Bildquelle: Sylvain Pedneault | CC-BY-SA-3.0 | Wikimedia Commons
Die Übergriffe auf Moscheen haben in den letzten Jahren signifikant zugelegt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Lagen die Übergriffe zwischen den Jahren 2001 und 2011 noch im Schnitt bei jährlich 22, stiegen diese im Jahr 2012 auf durchschnittlich 35 bzw. im Jahr 2013 auf 36. Ferner kann man der Antwort entnehmen, dass von Anfang 2012 bis März 2014 insgesamt 78 Anschläge verübt wurden, davon allein 13 in dem Bundesland Niedersachsen.
Moschee in Oldenburg Ziel von Molotowcocktails
Nachdem es zuletzt Übergriffe auf Moscheen in Berlin, Bielefeld und Mölln gab, wurde jetzt erst bekannt, dass am Wochenende die Hacı-Bayram-Moschee in Oldenburg Ziel eines Anschlags war. Dies berichteten die Nord-West-Zeitung (NWZ), Neue-Osnabrücker-Zeitung (NOZ) sowie das Fach- und Debattenportal IslamIQ am Mittwoch. Türkische Medien berichteten am Tag darauf, dass es sich bei den Tätern um zwei Personen handle, die zwei Molotowcocktails gegen die Moschee geworfen hätten. Die NOZ schreibt, dass die Hintergründe der Tat noch nicht aufgeklärt seien. Ermittelt werde in alle Richtungen, da ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen sei. Auch der polizeiliche Staatsschutz sei eingeschaltet.
Am Mittwoch berichtete das Portal „Herzogtum direkt“ zudem von der neuerlichen Schändung einer Moschee in Mölln.
Rechtsextremistische Motive unwahrscheinlich?
Beachtlich ist jedoch der Satz in der NOZ: „Rechtsextreme Motive seien jedoch eher unwahrscheinlich“. Bereits in der Vergangenheit wurden oftmals vorschnell rechtsradikale, rassistische und menschenfeindliche Motive ausgeschlossen. Bei den NSU-Morden wurde dies besonders deutlich. Jedoch mit ungeahnten Konsequenzen. Beschuldigt wurden u.a. Familienangehörige. Die sogenannten „Dönermorde“ und die Ermittlungsgruppen, die z.B. Namen wie „Bosporus“ etc. erhielten, suchten die Täter unter den Einwanderern. Es fielen Begriffe wie Schutzgelderpressung, Drogenkrieg und Menschenhandel. Es gab Innenminister, die bereits am Tattag von NSU-Anschlägen rechtsextremistische Hintergründe ausschlossen. Vielleicht wäre es daher angebracht, rechtsextreme Motive nicht so abrupt auszuschließen und die Ermittlungen erst abzuwarten. Umso besser ist es, wenn am Ende herauskommt, dass die Molotowcocktails auf die Moschee doch nicht von Neo-Nazis geschleudert wurden. Wenn in den letzten vier Wochen Anschläge auf Moscheen in Mölln, Berlin, Bielefeld und Oldenburg keine Taten von Rechtsgesinnten sein sollten, umso besser für unsere Demokratie.
Studien belegen rechte Einstellungen
Jedoch kann nicht ausgeblendet werden, dass Muslime in Deutschland immer mehr abgelehnt werden. So hat eine neue Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes noch einmal klargestellt, dass Sinti und Roma sowie Muslime in diesem Land auf massive Ablehnung stoßen. Viele der Befragten sind der Meinung, dass Sinti, Roma und Muslime „durch ihr Verhalten“ für Feindseligkeiten selbst verantwortlich sind: Bei Muslimen denken das 51, bei Sinti und Roma 49 und bei Asylbewerbern 41 Prozent. Die „Mitte“-Studie der Universität Leipzig kommt zu ähnlichen Ergebnissen: So stimmt mehr als jeder Dritte (36 Prozent) der Aussage zu: „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“. Und 43 Prozent fühlen sich „durch die vielen Muslime (…) manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“.
Man vergleiche: Die Äußerung, Juden seien „durch ihr Verhalten“ selbst schuld an antisemitischen Einstellungen gilt anerkanntermaßen als Kernmerkmal des sekundären Antisemitismus.
Einwanderer und Muslime fühlen sich im Stich gelassen
Und auch diesmal werden Einwanderer und Muslime weitgehend allein gelassen. Da nur wenige deutsche Politiker, Journalisten und vor allem die Öffentlichkeit Anteil an dem Leid der Menschen nehmen, wird die Leere durch andere Staaten gefüllt. Eigentlich sehr schade um die vertane Chance, das verloren gegangen Vertrauen durch das sogenannte „Staatsversagen“ während der NSU-Mordserie zurückzugewinnen. Im jüngst veröffentlichten Bericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss wird sogar das Unmögliche für möglich gehalten. Die Vermutung der Experten in dem 1800-seitigen Bericht lautet: „Gezielte Sabotage“.
Vakuum wird von anderen Staaten gefüllt – Das muss nicht sein!
So wie bei den NSU-Morden finden die Leidtragenden der Gewalt auch gegenwärtig in erster Linie bei der türkischen Regierung, dem türkischen Botschafter Hüseyin Avni Karslıoğlu und den türkischen Generalkonsulaten in Deutschland Gehör, Anteilnahme und Wahrnehmung. Zu Recht fragen sich die einen oder anderen Betroffenen, ob sie wirklich in diesem Land willkommen sind. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich nur vereinzelte Personen wie z.B. einige Oberbürgermeister der betroffenen Städte, Politiker wie der SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und, wenn auch mit erheblicher Verzögerung, der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU), in den letzten Tagen an die Orte der Katastrophen verirrten, um sich mit den Muslimen zu solidarisieren.
Brandbeschleuniger und Verbrennung von Koranexemplaren
Es gab zwar in der Vergangenheit diverse Anschläge und Schmierereien auf muslimische und jüdische Gotteshäuser. Jedoch haben Ausmaß und Häufigkeit der Straftaten einen neuen Höhepunkt erreicht. Es sind keine bloßen Schmierereien mehr an den Wänden. Es werden auch nicht mehr „Schweineköpfe“ oder „Schweineblut“ vor die Eingangstür gelegt. Droh- und Schmähbriefe gehören schon seit Jahren zum Standard. Jetzt ist man an dem Punkt angelangt, wo auch das Leben bedroht ist. Es wurden im Rahmen der jüngsten Anschläge nachweislich Brandbeschleuniger verwendet. Man möchte sich nicht vorstellen, was passiert wäre, hätten sich zur Tatzeit Menschen in den Gotteshäusern befunden, die Schaden genommen hätten. Auch finanziell sind die Anschläge für die Moscheen, die fast nur mit Spenden am Leben gehalten werden, bedrohlich. Die Schäden liegen teilweise im Millionenbereich. Und was manchen Gläubigen besonders wehtun könnte, ist die gezielte Verbrennung der Heiligen Schriften.
Anteilnahme? Fehlanzeige!
In den letzten Wochen gab es sechs mutmaßliche Anschläge gegen muslimische Gotteshäuser in Deutschland. Da ein nicht zu unterschätzender Teil der Öffentlichkeit und Presse zu den Vorfällen lange schwieg oder keine Stellung bezog, sollte die Frage gestattet sein, ob nicht mit dieser Praxis der Gleichgültigkeit oder der Medienberichterstattung der letzten Wochen (u.a. Hetze von Bild-Vize Nicolaus Fest) zur Vergiftung des sozialen Klimas beigetragen wurde.
Jeder Angriff verdient eine klare Verurteilung
Angriffe oder Aggressionen gegen Menschen, egal welcher Herkunft, Religion oder politischer, ideologischer und sexuelle Identität bedürfen einer öffentlichen Verurteilung. Wenn eine jüdische Synagoge angegriffen wird, muss dies klar geächtet werden. Diese Reaktion muss auch bei Attacken auf christliche Kirchen oder buddhistische und hinduistische Tempel gezeigt werden. Aber auch wenn Moscheen brennen, muss die Gesellschaft zusammen stehen und ein Zeichen setzen. Denn sonst gibt man den mutmaßlichen Tätern, ihren ideologischen Sympathisanten sowie ihren Hintermännern und Anstiftern Mut, weiterzumachen. Dies könnte im schlimmsten Falle zu ungeahnten Resultaten führen. So wie beispielsweise bei den NSU-Morden.