Das Leben in Deutschland lehrt die Menschen, dass alles möglich sei und man dazu nur an die eigenen Wünsche glauben müsse. Diese verwirklichen zu können, sei nur eine Frage der Geduld und der Anstrengung. Aber gilt das auch für Deutsche mit ausländischen Wurzeln? Oder werden die „Mischlinge“, die zwei Länder ihre Heimat nennen können, nicht immer zwischen zwei Welten gefangen bleiben?

Entscheidungen treffen und Leben verändern

Entscheidungen gehören zum Leben dazu wie die Atemluft. Werden keine Entscheidungen getroffen, wird ein monotoner Weg eingeschlagen, der ins Leere führt. Unerfüllte Jahre gehen einher, die nichts mit Vollkommenheit zu tun haben. Freude oder gar Veränderung werden auf der Strecke gelassen. Alle Menschen müssen sich zu einem gewissen Zeitpunkt fragen, was ihr Wunsch ist und welche Vorstellungen sie vom Leben haben. Möchte man ein Leben von Freunden und Bekannten kopieren, um so zu sein wie sie? Oder ist nicht die Suche nach dem eigenen Weg wichtig, um sich endlich frei und erlöst fühlen zu können?

Es gibt immer Entscheidungen des Lebens, die getroffen werden müssen, um das Leben führen zu können, welches man sich wünscht. Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben müssen Zweifel beseitigt und neue Wege eingeschlagen werden. Ich habe meine Entscheidung fürs Leben bereits gefällt. Sie auch…?

Persönliche Erfahrungen

Sofort persönliche Eindrücke zu schildern, was das aktuelle Leben hier vor Ort in Ägypten angeht, wäre, wie ich finde, nicht angebracht. Zuerst möchte ich lieber einen kurzen Einblick in mein Leben vor dieser Zeit gewähren:

Als zweite Tochter einer Deutschen und eines Ägypters bin ich 1986 in Deutschland (Nordrhein-Westfalen) als offiziell „Deutsche“ geboren. Die rechtlichen Regelungen ließen keine Ausnahme zu. Meine umfangreichen Lebenserfahrungen, die ich ab dem Kindergarten sammeln konnte und die mich bis zum Ende meines Studiums geführt haben, waren umfangreich und nicht immer einfach. Zwischen Vorurteilen gefangen, musste ich mich mit meinem ägyptischen Aussehen beweisen. Das war besonders schwer in der Zeit der Pubertät. Anders zu sein, wenn das auch nur hieß, einen dunkleren Hauttyp als die Freundinnen zu haben und schwarzes Haar aufzuweisen, prädestinierte mich dafür, zum Ziel von Vorurteilen zu werden. Sogar die Beurteilung schulischer Leistungen wurde durch den Migrationshintergrund beeinflusst.

Im Kindergarten war ich das einzige Kind mit dunklen Haaren. Als Außenseiterin haben mich die ersten drei Jahre in einer sozialen Einrichtung geprägt, was ich jedoch erst nach dem Kindergartenalter verstehen konnte. Ungern wurde dementsprechend jeden Morgen die Kindergartentasche mit der Brotdose gepackt. Obwohl bei uns ein klassischer deutscher Haushalt mit deutschen Traditionen herrschte, fühlte ich mich dennoch auch ab der Grundschule nicht zu 100 Prozent wohl in meinem Umfeld. Insgeheim wurde ich zu den „Ausländerkindern“ gezählt, was die Eingliederung in andere Gruppen schwer machte. Weiter ging es auf dem Gymnasium, wo ich mich zwar anpassen wollte, es jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht schaffte, und heute auch froh darüber bin. Die letztendliche Abnabelung vom Anpassungswunsch gelang mir während meines Studiums. Endlich erwachsen und frei von Zwang und Freundesketten, die Ausgrenzung zur Tagesordnung machten. Abgeneigte Haltungen gegenüber der eigenen Person inklusive meiner persönlichen Einstellungen und Ansichten waren ab jetzt vorbei, da kein Zwang mehr bestand, täglich die gleichen 26 Personen aus der eigenen Klasse anzutreffen, zu denen man irgendwie gehören wollte.

Die Entscheidung meines Lebens

Aus der Gefangenschaft, die mich mein ganzes Leben belastet hatte, wurde ich erst aufgrund meiner Entscheidung befreit. Jedoch ist hier nicht die vermeintlich grenzenlose Freiheit, die Deutschland biete, als solche gemeint, die als Gefangenschaft wahrgenommen wurde. Es waren einfach meine inneren Vorstellungen und Ideale, die meiner Meinung nach nicht nach Deutschland passten und die für mich keine Wurzeln hatten. Meine Ablehnung von Tatsachen und Entwicklungen, die ich gesehen, gehört und erlebt habe, brachte mich zu meiner Entscheidung. Keine religiösen Ansichten oder gar Einstellungen, da Religion bis dahin kein wichtiger Punkt in meinem Leben war. Meine Erfahrungen des Lebens haben mich zu einer bestimmten Entscheidung geführt, die ich ohne meine Erlebnisse nicht hätte treffen können. Seit meinem dritten Lebensjahr konnte ich Entscheidungsgrundlagen in Deutschland sammeln, um mich letztendlich für ein Leben in Ägypten zu entscheiden, dem Land, welches ich meine Heimat nenne, obwohl ich dieses nur aus gelegentlichen Ferien kannte. Nicht einmal Sprachprobleme haben mich daran gehindert, Deutschland den Rücken zu kehren.

Meine einzige, ältere Schwester, die eine stärkere Verbindung zu Deutschland aufwies und sich sehr gut integriert hatte, ist unabhängig von meiner Entscheidung ebenso ausgewandert. Wundersamer Weise hat sie die Türkei magisch angezogen, was kein Zufall sein kann. Meine Verbundenheit zu Deutschland ist unverändert stark und weiterhin ist das Land ein aktiver Part in meinem Leben. Ich bin für jede Sekunde dankbar, die ich dort verbringen durfte. Jedoch ist die Entscheidung, in einem muslimischen Land zu leben, aktuell die beste Entscheidung für meine Person gewesen, die ich treffen konnte. Höhen und Tiefen sind natürlich auch in dieser Gesellschaft vorhanden, über die ich gerne berichten möchte.  Jedoch habe ich endlich das Gefühl, nach so vielen Jahren angekommen zu sein…

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Ist 27 Jahre alt. Sie hat ihren Abschluss als Diplom-Sozialarbeiterin an der Universität Düsseldorf erworben. Sie ist Deutsch-Ägypterin und lebt seit knapp fünf Jahren im Land Ihrer Wahl: Ägypten.

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