Abgesehen davon, dass das Wort Integration schon fast zu meinen persönlichen Unworten zählt, weil es in den letzten 15 Jahren immer wieder debattiert wird, inwiefern, wer, wo, was integriert ist, sehe ich mich nun dazu gezwungen, auch ein paar Worte darüber zu verschwenden.

Während die 1.Generation der Migranten kaum mit dem Thema Integration in Berührung kam, weder die Hol- noch die Bringschuld erbracht wurde, haben sich die 2. und die darauffolgenden Generationen damit zu schlagen.

Das Wort Integration ist an sich schon eine Wertung, dass das Gegenüber anders ist als die Einheimischen und daran was zu ändern ist. Ihm wird suggeriert, dass er defizitär ist und hier ist nicht nur die Rede von den sprachlichen Defiziten. Der Fremde ist so fremd, dass er, wenngleich er auch nur ein Mensch ist, ursprünglich nicht aus einem anderen Planeten kommt, sich den Menschen im Gastland anzupassen hat. Wenn er sich nicht anpasst, so herrscht Chaos, genau das wird zwischen den Zeilen impliziert. Doch wie ist eigentlich die Gefühlswelt desjenigen, der sich in einer Umgebung befindet, von dem er immer wieder suggeriert bekommt, dass er anders und damit auch befremdend und beängstigend wirkt.

Zu den Reaktionen eines Individuums in einer ihm kulturell und sprachlich fremden Umgebung, gibt es vier verschiedene Strategien, in denen es versucht, die inneren Konflikte zu beseitigen. Nach John W. Berry werden diese als Akkulturationsstrategien[1] bezeichnet und wie folgt erläutert:

  • Separation: die Fremdkultur wird abgelehnt und die eigene Kultur wertgeschätzt;
  • Assimilation: die eigene Kultur wird abgelehnt und die Fremdkultur wertgeschätzt;
  • Integration: beide Kulturen werden wertgeschätzt und zu einer neuen Symbiose zusammengeführt;
  • Marginalisierung: Eigenkultur und Fremdkultur werden abgelehnt und man grenzt sich selbst sozial aus.

Am Beispiel der Definition vom Begriff Integration ist zu verzeichnen, dass die Erklärungsmuster von Berry nicht universeller Natur sind, da sich in der Literatur viel mehr und auch abweichende Definitionen befinden. Hier zum Beispiel der Ausdruck soziale Integration. Er ist terminologisch nicht festgelegt und wird infolgedessen in verschiedenen Bedeutungen verwendet. Dem Wortsinne nach bedeutet er ursprünglich (lat.) „Wiederherstellung, Erneuerung“; gegenwärtig wird er meistens i.S. von Eingliederung, Anpassung, Angleichung usw. verwendet. Diese Vieldeutigkeit macht ihn als wissenschaftlichen Begriff untauglich.[2]

Dass in einer moralischen Vielfalt[3] (Durkheim) differenzierter Gesellschaften die soziale Integration zweifelsohne eine zentrale Herausforderung für Menschen mit Migrationshintergrund bildet, die noch damit beschäftigt sind, sich im fremden Land zurechtzufinden, dürfte Beachtung verdienen.[4]

Doch genau hier stellt sich für mich die Frage, was der Unterschied ist zwischen dem Bedürfnis sich ZURECHTZUFINDEN im fremden Land und der Tatsache ZURECHTZUKOMMEN mit dem Fremden, der eingewandert ist.

Dazu hatte Hagen Rether, wenn ich mich recht entsinne, die wunderbare Frage gestellt so in etwa: “Wieviele Deutsche können ein türkisches Lied oder gar ein Gedicht auswendig?” So lange sind die türkischen Gastarbeiter nun unter uns, es müsste doch nach  50 Jahren möglich sein. Und ein ehemaliger Dozent von mir hat auf seinem Blog die ungefähre Bemerkung gemacht: Diese Leute,  die den Deutschtest für Zuwanderer (Fahrscheine für ein Leben in Deutschland) so hoch ansetzen, wären bei dem Maßstab selbst nicht mal in der Lage, einen Putzjob in der Türkei zu bekommen.


[1] John W. Berry, Immigration, acculturation and adaption, 2005, S. 5 ff. in: Praxishandbuch interkulturelle Kompetenz vermitteln, vertiefen, umsetzen, von Ioanna Zacharaki et. al, 2. Auflage, Schwalbach, 2007, S. 16.

[2] Kreft/Mielenz, Wörterbuch Soziale Arbeit, Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Methoden der Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Neuausgabe, 5. Auflage, München, 2005, S. 433.

[3] Durkheim, Emil: Über soziale Arbeitsteilung: Studie über die Organisation höherer Gesellschaften, Frankfurt am Main 1992.

[4] Friedrichs, J./Jagodzinski W. (Hrsg.): Soziale Integration, Opladen 1999, Kronauer, M.: Exklusion: die Gefährdung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus, Frankfurt/Main 2002, Heitmeyer, W. (Hrsg.): Was hält die Gesellschaft zusammen=, Frankfurt am Main, 1997.

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Geboren in Berlin, Deutsche mit türkischen Wurzeln, MA-Publizistin mit dem Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit, Erziehungswissenschaftlerin mit dem Nebenfach Psychologie (Abschluss 2010).

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