Beim Spaziergang durch die Münchener Fußgängerzonekann man jedes Wochenende erleben, wie ein rechtspopulistischer Agitator mit islamfeindlichen Parolen die Aufmerksamkeit der Massen für sich gewinnen möchte. Seit 2011 versucht Michael Stürzenberger, Stimmung gegen die in München lebenden Muslime zu machen. Stürzenberger war 2003/04 Pressesprecher der Münchener CSU und hatte 2011die Partei verlassen, als ihm dort wegen seiner zentralen Rolle als Chefideologe und regelmäßigem Autor beim Anti-Islamblog Politically Incorrect (PI) der Parteiausschluss drohte. Heute ist Stürzenberger stellvertretender Bundesvorsitzender der rechten Kleinpartei DIE FREIHEIT, einer Partei, die eigenen Angaben nach im Geist des niederländischen Islamkritikers Geert Wilders gegründet wurde. Darüber hinaus sind sowohl Stürzenberger als auch DIE FREIHEIT mit anderen antimuslimischen Bürgerinitiativen wie der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) und den zahlreichen rechtspopulistischenPro-Bewegungen (Pro Deutschland, Pro NRW, etc.) aufs Engste vernetzt, woraus die Beteiligtenauch keinen Hehl machen. So ist Stürzenberger u.a. Landesvorsitzender der BPE Bayern und der Landesverband derFREIHEITbesteht aus dem harten Kern der PI-Gruppe München.Aber es ist vor allem Michael Stürzenberger, der in den letzten Jahren zu einem der bekanntesten Aktivisten der islamfeindlichen Szene in Deutschland avanciert ist.
Manche seiner Gesinnungsgenossen unterstützen ihn bei seinen Auftritten in München. So stehen neben einem Infostand mit der Aufschrift „Keine Moschee am Stachus“ weitere Mitstreiter Stürzenbergers und halten Schilder hoch mit Parolen wie „Der Hass kommt aus dem Koran“, „Der Koran – die Charta des Judenhasses“ oder „Der Islam erlaubt Sex mit Kindern“. Islamfeindliche Pamphlete werden verteilt. Der Agitator selbst läuft stundenlang mit dem Mikrofon in der einen Hand und dem Koran in der anderen auf und ab. Er gibt vor, Aufklärung zu betreiben und den Widerstand zu organisieren. Manchmal überschlägt sich dabei seine Stimme und er beginnt zu schreien. Von sich selbst und seiner Mission berauscht, poltert und pöbelt er gegen Muslime, Linke und sonstige Andersdenkende. Nichtmünchener können seine verbalen Ergüsse auf der Webseite von PI und auf Youtube verfolgen.
Stürzenbergers Angaben zufolge handelt es sich bei diesen Kundgebungen umVeranstaltungen für die Menschenrechte und um eine Kampagne zwecks Unterschriftensammlung gegen den Bau des „Zentrum für Islam in Europa– München“, kurz ZIE-M, einer großen Moschee mit Gemeindezentrum, die zudem ein Museum, eine Bibliothek und eine Islam-Akademie beinhaltet. Im ZIE-M soll unter anderem die Ausbildung von Imamen erfolgen. Ziel seiner Kampagne: Stürzenberger will 30 000 gültige Stimmen für ein Bürgerbegehren gegen den Bau des ZIE-M sammeln.
Stachus längst nicht mehr als Standort im Gespräch
Das ZIE-M solle München zur Hauptstadt des Islam in Europa machen, behauptet Stürzenberger.„Wir wollen keine Moschee am Stachus“, bellt er ins Mikrophon, obwohl der Standort Herzog-Wilhelm-Str., in unmittelbarer Nähe zum Münchner Stachus, längst vom Tisch ist.Stürzenberger, der selbst der Auffassung ist, Juden, die ihre Kinder beschneiden, hätten in Deutschland nichts zu suchen,gibt vor, „Aufklärung über den judenhassenden Islam“ zu leisten. Erschürt gezielt Ängste und beschwört die Münchener Bürger, die angebliche „Islamisierung“ Deutschlands zu stoppen, bevor alle friedliebenden Menschen vom „Islam-Tsunami weggespült werden“und bevor Anschläge wie die auf das Einkaufszentrum in Kenias Hauptstadt Nairobi auch „in einem Münchener Kaufhof passieren“. Im Dünkel moralischer Überlegenheit und siegessicherer Souveränität stilisiert sichder PI-Chefideologe bei seinen Hetztiradenzumbesorgten Demokratenund Islamaufklärer.Und immer lauter muss Stürzenberger dabei ins Mikro schreien, weil Passanten und Gegendemonstranten ihm entweder ins Wort fallen oder manchmal versuchen, ihn mit Gesängen oder Trillerpfeifen zu übertönen. Was ihn jedochkaumzu irritierenscheint. Stürzenberger brüllt und hetzt einfach weiter. Wenn man als Passant stehen bleibt und das unangenehme, ja fast schon bizarr anmutende Schauspiel betrachtet, weiß man rasch nicht mehr, was mehr an den Nerven zerrt: Stürzenbergers rassistische Tiraden oder die manchmal gellend lauten Lalala-Rufe und Trillerpfeifen seiner Gegner. Münchener Bürger haben sich bereits wiederholt wegen massiver Ruhestörung bei der Polizei beschwert. Seitdem wurde Stürzenberger mit einem Film- und Fotografierverbot belegt und er muss wenigstens Dauer und Lautstärke seiner ehemals stundenlangen Hetzreden herunterregulieren.
Das ZIE-M: ein umstrittenes Projekt
Worum geht es hierbei überhaupt? Eigentlich sollte mit dem ZIE-M ein weltoffenes Islamzentrum in München entstehen,das nach Angaben des Gründers und Initiators Benjamin Idriz uneingeschränkt sowohl mit den kulturellen und gesellschaftlichen Werten als auch mit der politischen und rechtlichen Ordnung Deutschlands im Einklang steht. Idriz, Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg (IGP) und Vorsitzender des Vereins ZIE-M, möchte mit diesem Projekt Demokratie, Gleichberechtigung, Religionsfreiheit und Achtung vor der Würde aller Menschen fordern und fördern. Das ZIE-M soll nicht nur der Ausbildung von deutschsprechenden Imamen und der Information über den Islam dienen, sondern darüber hinaus dem negativen Image der Muslime und ihrer Ausgrenzung gegensteuern. Gefördert und unterstützt wird der Bau des ZIE-M von allen politischen Parteien in München, mit Ausnahme der Rechtspopulisten.
Jedoch herrscht seit Jahren weitgehend Stillstand beim Moschee-Projekt. Unklar ist bis heute nicht nur die Finanzierung des ZIE-M, sondern auchdie Frage, wann und wo das Zentrum des Islam überhaupt gebaut werden soll.Des Weiterensollte man nicht unerwähnt lassen, dass das ZIE-M seit seiner Konzeption 2007 nicht unumstritten ist. Zweifel und berechtigte Kritik wurden sowohl bezüglich Finanzierung, Planung und Bau des Islamzentrums als auch an der Person des Imam Benjamin Idriz laut. Idriz wurde bis 2011 vom Verfassungsschutz beobachtet, weil er im Verdacht stand, Kontakt zu radikalen Islamisten zu unterhalten. Kritisiert wurde auch Idriz‘ Ausbildung an der privaten islamischen Hochschule „Institut Européen des SciencesHumaines“ im französischen Château Chinon. Das Institut gilt als islamistische Kaderschmiede mit engen Verbindungen zur fundamentalistischen Muslimbruderschaft. Es wird laut Aussagen von Kritikern mit Geldern aus den Golfstaaten und Saudi Arabien unterstützt und soll eine „islamistische“ Version des Islam vermitteln. Kritisiert wurde ebenfalls der potenzielle Geldgeber des ZIE-M: Mit geschätzten 40 Millionen Euro wollte der Wüstenstaat Katar das ZIE-M finanzieren. Der streng wahhabitische Staat steht jedoch unter konkretem Verdacht, nicht nur despotische Regime am Golf, sondern auch islamistische und extremistische Terrorbewegungen überall in der arabischen Welt und in Teilen Afrikas zu unterstützen.
Diese Kritikpunkte wurden bereits seit der Präsentation des Konzepts des ZIE-M sachlich und kontrovers diskutiert. Geschickt thematisiert auch Stürzenberger diese Probleme, jedoch nur, um seine Hetzreden als seriöse Kritik zu tarnen. Eine Vorgehensweise, wie sie für alle halbwegs talentierten Rechtspopulisten und islamfeindlichen Agitatoren typisch ist. Und was leider mitunter dazu führt, dass letztlich auch seriöse und notwendige Kritik von anderer Seite vorschnell in die rechte Ecke gestellt wird.
Stürzenberger: „Jeder bekennende Muslim ist ein Verfassungsfeind!“
Von konstruktiver Kritik kann bei Stürzenbergers Agitation keine Rede sein. Sachliche Kritik war ohnehin bisher nur sehr selten sein Anliegen. Viel lieber bezeichnet er den Islam als mörderische Ideologie mit weltweit totalitärem Machtanspruch. Der Islam ist seiner Ansicht nach die „perfekteste [sic!] totalitäre Machtmaschinerie“(Zitat von Stürzenberger auf PI am14.11.2013). Er setzt den Islam mit dem Nationalsozialismus gleich und wähnt den Koran gefährlicher als Adolf Hitlers „Mein Kampf“. Jeder bekennende Muslim handelt Stürzenbergers krudem Islamhass zufolge vorsätzlich verfassungsfeindlich und ist bestrebt, unter Gewaltanwendung bis hin zum Töten „die ungläubige Gesellschaft in Deutschland zu unterwerfen“. Stürzenberger ist der Ansicht, dass Deutschland schleichend islamisiert und aufgrund der demografischen Entwicklung in ca. 50-70 Jahren zu einem islamischen Gottesstaat mit dem Rechtssystem der Scharia umgewandelt wird. Sollte die „Islamisierung“ eine Gegenbewegung provozieren, sieht Stürzenberger am Horizont einen Bürgerkrieg aufziehen. In wahrer Vorfreude auf dieses Ereignis droht er, dass sich alle „Politiker, Journalisten, Kirchenvertreter, Lehrer, Kindergärtner, Professoren oder sonstige Personen des gesellschaftlichen Lebens, die den Islam verharmlosen und sich als Steigbügelhalter der Islamisierung in Europas erweisen, in nicht allzu ferner Zeit wegen Volksverrat zu verantworten“ haben werden.
Stürzenberger: „Abschwören oder abreisen“
Bereits im Herbst 2011 hatte er als Autor bei PI ein sogenanntes Thesenpapier veröffentlicht, in dem er eine „tabulose Diskussion über das wahre Wesen des Islam in Deutschland“ forderte. Der Islam sei eine Religion mit „totalitärem weltlichen Herrschaftsanspruch, Intoleranz, Gewaltbereitschaft und Tötungslegitimation“. Alle islamischen Verbände hätten sich sofort von den Gewaltaspekten des Islam zu verabschieden. „Wenn diese Forderungen nicht von allen islamischen Verbänden verbindlich unterzeichnet werden, erfolgt ein sofortiger Baustopp von Moscheen, die Schließung von Koranschulen und die Unterbindung von Gebetsversammlungen in vorhandenen Moscheen.“ Bei einer Verweigerung käme es zu einem Volksentscheid – mit dem Ergebnis, dass der Islam in Deutschland verboten würde (ob das Ergebnis dabei wie zu DDR-Zeiten 99,97{29198b972399c81ed5054510dfa220ef2abbd08e78f3050c7d7070df681d4040} betragen würde, ließ er offen). Nach dem Verbot des Islam hätten alle Muslime die „freie“ Entscheidung, dem Islam abzuschwören. Sollten sie auch dies verweigern, hieße es „abschwören oder abreisen“. Ihnen bliebe also nur noch die Zwangsausweisung. Stürzenberger redet einer völlig absurden und komplett grundgesetz- und menschenrechtswidrigen „Entislamisierung“ das Wort. Muslime sollen seiner Wunschvorstellung gemäß staatlicherseits gezwungen werden, den Koran umzuschreiben und „alle gefährlichen Passagen darin zu streichen“. Generell müssten sie ihre Religion komplett verändern und „entschärfen“. Erst dann wäre ihnen wieder Religionsfreiheit in Deutschland garantiert. Nach Ansicht Stürzenbergers wären Muslime in Deutschland erst wieder willkommen, wenn sie dem Islam abschwören und keine Muslime mehr sind.
Stürzenbergers wahnwitziger „Entislamisierungsplan“: Den Islam nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa verbieten
Was der Agitator eigentlich im Sinn hat? Darüber muss man nicht lange spekulieren. Man muss nur seine hasserfüllten Forderungen konsequent zu Ende denken: Stürzenberger würde am liebsten zum globalen Dschihad gegen den Islam aufrufen. Denn die alleinige Zwangsausweisung der Muslime aus Deutschland würde kaum genügen. Auf PI redet Stürzenberger Klartext: Er fantasiert davon, den Islam in ganz Europa „wegen gefährlicher Verfassungsfeindlichkeit zu verbieten“ (Zitat Stürzenbergers auf PI am 14.11.2013).
Stürzenberger outet sich damit alsFanatiker und klassischer Verschwörungstheoretiker. Er hat sich immer weiter radikalisiert und berauscht sich an Gewaltfantasien.Seine Masche: Islamhass und Rassismus kaschiert er als Kulturkampf. Im krassen Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zielt Stürzenbergers islamfeindliches Gedankengut darauf ab, das Existenzrecht und die Religionsfreiheit von Muslimen in Deutschland und schließlich in ganz Europa zu negieren. Ein Grund, weshalb nicht nur Michael Stürzenberger, sondern darüber hinaus auch der von ihm geführte bayerische Landesverband der FREIHEIT und die mit ihm eng verbundene Münchener Ortsgruppe von Politically Incorrect seit März 2013 vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden.
Sogar für Rechte und Protestwähler zu irre
Und kein Wunder, dass Stürzenberger fortlaufend mit Strafanzeigen überzogen wird. Er stand bereits mehrfach vor Gericht, meist wegen seiner islamfeindlichen und rechtspopulistischen Aussagen, aber auch wegen Beleidigung und Verleumdung.Im Sommer 2013 wurde er wegen Beleidigung gegenüber einem Polizisten zu einer Geldstrafe verurteilt.
Eines zumindest ist tröstlich: Stürzenbergers Islamhass scheint nur im Internet und nicht an der Wahlurne auf fruchtbaren Boden zu fallen. Bei der Landtagswahl in Bayern am 15. September 2013 konnte DIE FREIHEIT lediglich in Oberbayern antreten und erlebte ein wahres Desaster.Sie erzielte magere 5979 Zweitstimmen (0,2 Prozent), was einem landesweiten Ergebnis von 0,1 Prozent entspricht. Ein Ergebnis, das sie sich redlich verdient hat – denn selbst jenen Bevölkerungsteilen, die durch Medien und bestehende Ressentiments gegen den Islam voreingenommen sind, ist die geistige Brandstiftung des Islamhassers von München suspekt.