Diese Überschrift habe ich bewusst gewählt. Im Verlauf dieses Artikels werde ich nochmal darauf zurückkommen. Kommen wir zuerst zur Frage des Syrien-Konflikts: Die Einigung zwischen den USA und Russland zeigt ihre ersten Früchte. Die ersten Chemiewaffen unter Überwachung der UN wurden zerstört. Solange sich das Assad-Regime an die Vereinbarung hält, wird es wohl keinen Militärschlag gegen Syrien geben. Gott sei Dank auch. Zivilisten müssen vorerst nicht noch durch eine Intervention zusätzlich leiden. Bleibt nur noch eins: Die Asylbewerber.
In der Türkei sind bereits 500 000 syrische Flüchtlinge aufgenommen worden, doch das unbehelligte Morden in Syrien hört nicht auf. Ich weiß nur nicht, wie man den inneren Krieg in Syrien benennen soll. Dieser Zustand entzieht sich jeglicher Moral. Jahrhundertealte Gebetsstätten werden geplündert und zerstört. Die wirklich Leidenden sind die Zivilisten. Daher ist es für uns im Westen schwierig, über die Lage der dortigen Menschen zu schreiben.
Spiegel Online hat geschlagzeilt, dass sich die Zahl der Asylbewerber aus Syrien verdoppelt habe. Welche Zahlen dieser Aussage zugrunde liegen, wird im Spiegel auch erwähnt. Ich frage mich, wie viele von diesen Asylanträgen überhaupt zu einer Anerkennung als Asylberechtigte führen werden. Ob es denn auch Unterscheidungen zwischen den Zahlen gibt? Schließlich reden wir von 65 000 Anträgen in diesem Jahr von Januar-Oktober. Weiter dazu gleich unter „Daten, Fakten und Zahlen zu Asylbewerbern“.
In Deutschland waren vor ein paar Wochen die ersten 107 Asylbewerber in Hannover eingetroffen. Das waren die ersten von den 5000 Flüchtlingen, die Deutschland aufnehmen möchte. In Hellersdorf sind ebenfalls Asylbewerber aus Syrien in eine ehemalige Schule eingezogen – und wurden prompt durch rechtsextreme Unruhestifter und die gewaltbereite örtliche Neonaziszene empfangen. Man hat die Asylbewerber sogar davor gewarnt, nicht unnötig rauszugehen. Um die Dimension zu verdeutlichen: Wir reden von 6 Millionen Flüchtlingen, von denen Deutschland nur 5000 aufnehmen möchte. Das sind gerade mal 0,08{29198b972399c81ed5054510dfa220ef2abbd08e78f3050c7d7070df681d4040}. Das Verhalten der Nachbarn in Hellersdorf der Asylbewerberoffenbart, dass sie es den Gästen nicht leicht machen werden. Haben denn diese Menschen schon nicht genug in ihrem Heimatland gelitten? Ich mache ungern Vergleiche, aber: Wie Gastfreundschaft aussieht, haben uns Fadime und Özcan mit der Familie Runkel präsentiert.
An diesem Punkt habe ich mir die Frage gestellt, warum das so schwierig mit dem Asylrecht ist. Daher wird es hilfreich sein, einen Einblick ins Asylrecht zu bekommen.
Asylbewerber und rechtliche Grundlagen
„Aufgrund der in den Jahren 1987 bis 1992 stark angestiegenen Zahl der Asylanträge (von 57 379 auf 438 191 jährlich) war auch eine Änderung des Asylgrundrechts erforderlich geworden“. Die damalige Regierungskoalition CDU/CSU und FDP reagierte auf rechtsextreme Wahlerfolge mit einer Verfassungsänderung, der Artikel 16 Grundgesetz wurde durch den Artikel 16a GG ergänzt.1993 trat dann das Gesetz zur Änderung von Artikel 16 des Grundgesetzes und das Gesetz zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes (zur Beschleunigung des Asylverfahrens) in Kraft. Artikel 16a GG enthält immer noch die Formulierung: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Zwar bestätigt der im Grundgesetz neu eingefügte Artikel 16a GG damit weiterhin die vorherige Rechtslage, jedoch wird diese Aussage durch hinzugefügte Klauseln enorm eingeschränkt. Ziel der damaligen Bundesregierung war es, den Zustrom von Asylbewerbern in die Bundesrepublik Deutschland zu begrenzen beziehungsweise zu steuern und den „Missbrauch“ des Asylrechts zu beenden oder zumindest einzuschränken. Vor allem aber wollte man den braunen Pöbel beruhigen, der damals im gesamten Land wütete und brandschatzte. Die Verfassungsänderung des Artikel 16a GG umfasst die drei nachfolgenden Kernpunkte:
Sichere Drittstaaten (Drittstaatenregelung)
Die Drittstaatenregelung besagt, dass es kein Asylrecht mehr für Menschen gibt, die aus einem EU-Staat oder aus einem Land einreisen, in dem die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention sichergestellt sind (§ 26a Asylverfahrensgesetz). Diese Menschen gelangen erst gar nicht in das deutsche Asylverfahren, weil ihnen bereits an der deutschen Grenze die Einreise verweigert wird und sie zurückgeschoben werden. Daraus erklärt sich auch die Überschrift. Es kann durchaus von der „Festung“ Deutschland gesprochen werden, weil Asylbewerbern nur der Fallschirm bleibt, um in Deutschland überhaupt noch einen Asylantrag stellen zu können.
Sichere Herkunftsstaaten
Als sichere Herkunftsstaatengelten demnach Staaten, in denen aufgrund der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche Behandlung stattfindet (Art 16a Abs. 2 GG). Diese Vermutung besteht, solange ein Asylbewerber aus einem solchen Staat nicht glaubhaft Tatsachen vorbringt, die Gegenteiliges beweisen. Wird im Asylverfahren festgestellt, dass keine Verfolgungsgefahr besteht, wird der Asylantrag in der Regel abgelehnt. Sichere Herkunftsstaaten sind die Mitgliedstaaten der EU sowie derzeit Ghana und Senegal (§ 29a Abs. 2 AsylVfG und Anlage 2).
Flughafenregelung
Die Flughafenregelung (§ 18a AsylVfG) gilt für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern sowie für Asylbewerber ohne Ausweispapiere, die über einen Flughafen einreisen und bei der Grenzbehörde um Asyl bitten. Das Asylverfahren wird im Transitbereich des Flughafens beschleunigt vorgenommen.
Überspitzt ausgedrückt kann man daher sagen, dass sich das neue Asylrecht nicht mehr an der Schutzbedürftigkeit des Asylbewerbers orientiert, sondern vielmehr an seinem Fluchtweg.
Im Jahr 1996 hat dann das Bundesverfassungsgericht das neue Asylrecht beziehungsweise den sogenannten „Asylkompromiss“ überprüft. „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über fünf Verfassungsbeschwerden von abgelehnten Asylbewerbern bezog sich auf drei Aspekte:
- die Regelung über sichere Drittstaaten
- die Bestimmungen über sichere Herkunftsländer und
- das Flughafenverfahren.
Das Konzept des sicheren Drittstaates, das Kernstück des Asylkompromisses, wurde vom BVerfG grundsätzlich als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet“. Es ist zwar unstrittig, dass seit dem Asylkompromiss die Zahl der Asylbewerber gegenüber dem Höchststand von 1992 erheblich abgenommen hat, jedoch stellt sich die Frage, inwieweit der Asylkompromiss zur Lösung der deutschen Zuwanderungsprobleme beigetragen hat. Anschließend möchte ich ein paar Daten, Fakten und Zahlen zur Asyl- und Fluchtmigration anbringen.
Daten, Fakten und Zahlen zu Asylbewerbern
Ursachen für Asylgesuche waren und sind Krisen, Kriege und Katastrophen. Ein Beispiel hierfür ist die Türkei. 1980 stieg die Zahl der Asylsuchenden in Folge des Militärputsches rasant auf über 100 000 (Asylgesuche insgesamt in diesem Jahr), davon stammten 58 000 Asylbewerber aus der Türkei. Auch aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien war 1987 mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges ein starker Anstieg von Asylsuchenden zu verzeichnen. 1991 bis 1993 stellten insgesamt 300 000 Menschen einen Asylantrag. Allein aus Rumänien stammen 1992 über 100 000 Asylsuchende. Die Zahl der stark angestiegenen Asylgesuche im Jahr 1992 ist vorwiegend auf die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen in Osteuropa zurückzuführen.
Ich möchte mich hier auf die syrischen Asylbewerber in diesem Jahr beschränken und die Zahlen etwas durchleuchten, was im Mainstream ja eher ausgeblendet wird: Schlagzeilen wie „Zahl der Asylbewerber aus Syrien hat sich verdoppelt“ schüren ja im Grunde regelrecht die Ressentiments einiger rechtsextremer Kreise und sind ein Nährboden für den braunen Untergrund. Eingehende Asylanträge sind das eine, aber werden sie denn alle bewilligt?
In der aktuellen Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge finden wir die Antwort auf diese Frage. Im Verzeichnis finden wir einen Bereich, in dem es heißt:
„Entscheidungen und Entscheidungsquoten
Im bisherigen Berichtsjahr 2013 wurden insgesamt 65.184 Entscheidungen über Asylanträge getroffen. Die Gesamtschutzquote für alle HKL (Anerkennungen als Asylberechtigte, Flüchtlingsschutz gem. § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 2, 3, 5 o. 7 AufenthG) beträgt 26,6 {29198b972399c81ed5054510dfa220ef2abbd08e78f3050c7d7070df681d4040} (17.345 positive Entscheidungen von insgesamt 65.184).“
Hier ist für uns entscheidend, wie viele „Anerkennungen als Asylberechtigte“ wir von diesen 65.184 haben. Laut der oben genannten Statistik sind es nur 726, was nur 1,1{29198b972399c81ed5054510dfa220ef2abbd08e78f3050c7d7070df681d4040} ausmacht. Die anderen, die unter Flüchtlingsschutz und Abschiebeverbot fallen, sind soweit geduldet, bis die Bedingungen in ihrem Land soweit wiederhergestellt sind. Mit anderen Worten sind ihre Koffer gepackt und sie können jederzeit wieder in ihr Land abgeschoben werden. Von den 17 345 positiven Entscheidungen sind noch lange nicht syrischen Asylbewerber gemeint. Darunter fallen nämlich laut der aktuellen Statistik beim Bundesamt, Flüchtlinge aus der Russischen Föderation, Serbien, Syrien und Mazedonien. Wohl bemerkt, Syrien kommt erst an dritter Stelle.
Deutschland kann viel mehr…
Wie schon erwähnt sind die 5000 Asylbewerber, die in der deutschen Debatte an die große Glocke gehangen werden, ein Klacks für Deutschland. Werfen wir ein Auge auf andere Länder, werden wir sehen, dass die Aufnahmezahlen in die Hunderttausende gestiegen sind. Realistisch für Deutschland erscheint für, zumindest 50 000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Das wäre zudem eine lohnende Investition, wie ich finde. Zumindest lohnender als Gelder für andere Belange, ob intern oder extern, die zu Milliarden verschwendet werden.
Eines der reichsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt hat sich in die Geiselhaft irrationaler Ängste begeben: Angst vor angeblich bevorstehenden Umweltkatastrophen, Angst vor neuen Technologien und Innovationen, Angst vor „Überfremdung“ und „Verlust der Identität“ durch Einwanderung. Diese Angst lähmt zwar, aber sie macht es auch leichter, bequem nichts zu tun, zu jammern und sich als Opfer zu fühlen. Die Geburtenrate autochthoner Deutscher liegt bereits bei weniger als einem Kind pro Person in gebärfähigem Alter.
Alleine schon aus diesem Grund und weil eine von Angst erfüllte Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre Mentalität zu verändern, können wir über jeden Einwanderer froh sein. Erst recht, wenn es sich um Menschen handelt, die in ihrer Heimat ihr Potenzial nicht entfalten können, weil dort Krieg tobt – und die froh darüber sind, jetzt hier bei uns die Chance zu bekommen, etwas zu schaffen.
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Literatur: Beger, 2000 Gesetzestext; Asylrecht, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2008; Angenendt, 1997