Ein beherzter Schritt über die Grenzen, auf individueller Basis, kann weitaus mehr bewirken, als dass es wir uns vorstellen können. Mehr als jede Politik und jede politische Reform.

Jeden Morgen, gehe ich aus dem Haus. Sie auch. Wir sehen und treffen uns an der Bushaltestelle. Ich grüße sie jeden morgen. Sie erwidert mich nicht. Wahrscheinlich ist sie neu eingezogen, in unsere Straße. Sie verdreht den Kopf. Ich habe den Eindruck, ignoriert zu werden. Macht mir nichts. Ich habe von klein auf gelernt, den ersten Schritt zu tätigen. Den ersten Schritt in Richtung Freundschaft und über die Grenzen.

Ich blicke ihr in die Augen, bin hartnäckig, möchte einfach gesehen werden. An einem schönen Frühlingsmorgen vestehe ich; nicht ich möchte gesehen werden, vielleicht sie. Sie steht wieder da. Ich spüre ihre Einsamkeit. Ihre Hilflosigkeit und das Verlangen in ihrer stummen Art und Weise, nach einem Gespräch.

Dort, wo die Worte keine Brücken bauen können, wenn die Mimik abweisend ist, dann erst recht sollte der Mensch dem Auge seines Herzens vertrauen. Alles Physiologische und Rationale für ein paar wenige Augenblicke, auf den Standby- Modus stellen, vielleicht abschalten. Nicht beachten, was das Auge sieht, sondern daran denken, was es alles nicht sieht. Ich gehe zu ihr und frage sie:

„Geht es ihnen gut? Ich grüße Sie jeden morgen, aber sie sehen mich nicht. Ich habe das Gefühl, sie möchten mich nicht sehen, weil ich anders bin. Sie wissen, was ich meine.“

Sie versucht ihre Blicke zu verstecken. Guckt mich ungern an. Antwortet aber dennoch und damit nimmt das Schweigen ein Ende. „Das tut mir so leid, wenn ich Ihnen so ein Gefühl gegeben habe. Es hat nichts mit Ihnen oder Ihrem Anderssein zu tun. Ganz im Gegenteil. Ich machte mir gestern Sorgen um sie, weil sie nicht hier waren.“ Sie hat Tränen in den Augen. „Mir geht es überhaupt nicht gut.“ Sie erzählt eine Geschichte, die nicht an Ländereien, an Nationen oder an Religionen gebunden ist. Eine Trennungsgeschichte. Die Geschichte über den Verlust eines geliebten Menschen.

Ich denke mir; wenn es der Freude nicht gelingt, Menschen näherzubringen, dann tun es Schmerzen oder die Trauer! Da treffen sich plötzlich alle, bei einer Beerdigung aber nicht bei einer Feier. Schwarz tragen sie, uni, bunt zu sein, mögen sie nicht. Bei einer Beerdigung versöhnen sie sich, sogar Feinde kommen zusammen, zu der Feier des Feindes wird weder eingeladen noch hingegangen!

„Sie haben vielleicht in der Zeitung gelesen, dass bei einem Motorradunfall ein Jugendlicher verunglückte. Es war mein Sohn. Er hätte diesen Sommer sein Abitur gemacht. Ich besuche ihn jeden morgen. Seit dem es ihn hier nicht mehr gibt, gibt es nichts mehr für mich. Alles ist so sinnlos und inhaltslos, alles so leer.“ Nun weiß ich Bescheid. Ich habe wieder voreilig ein Urteil getroffen. Ich habe mich abgelehnt und unbeachtet gefühlt. Ich habe diese Frau, die tiefe Schmerzen in sich trägt, aus dem Bauch heraus verurteilt. Diese Tatsache lasse ich kommentarlos stehen.

Wir verzichten an diesem Tag auf den Bus. Ich schlage ihr einen Spaziergang im Wald vor, „aber zuerst muss mein Sohn in den Kindergarten“. Alles schnell erledigt. Sie kommt mit in den Kindergarten, da fangen wir uns: ich sehe etwas Frische und Freude in ihren Augen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Dort beginnt zunächst unsere Nachbarschaft. Wir sind freundlich zueinander und immer dafür dankbar, dass es manchmal gelingt, diese simplen Sätze auszusprechen: Guten Morgen! Wie geht es Ihnen?

Aus dieser vielleicht sehr einfachen Geschichte lernen wir folgendes:

Gesunde zwischenmenschliche Beziehung, ist abhängig von Kommunikation. Kommunikation beugt der Einsamkeit einerseits und Abkapselung andererseits vor. Der Begrüßungsakt, ist die simpelste Form zu kommunizieren. Auch wenn es anfangs schwierig erscheint, über die Grenzen zu gehen, umso erfrischender ist es, zu sehen, wohin dieser Schritt führte. Nämlich zur Verständigung. Nämlich zum Abbau von Vorurteilen. Somit begrüße ich alle, die diesen Text lesen und sage: Waget den Schritt, grüßet und seid gegrüßt!

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Als die Sprachlosigkeit die Herrschaft über mich verlor, ging ich die Freundschaft mit der Sprache ein. Da hat es angefangen. Im schönen Sauerland, begann ich und meine zwei Söhne das Leben. Meine Eltern hatten sich das Sauerland zu ihrer neuen Heimat gemacht. Hier im Sauerland ringe ich mit dem Leben, einem Studium und zwei kleinen Banditen; mit freundlicher Unterstützung von meinem Mann und sieben Geschwistern… Trage ein kleines Mädchen in mir, welches ihr Herz an den Frieden und an die Verständigung unter den Menschen ausgeliehen hat. Alles was gesagt werden soll und will, soll ihren Ursprung im Herzen haben!

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