversitätsbildung in dem Ausmaß, in dem er sich zeigt, sehr beunruhigend. Die Tatsache, dass erst im Jahre 2006 ein Gesetz wie das AGG, und auch das nur durch den Druck eines übergeordneten Zusammenschlusses, zustande gekommen ist, sagt eigentlich schon alles aus: Rassismus und Diskriminierung gehören nicht der Vergangenheit an, sondern sind wichtige Bestandteile der „Lebensweise“ in Deutschland, die bewusst und unbewusst beibehalten werden soll.

In Anbetracht der europäischen und deutschen Geschichte ist es auch verständlich, dass rassistische und diskriminierende Denkweisen sehr hartnäckig in der Gesellschaft verankert sind: Der Rassismus wurde ja auch über Jahrhunderte hinweg in Europa konstruiert und etabliert. So etwas verschwindet nicht über Nacht. Rassismus wird in Deutschland aber trotzdem oft als ein Konzept, das im Dritten Reich aufgegangen und im Großen und Ganzen auch mit ihm „ausgestorben“ wäre, behandelt – mit wenigen Ausnahmen wie den Rechtsextremen, natürlich. Dabei sind Rassismus, Diskriminierung, Mangel an Respekt gegenüber Diversität wichtige Bestandteile des Alltagslebens in Deutschland. Die etlichen Debatten, unter anderem jene über angebliche „Integration“, sind Ablenkungsmanöver mit dem Ziel, diverse Menschen zu assimilieren. Nur dann, wenn man dies zugibt, macht die unlogische, störende Debatte über „Integration“ und ähnliche Themen einen Sinn.

Eine Debatte, die mit Logik zu tun haben könnte, setzt Ehrlichkeit und leider auch mehr Bildung bei „Experten“ in Diskriminierungsfragen voraus; Bildung, die durch jahrzehntelange Täuschungsmanöver und die daraus resultierende Konfusion abgeblockt wurde.

Nun die Frage: Sind wir jetzt endlich bereit, eine ehrliche Debatte über Diskriminierung und Rassismus in Deutschland zu führen?

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Die Verfasserin ist geborene Fürtherin. Sie hat ein Abitur vom Dürer-Gymnasium in Nürnberg; einen Bachelor in Allgemeine Geisteswissenschaften und einen Master in Öffentliche Verwaltung vom Western Michigan University. Sie ist im Jahre 1998 in die USA ausgewandert und lebt seit 2011 wieder in Deutschland. Sie sitzt im Vorstand der internationalen gesellschaft für diversity management (idm). Sie hat ihr eigenes Blog (http://diversitygermany.blogspot.de/) wo sie Artikel über Diversity, Anti-Diskriminierung, Chancengleicheit und ähnliche Themen veröffentlicht.

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