Bei den Grünen müsste man gewesen sein – das geht mir bei der Causa Ulf Dunkel durch den Kopf. Dunkel, der mir bis dato nur als Anbieter effizienter Software für meinen Mac aufgefallen war, ist neuerlich in die Schlagzeilen geraten, weil er dem alternden Günther Grass nachstrebt und Verse schmiedet. Inhalt seiner gleichsam üblen wie schlechten Knittelverse ist die Beschneidungsthematik: „Wetzt das Messer, singt ein Lied, ab die Vorhaut von dem Glied. Kinder können sich nicht wehren, darum müssen sie uns ehren.“
In einem weiteren Poem wendet er sich direkt an die Juden in Deutschland:
„Warum ist euer Herz so kalt gegen eure Kinder? Warum ist es so verloren an eure Religion?“,
fragt er und antwortet selbst:
„Arschlöcher seid ihr alle, blinde Fanatiker“.
Der Hobbydichter wollte bis vor kurzem noch in den niedersächsischen Landtag, der bald gewählt wird, und zwar auf dem politischen Fahrschein der Grünen.
Nachdem die antisemitischen Gedichte nun in der öffentlichen Meinung sauer aufgestoßen sind, räumt Dunkel Fehler ein und entschuldigt sich. Er habe sich nicht so gut ausgedrückt. Dass die Zeilen allerdings nicht im poetischen Affekt geschrieben worden sind, das dokumentierte umgehend der Blogger und Publizist Tobias Raff, der in verschiedenen Kommentaren des grünen Kandidaten eine Haltung Dunkels dokumentiert, die ich sonst eher aus der NPD kenne.
Hinter dem „Sondergesetz“ (Anspielung auf das Dritte Reich) für die Beschneidung stünden „Kräfte“, die „gegen den gesunden Menschenverstand arbeiten“. Im Jargon der Pastörs-NPD wäre das die „jüdische Hochfinanz“. Abraham, auf den sich die großen Weltreligionen, das Judentum, das Christentum und der Islam berufen, sei senil und verwirrt gewesen. Der Publizist Stefan Laurin spottet: „Die deutsche Schuld in Anführungszeichen zu setzen sollte auch bei Grünen in Cloppenburg zum Nachdenken führen, aber wahrscheinlich wäre es für Dunkel problematischer, wenn er sich für den Autobahnausbau einsetzen würde.“ Nebenbei bemerkt: Bei der NPD setzt man das Wort Holocaust auch in Anführungszeichen.
Mit einer kurzen Entschuldigung ist die Sache für die Grünen nun scheinbar erledigt. Dunkel selbst spricht von einer „Hetzjagd“ und geht auf seine eigenen Aussagen gar nicht erst ein. Augenscheinlich sind NS-Verwirrungen, Rassismus oder Antisemitismus in etablierten Parteien ein harmloser Betriebsunfall – ob es sich nun um die antisemitischen Ausfälle der Linken in NRW handelt, um Edmund Stoibers Warnung vor der „durchrassten Gesellschaft“ oder eben jetzt die Rassen-Rabulistik von Dunkel, der sich in seinen Auslassungen auch, was die Beurteilung Amerikas angeht, mit einem Udo Pastörs messen kann. Die USA hätten, in Anspielung auf den weltweiten Terror, es nicht anders verdient, „als dass die Unterdrückten irgendwann reagieren.“
Derweil übt sich der Enttarnte bei Facebook, das er wie in der rechten Szene zu „Gesichtsbuch“ eindeutscht, in starker Rhetorik:
„Durchsage an alle rechten Faschos, Nazis, Ewiggestrigen, Reaktionäre und Vollpfosten, die meinen, in der Beschneidungsdebatte hier auf irgendeinen ,Ulf-Dunkel-Zug‘ aufspringen zu müssen:
Hier gibt es keinen Zug zum Aufspringen. Und schon gar nicht für euch. Kriecht wieder unter euren Stein und fangt an, euch zu bilden und zu informieren. Oder geht aussterben.
Hier gibt’s nur mich und mein Fahrrad. Und in der Fahrradtasche steckt das Grundgesetz, sonst nichts.“
„Oder geht aussterben…“? So wie die „Arschlöcher alle“ und „blinden Fanatiker“? Vielleicht sollte Herr Dunkel das Grundgesetz nicht nur in der Fahrradtasche haben, sondern gelegentlich auch einmal darin blättern. Denn der „Kampf gegen Minderheiten“ und ihre Gewohnheiten ist nicht Bestandteil der Grundrechte. Und seine „Durchsage“ könnte auch ganz schnell bei ihm selbst landen. Andererseits passt Dunkel auch zu den Grünen: Eine Partei, die anderen Menschen fortwährend ihren Lebensstil aufzuzwingen versucht (umweltbewusst leben, Kampf gegen das Rauchen und vieles mehr…), kann einfach nicht aus ihrer Haut und möchte eben auch Juden und Muslimen erklären, wie sie ihre Religion zu praktizieren haben. Bei den Grünen scheint das gebilligt zu werden.
Und der Gedanke, ich hätte wie Baldur Springmann oder andere Rechte eine Karriere bei der Umweltschutzpartei probieren können, ist schon reizvoll. Aber nur auf den ersten Blick, denn auf den zweiten meldet sich meine Vorliebe für das Preußentum und Friedrich den Großen, der auch Juden und Muslimen in seinem Staat Religionsfreiheit gewährte. Und der mahnte, dass jeder nach seiner Façon selig werden möge.