Im Rahmen von interkulturelle Wochen hat am 9.10.2012 folgende Veranstaltung in Nürnberg stattgefunden: „Man wir doch noch mal sagen dürfen …“– Antisemitismus heute.
In dem Vortrag wurde ein Film gezeigt, der ein hohes Potential besitzt, Hass auf muslimische Mitbürger zu schüren. Ein Film, der am Ende des Vortrages eine hitzige antimuslimische Diskussion unter den Teilnehmern entfacht hat.
Der Beitrag stammt aus dem umstrittenen MEMRI-Projekt (Middle East Media Research Institute), das sich selbst als „Organisation zur Beobachtung islamischer Medien des Nahen Ostens“ bezeichnet, jedoch im Verdacht steht, unter dem Vorwand der bloßen Dokumentation auch „radikaler nationalistischer, antisemitischer und islamistischer“ Positionen durch einseitige Auswahl von Beiträgen den Eindruck zu erwecken, marginale und extreme, antisemitische Gruppen wären repräsentativ für die islamische Welt und die gesamte muslimische Community.
Bisweilen wurden zum Teil sogar extrem unappetitliche und hetzerische Beiträge angeblicher islamischer Geistlicher über diesen Kanal veröffentlicht, die sich später als Hoax herausstellten.
Da es unklar war, in welcher Weise dieser Film einen Beitrag für interkulturelle Wochen in Nürnberg leisten sollte, wurde beim Referenten nachgefragt:
Laut Referent handelte es sich bei dieser Veranstaltung um einen Vortrag über „Antisemitismus in der deutschen Einwanderungsgesellschaft heute“: Eine Tatsache, die dem Veranstaltungskalender leider nicht klar entnommen werden konnte.
Der Referent hat ferner bestätigt, dass dieser Film den Antisemitismus unter Menschen mit muslimischem Hintergrund in Deutschland illustrieren würde. Auch dies konnte der Vorankündigung nicht klar entnommen werden.
Inhaltlich soll die Veranstaltung wie folgt, aufgeteilt gewesen sein:
1. Geschichtlicher Antisemitismus: verschiedene Ursprünge und Formen
2. Judenfeindschaft nach der Niederlage der Nazis und der Gründung des Staates Israel
3. Antisemitische Ideologien heute
4. Exkurse.
Der Film war dem Referenten zufolge ein Teil der„Exkurse“.
Warum zeigt man so einen Film als einen Beitrag zu „Interkulturellen Wochen“ in der Stadt Nürnberg?
Dies ist ganz sicher ein Film, über den man sich unterhalten sollte. Den Film zu diesem Vortrag so im Vorbeigehen einzuarbeiten, ist jedoch mit Sicherheit eine grobe Fehlentscheidung gewesen. Der Film sollte nur dann gezeigt werden, wenn auch eine Möglichkeit besteht, darüber ausführlich diskutieren zu können. Die Zeit, die dafür aber nötig gewesen wäre, hat bei dieser Veranstaltung eindeutig gefehlt; ähnlich wie eine passende Einführung zu dem Film, die nötig gewesen wäre. Insofern hat der Film, anstatt Interkulturalität zu fördern, antimuslimische Ressentiments aufgewühlt.
Man sollte sich in diesem Zusammenhang einige wichtige Fragen stellen: War es nur Zufall, dass dieser Film gezeigt wurde und eine antimuslimische Diskussion ausgelöst hat? War es sogar die Intention des Referenten, antimuslimische Gefühle aufkommen zu lassen? Oder war dies etwa nur ein Zeugnis von fehlender Qualifikationen und Bildung des Referenten, der mögliche Reaktionen auf diesen Film nicht einschätzen konnte?
Forderung nach besserer Referentenqualifikation
Was auch immer die Antworten auf die vorhergehende Fragen sein sollten: Ein Referent, der über Antisemitismus innerhalb einer Minderheit, die selbst vom Rassismus betroffen ist, sprechen möchte, muss sehr gut ausgebildet sein. Er muss wissen, wie er dieses Wissen den Teilnehmern am effektivsten mitteilt. Solche Qualifikationen müsste man eigentlich allgemein voraussetzen können, besonders bei jemandem, der auf dem Level einer Munizipalität referiert.
Die Frage ist: Wo soll ein Referent diese Bildung in Deutschland erwerben – in einem Land, wo brauchbare Forschungen über Themen wie Rassismus, Diskriminierung, Diversität und ähnliches aus einer zeitgemäßen Perspektive zum größten Teilfehlen? Wo sogar eine angemessene Sprache für einen effektiven Austausch fehlt und wo viele wissenschaftliche Konzepte nicht einmal existieren?
Sogar für das Verkaufen von Brötchen gibt es angemessene Ausbildungsmöglichkeiten. Wenn es aber um diese Themen geht, fehlen jegliche Standards.
Man sollte sich darauf einstellen, dass es die nötigen Standards in absehbarer Zeit auch weiterhin nicht geben wird. Denn dafür sind Diskriminierung und Rassismus zu wichtige Teile des öffentlichen sowie privaten Lebens und sitzen zu tief in den Strukturen, die man nicht bereit ist, zu flexibilisieren.