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Die 90er. Brennende Asylantenheime, tote Kinder, Großmütter und Großväter als Hinterbliebene mitten im Herz Europas, wo als zweitklassig abgestempelte Menschen die Asche ihrer Verwandten versuchten, in einem Sarg unterzubringen. Brennende Kinder, brennende Seelen. Brennende Asylantenheime, brennende Töchter, die sich auf den Kindergarten freuten.

Brennende Frauen, brennende Häuser wertloser Kanaken, die die Scheiße aus den Schultoiletten säuberten, um im Sommer in die Heimat fahren zu können. Glatzköpfe mit eleganten Parolen. Springerstiefel, die nicht dazu dienten, die Füße warm zu halten. Bomberjacken, die das Feuer in den Innentaschen versteckten. Der Trost kam, doch unsere Seele brannte, denn sie fühlte Empathie mit den Körpern der Unschuldigen. Asylanten, die das Feuer aus ihrer Heimat in Form von Bomben und Waffen kannten, aber noch nicht in dieser Form erlebt hatte.

Die Farbe Braun symbolisierte etwas anderes als die Farbe selbst. Damals war es Isaac, der Jude, in den 90ern war es Hilmi, der Türke. Das Feuer ist in Deutschland immer braun gewesen. Braun war das Feuer. Tot waren die Kinder. Nicht wegen Leukämie oder einer anderen Kinderkrankheit. Die Farbe Braun war Mörder der Kinder gewesen, die sich auf das Bayram-Fest freuten. Der Mensch hat auch dies geschafft. Er hat es geschafft, eine Farbe als Dolch zu benutzen, um das Herz der Putzkräfte niederzumetzeln.

Tränen sollten reichen

Braun war nie eine schöne Farbe. Ekelerregend und abstoßend. Wie Scheiße. Braun ist heute immer noch scheiße. Solingen brannte und der Brand ist immer noch nicht ausgelöscht. Eloquenz ist hier fehl am Platz, denn die Sprache oder die Form ist gleichgültig. Der Inhalt symbolisiert die Seele der Wörter. Der Körper ist gleichgültig, also die Grammatik. Der Körper, die Herkunft, die Rasse, die Ethnie. Die Nase, die Haare. Alles gleichgültig. Die Schwarzköpfe wurden verbrannt. Die Leichen wurden aber nicht blond. Die Braunen haben Nietzsche falsch verstanden. Die Leichen wurden nicht zu „Übermenschen“. Sie wurden zu Toten. Sie wurden in Särgen platziert.

Wir konnten uns nicht ausdrücken. Wir konnten nur weinen. Die Tränen sollten eigentlich für den Menschen reichen. Auch für den Deutschen, damit er uns versteht, denn Kinder sprangen aus Angst vor dem Feuer in den Tod. Tränen sollten reichen. Doch Tränen gaben keine logische Erklärung ab. Also verstand man uns nicht. Das Schreien auf Türkisch nützte auch nichts. Das Rennen, die Kleider mit Gewalt vom eigenen Leib entfernen. All das reichte nicht. Die Schreie waren vielleicht gewaltiger als das Feuer, doch das Feuer gewann. Und die Kinder starben. Sie verbrannten wie Holzkohle bei einem Barbecue-Grill. Man tröstete, doch wir litten. Das Leid einer Oma, die ihr allerliebstes Enkelkind mit dem Rock auffangen wollte und es nicht schaffte. Schicksal. Braunes Schicksal. Braune Scheiße mit Springerstiefel und Bomberjacken, die nicht dazu dienten, den Körper warm zu halten, sondern zweitklassige Kanaken zu verbrennen.

Plötzlich begannen unsere großen Brüder, ein großes C an die Wände und Mauern zu sprayen. Sie hatten große Cs auf ihren Pullovern. Das große C war der Versuch, das Leid zu lindern, die Einheit zu schaffen zwischen den Leidenden, den Zweitklassigen, den Putzfrauen, den Maurern, den Obsthändlern und natürlich ihren Töchtern und Söhnen. Das große C war der Türke aus der Hölle. Es war das Cartel von unterschiedlichen Rapgruppen, die ein Zeichen setzten. Ein Zeichen, vor dem wir, die kleineren Schwestern und Brüder dieser Generation uns verbeugen und ihnen den Respekt erweisen, den sie verdient haben.

Vergiss nicht, Du bist Türke

Erci-E, Karakan, Da Crime Posse erinnerten uns daran, dass wir Ausländer waren. Sie waren diejenigen, die versucht haben, mit einem originalen, marginalen Beat aus orientalischen Elementen uns zu zeigen, wie man sich vereint und einen universellen Humanismus propagiert. Türken, Jamaikaner, Deutsche. Keinerlei Gegenrassismus. Die türkische Flagge symbolisierte den Protest gegen das Braune. „Deutschländer, vergiss nicht/Du bist Türke“ war vielleicht ein Omen für die heutige Zeit, wo das Land weiter und weiter im NSU-Prozess versinkt. Cartel war ein erster Schritt der kanakischen Aufklärung in den Straßen; eine mannhafte, eine gerechte, eine aufrichtige ohne jegliches politisches Hin und Her und ohne Demagogie.

Wie im ersten Clip gezeigt worden war, ist das Cartel ein Traum. Der Traum als Lösung für das Faschismusproblem Deutschlands. Eine Bürgerinitiative der ausländischen Art. Eine Zusammenführung mit dem Leid der toten Mädchen, das das Gewissen dieser großen Brüder von Tag zu Tag wie ein Aasgeier auffraß. Es war kein Hilfeschrei an die Politik, sondern ein Aufruf an die Ausländer, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen sollten. Keine Lobgesänge, kein Pseudohumanismus. Ein aufrichtiger Aufstand, ohne das Gefühl der Gerechtigkeit zu verlieren. Vielleicht ein Meilenstein für uns, den wir zu sehr in die Schublade des musikalischen Kontextes geschoben haben.

Cartel war nicht nur Hiphop. Cartel war eine Art und Weise der Identifizierung. Eine Einheit ohne Ausschließen. Eine Einheit, in die jeder herzlich eingeladen war, der gegen das Ungerechte kämpfen wollte. Erci-E darf nicht nur als eine Kindheitserinnerung bleiben, Karakan kein Sänger, der von Retro-Liebhabern gehört wird. Cartel war eine Antwort auf Solingen. Die Praxis der Schöpfung: „Am Anfang war das Wort.“ Und das Wort war heiliger als das Feuer. Die Buchstaben über der Farbe Braun. Die Musik, der gerechte Aufstand gegen die Asche der Tochter, die sich auf den Kindergarten freute. Da Crime Posse gegen die Springerstiefel, die nicht die Aufgabe des Warmhaltens hatten.

Die Gesellschaft als unsere Schultoilette

Das Phänomen des Cartels unter diesen Aspekten, in dieser Hinsicht zu analysieren, wird uns Migranten heute weiterhelfen, eine aufrichtige Initiative gegen die braune Scheiße zu organisieren. Die Sprache der Straße ist lebhaft, jenseits der Demagogie und der Heuchelei. Dieser Text ist an Solingen gewidmet. Dieser Text ist an Cartel gewidmet. An die großen Brüder, an meine „Agabeys“ des 90er-Aufstands gegen den nationalsozialistischen Scheiß, der heute noch die Seelen meiner Zeitgenossen verbrennt.

Die Lage ist natürlich komplexer, das Labyrinth dieses Problems ist vielschichtiger geworden, heute, wo man kaum noch Bomberjackenträger antrifft. Die Farbe Braun ist in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Die Farbe Braun ist professioneller geworden. Die Farbe Braun verschanzt sich manchmal sogar hinter der Farbe Grün oder gar hinter dem Schwarz-Rot-Gold. Wir dürfen den Scharfsinn der Straße, die Aufrichtigkeit, das Gefühl der Gerechtigkeit, die Liebe zur Menschlichkeit nicht verlieren. Ein wenig Cartel würde uns heutzutage nicht schlecht tun und wir können von unseren Müttern viel lernen, die damals die Schultoiletten von der braunen Scheiße gesäubert haben. Das Gleiche müssen wir heute in der Gesellschaft tun.

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Jahrgang 1987, Student der Soziologie und der islamischen Religionswissenschaft.

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