Die Enttäuschung ist groß. Zu groß, um sich über den erzielten Teilerfolg zu freuen. Das erklärt auch die zum Teil rhetorisch aggressiv anmutenden Reflexe aus der türkischen Migranten-Community. Der Aufschrei der betroffenen, also konkret jener Leute, die bei ihrer Einbürgerung ihre türkische Staatsangehörigkeit aufgeben mussten oder jener, die aktuell noch ausschließlich türkische Staatsbürger sind, ist berechtigt und nachvollziehbar. Beide betroffenen Bevölkerungsgruppen können nach der geplanten Regelung nach wie vor nicht die doppelte Staatsbürgerschaft erwerben.

Wir wissen, dass eine Staatsangehörigkeit hierzulande kein Geschenk und auch keine Selbstverständlichkeit ist. Aber ist es auch nicht heuchlerisch, „Integration, Integration, Integration” zu schreien und auf der anderen Seite seit 50 Jahren diesen Menschen nicht mal annähernd die gleichen Rechte einzuräumen wie einem vor 3 Monaten zugezogenen EU-Bürger? Ein Türke darf, obwohl er seit 50 Jahren in Deutschland Steuern zahlt, darf er noch nicht einmal an den Kommunalwahlen teilnehmen, während ein Neu-Zuzügler aus Portugal oder Bulgarien nach nur drei Monaten mit entscheiden darf, wer im Stadtrat sitzt…

So beneidenswert es ist, wie die EU-Bürger die vorbildliche Willkommenskultur des deutschen Staates genießen, so erschreckend und groß nehmen die Türkischstämmigen die generelle Ablehnungskultur ihnen gegenüber wahr. Das zeigt sich auch in dem vereinbarten Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft.

Was ist geschehen?

Es wurde heroisch verhandelt, es soll ja sogar härter gewesen sein, als man es aus den Medien heraushört (so ein Kompromiss soll ja nicht so einfach zustande kommen). Und am Ende hat die CDU wirklich einen tollen Erfolg vorzuweisen. Sie hat es geschafft, den Eltern der Optionspflichtigen Kinder die doppelte Staatsbürgerschaft zu nehmen. Bravo! Hervorragend. kann man nur sagen. Die CDU kann mit dieser „Schadensbegrenzung” bei ihren Wählern vom rechten Rand voll punkten. Ich greife jetzt ein bisschen vor und formuliere für die CDU ein Argument, das sie direkt übernehmen könnte.

Der nächste Wahlbrief könnte lauten:

“Liebe Wählerinnen und Wähler, wir haben es geschafft!

Wir erlauben zwar der zukünftigen Generation der Ausländer die doppelte Staatsbürgerschaft, aber dafür haben wir es geschafft, ihre Eltern und Geschwister – egal ob eingebürgert oder nicht – davon auszuschließen.

Somit haben wir auch den unerträglichen Zustand einer gleichberechtigten Teilhabe dieser seit 50 Jahren hier lebenden Migranten verhindert. Es ist uns eine geglückte Herzensangelegenheit, diesem „Auslaufmodell” von Gastarbeiter nicht noch die gleichen Rechte zu geben, die ihre Kinder für die Zukunft erzwungen haben. Und das haben wir geschafft.“  

Ich suche seit Tagen nach einem möglichen positiven Effekt dieser Ablehnung. Was bringt diese ausgrenzende Haltung gegenüber den Eltern, obwohl doch feststeht, dass die zukünftigen Generationen ohnehin den Doppelpass bekommen werden? Ich habe kein einzig vernünftiges Argument gefunden.

„Eure Kinder bekommen ihn in Zukunft, aber Ihr auf keinen Fall” ist kein Kompromiss, sondern ein Armutszeugnis einer populistischen Integrationspolitik.

Ist es wirklich so schwierig, diesen Menschen das Gefühl zu geben, in diesem Land willkommen zu sein? Langsam glaube ich auch selbst, dass es vielen sogar nicht nur schwer fällt, sondern als geradezu unmöglich erscheint, einem dem eigenen Vorurteil entsprechenden, muslimischen Standard-Türken “Willkommen” zu sagen.

In einem Gesellschaftsspiel, wo leider die Spielregeln nur Punkte für „Ausgrenzung” vorsehen, ist diese Spieltaktik jedoch die zielführendere Taktik. Die Punkte sind sicher.

Eine kleine Wette

Ich warte nur auf den heuchlerischen Aufschrei, wenn die türkische Regierung nun versuchen sollte, ihre in Deutschland aus dem politischen Entscheidungsprozess ausgegrenzten Bürger in den politischen Prozess der Türkei einzubinden. Wetten wir, dass die Politik und die Gesellschaft in Deutschland auch diesem Fall sehr kritisch gegenüberstehen werden?

Die armen „Gastarbeiter“, kann man nur sagen!

 

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Jahrgang 1976, Unternehmer und Blog-Autor. Studiert nebenberuflich Politikwissenschaft an der FernUniversität in Hagen. Er lebt in der Ruhrgebietsstadt Essen.

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