In der Soziologie wird der Begriff der Erwartungssicherheit verwendet. Doch was bedeutet dieser Begriff? Dieser Begriff ist dem Akteurmodell, „Homo Sociologicus“ zuzuordnen. Der Homo Sociologicus ist ein sollensbasierter normorientierter Akteur. Z.B. sehen wir diesen Akteur häufig in Verwaltungsbehörden, in dem die Sachbearbeiter nach den Vorschriften der jeweiligen Institutionen handeln. Tun sie es nicht, könnten sie von ihren Vorgesetzten Sanktionen ausgesetzt werden. Wir sehen also an diesem Beispiel das Streben nach einer Sicherheit, um Sanktionen zu vermeiden. Der Vorgesetzte hat die Kontrolle über den Mitarbeitern in der Erwartung, dass sie den Vorschriften der Institution Folge leisten. Daher der Begriff „Erwartungssicherheit“. Es liegt also auf der Hand, dass das Akteurmodell „Homo Sociologicus“ zur Analyse der Handlungswahlen herangezogen wird. Die detailliertere Erklärung dieses Modells würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, daher werde ich es hier nicht weiter ausführen.

Häufig erlebe ich, dass viele Menschen gegenüber den meisten Situationen in Kategorien denken. Im alltäglichen Leben ist dies gang und gebe. Der Mensch strebt in solchen Situationen nach Erwartungssicherheit. Es braucht niemanden verwundern, eigentlich ist es ja normal nach Erwartungssicherheit zu streben, aber dieses normative Verhalten übertragen wir manchmal in Zusammenhänge, die aber differenziert betrachtet hilfreicher wären. Um diese vorangegangen Aussagen zu konkretisieren möchte ich noch einige Beispiele anführen.

Nach diesem kleinen Exkurs, möchte ich aus meiner eigenen Erfahrung heraus versuchen den Begriff „Erwartungssicherheit“, an bestimmten Verhaltens- und Denkweisen vieler Menschen zu erklären. Als Überschrift habe ich „Schubladendenken“ in diesem Zusammenhang benutzt. Jeder von uns – damit bin ich mit inbegriffen – erlebt es häufig, dass wir wechselseitig die Menschen in Kategorien einordnen. Zumindest fühlen wir uns dabei sicherer bei der Beurteilung. Selbst dem besten Menschenkenner (Profi), könnte dies passieren. Z.B. ein Vorgesetzter, der schlechte Erfahrung in Sachen Pünktlichkeit mit einigen seiner türkischen Mitarbeiter gemacht hat, wird geneigt sein nun alle Mitarbeiter türkischer Herkunft in die gleiche Schublade zu stecken. Eine Differenzierung, dass nicht zwangsläufig alle Türken zu spät kommen bleibt hierbei aus. Bestimmt werden solche Verallgemeinerungsprozesse einem nicht allzu fremd vorkommen. Weitere Verallgemeinerungen, die an Stammtischen ausgetauscht werden sind folgende: „Die sind doch alle so“, „die Deutschen essen alle Sauerkraut und Kartoffel“, „Die Türken hingegen Knoblauch“, „Muslime sind Terroristen“. Wir brauchen uns nur den Umgang einiger Medien mit Türken/Muslimen bzw. der Minderheitsgesellschaft anzuschauen, erkennen wir ein klares Schubladendenken (kategorisieren) in der hiesigen Gesellschaft. Diese Kategorisierung geschieht leider auf beiden Seiten, sowohl von der Mehrheitsgesellschaft als auch von der Minderheitsgesellschaft ausgehend.

Diese Denkweisen werden aber verstärkt insbesondere durch einige überregionale Medien. Beispielsweise informieren sich viele Menschen nur über bestimmte Medien und hinterfragen die Berichterstattung nicht. Ich möchte nun ein Beispiel aus meinem Alltag geben: Eine Grundschullehrerin, sagt zu meiner Frau: „Ich weiß ja nicht, ob Sie von ihrem Mann aus, zuhause etwas zu sagen haben. Das ist ja bei den meisten Frauen bei Ihnen so.“ Später hatte sie erwähnt, dass sie das Buch, „die Fremde Braut von Necla Kelek, gelesen hat. Wir erinnern uns, was für ein Profil Necla Kelek von muslimischen Frauen an den Tag gelegt hat. Muslimische Frauen wären grundsätzlich nicht frei. Diese Grundschullehrerin war sehr verwirrt und vielleicht auch überfordert, als sie meine Frau näher kennengelernt hat, weil dieses reale Bild gar nicht ins Raster passen wollte, das Necla Kelek gerne herbeireden wollte.

Auch in anderen Bereichen können vergleichbare Mechanismen erkannt werden, wenn man z.B. in einem Artikel Zitate von bestimmten Personen liest, wird man allzu schnell kategorisiert und abgestempelt. Der Verfasser des Artikels wird stigmatisiert und der Inhalt des Artikels wird diesem Stigma geopfert.

Wie ich am Anfang angeführt habe, dient das Schubladendenken in Form von Erwartungssicherheit als ein Schutzmechanismus, damit die Menschen in komplexen Situationen besser mit der sozialen Wirklichkeit klarkommen. In diesem Sinne möchte ich diesen sozialen Mechanismus auch nicht grundsätzlich hinterfragen. Jedoch darf es auch nicht zu viel verlangt sein, dass gerade in Situationen, wie oben mit der Grundschullehrerin oder den Artikeln beschrieben wurde, man etwas differenzierter vorgehen sollte. Es soll nicht heißen, dass man ständig jede Situation einer grundlegenden Reflexion unterziehen sollte. Vielmehr sollte man mit Menschen, vor allem mit Jenen, die auch mal andere Werte und Normen vertreten verständnisvoller umgehen.

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Als Integrationsblogger gründete ich 2010 diesen Blog, inspiriert durch die Sarrazin-Debatte. Geboren 1977 in Dortmund als Kind türkischer Einwanderer, durchlebte ich vielfältige Rollen: vom neugierigen Sohn zum engagierten Schüler, Breakdancer, Kickboxer, Kaufmann bis hin zu Bildungsleiter und Familienvater von drei Töchtern. Dieser Blog ist mein persönliches Projekt, um Gedanken und Erlebnisse zu teilen, mit dem Ziel, gesellschaftliche Diversität widerzuspiegeln. Als "Integrationsblogger" biete ich Einblicke in Debatten aus meiner Perspektive. Jeder Beitrag lädt zum Dialog und gemeinsamen Wachsen ein. Ich ermutige euch, Teil dieser Austausch- und Inspirationsquelle zu werden. Eure Anregungen, Lob und Kritik bereichern den Blog. Viel Freude beim Lesen und Entdecken!

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