Am 25.3.2013 hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundesrat eine Kleine Anfrage über ethnische und rassistische Diskriminierung in Deutschland an die Bundesregierung gerichtet. Diese verfolgte das Anliegen, den weitverbreiteten Mangel an Anti-Diskriminierungsmaßnahmen zu durchleuchten und zu ergründen. Hier soll nun die Antwort auf diese Kleine Anfrage analysiert werden, mit dem Ziel,eine Verbesserung des Status quo durch zeitgerechte Vorgehensweisen zur Verminderung und Verhinderung von ethnischer und rassistischer Diskriminierung anzustoßen.

Die Bundesregierung bestätigt, dass Diskriminierungserfahrungen die Integrationsbereitschaft und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte beeinträchtigen. Wichtige Fakten, dass und vor allem, wie alarmierend hoch der Bedarf für Aufklärungs- und Anti-diskriminierungsmaßnahmen ist, erwähnt die Regierung in ihre Antwort aber selbstverständlich nicht. Warum in dieser Hinsicht so wenig getan wird, auch nicht.

Denn im Gegensatz zu „Integrationsmaßnahmen“ sind die Ressourcen, die in Anti-Diskriminierungsmaßnahmen gesteckt werden,sehr gering und extrem ineffizient. Politisch gesehen ist das verständlich, denn Anti-Diskriminierungsmaßnahmen sind sehr umstritten. Solche Maßnahmen setzen immerhin voraus, dass man die dominante Kultur, ihre Privilegien und ihren Einfluss auf die gesamte Gesellschaft durchleuchtet und hinterfragt. Es setzt auch voraus, dass man sich kritisch mit den eigenen Vorurteilen und Voreingenommenheiten auseinandersetzt – also keine leichte Aufgabe. Besonders nicht in Deutschland, wo so viel Nachholbedarf besteht. Es ist politisch viel sicherer und deshalb auch viel bequemer, sich über „Integration“ (auch wenn damit im Grunde genommen Assimilation gemeint ist) zu unterhalten und dementsprechend Maßnahmenzu treffen, die das Objekt – die vermeintlich zu Integrierenden – und deren Verhalten in den „Mittelpunkt“ rücken lassen.

„Integration“ ist offenbar wichtiger als Anti-Diskriminierung

Die Bundesregierung behauptet, dass „[…] weitere Maßnahmen bei Bedarf“ ergriffen werden sollen. Wenn das der Fall sein sollte, dann wäre man in Deutschland damit beschäftigt, überall Anti-Diskriminerungsstellen zu errichten, Mitbürger über ihre Rechte aufzuklären und sie zu ermutigen, das Recht auf Gleichberechtigung einzuklagen. Ein Zustand, dereindeutig sehr fern von der Realität liegt. Ganz im Gegenteil: Die Befürchtung, dass Menschen ihre Rechte einklagen, ist sehr präsent und wird auch eindeutig kommuniziert.

In Deutschland wird an Anti-Diskriminierungsmaßnahmen nur so viel umgesetzt, wie nötig ist,um die von der EU aufgezwungenen Vorgaben zu befriedigen; also nur das Minimum tun und so wenig wie möglich negativ auffallen. Eine angemessene Bemühung, Diskriminierung auf dem Niveau zu verhindern, wie dies dem Ausmaß der tatsächlich vorhandenen Diskriminierung in Deutschland entsprechend der Fall sein müsste, ist nicht zu erkennen. Die Realität ist, dass Deutschland auch international einen sehr schlechten Ruf in Hinsicht auf Rassismus und Diskriminierung hat. Täuschungsmanöver in dieser Hinsicht werden weiterhin wenig helfen. Wenn der Status quo und somit auch das Ansehen Deutschlands in dieser Hinsicht verbessert werden sollen, muss da schon sehr viel mehr gemacht werden.

Auf die Frage, ob die Bundesregierung den im AGG verankerten Diskriminierungsschutz (beispielweise durch Einführung des Verbandklagerechts, Stärkung des Rechtsschutzes) zu erweitern gedenkt, antwortet die Bundesregierung, dass sie der Auffassung ist, „dass mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das der Umsetzung entsprechender europäischer Vorgaben dient, ein wirksames Rechtsinstrument […], um Benachteiligungen aufgrund der geschützten Merkmale zu verhindern oder zu beseitigen“, geschaffen worden sei und dass die „Notwendigkeit für weitere gesetzgeberische Maßnahmen“ ihrer Auffassung nach darüber hinaus nicht gegeben sei.

Das AGG ist isoliert und alleine für sich im jetzigen Zustandnatürlich kein wirksames Rechtsinstrument, um Benachteiligungen aufgrund der geschützten Merkmale zu verhindern oder zu beseitigen. In Anbetracht des tatsächlich vorherrschenden politischen Klimas, in dem es entstanden ist, ist das AGG verständlicherweise so eingerichtet, dass es nur minimalen Schutz bietet und sehr limitiert einsetzbar ist;z.B. im Arbeitsverhältnis (siehe §2).

Kurze Fristen, hohe Kosten

Auch die Beschwerdefrist ist z.B. unangemessen: „Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen.“ Ein Anspruch aber muss „innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart.“ (§15, Absatz 1 und 4) Sogar in den USA, wo die Interessender Arbeitgeber bekanntlich mehr Gewicht haben als die der Arbeitnehmer, ist diese Frist generell 180-300 Kalendertage. Zwei Monate ist ein sehr unangemessener Zeitraum, um eine mögliche Diskriminierung zu verarbeiten und eine Beschwerde einzulegen.

Anders als z.B. in den USA ist in Deutschland eine Beschwerde, wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, mit Kosten verbunden. In den USA gibt es sehr viele Möglichkeiten, eine Beschwerde einzulegen, mit der Sicherheit, dass für die Person, die wegen Diskriminierung Klage erhebt, keine finanzielle Benachteiligung entstehen muss.

Es soll hier noch erwähnt werden, dass auch bei einer erfolgreichen Klage die Schadensersatzaussichten in Deutschland sehr niedrig sind. Die offizielle Ausrede dafür ist, dass es hier nicht um hohe Erträge, sondern um Beseitigung von Diskriminierung und Unrecht gehen soll. Das eine schließt das andere aber nicht aus, ganz im Gegenteil. Der Diskriminierende sollte durch höhere Summen entmutig werden, zu diskriminieren und potenziell diskriminierte Menschen sollten ermutigt werden, ihre Rechte einzuklagen.

Klagen lohnt sich meist nicht

Diskriminierung ist oft sehr schwierig zu beweisen, besonders wenn sie auf dem Arbeitsmarkt stattgefunden hat. Deshalb werden in Deutschland Menschen, die sich diskriminiert fühlen, vorher entscheiden müssen ob es sich „lohnt“, eine Beschwerde einzulegen und es eventuell zu einer Gerichtsverhandlung kommen lassen. Denn wenn, wie so oft, Diskriminierung nicht bewiesen werden kann (obwohl sie stattgefunden haben könnte), wird ihre Beschwerde ein „teurer Spaß“ für sie werden.

Ohne passende Finanzierung für begleitende Maßnahmen wie z.B. in den USA, wird das AGG auch in Zukunft nur ein minimaler Schritt in die richtige Richtung bleiben. Die Tatsache, dass sogar das AGG kein freiwilliger Schritt für Deutschland gewesen ist, sollte eigentlich einen Hinweis darauf geben, wie ernst man es mit der Absicht, Diskriminierung vorzubeugen und zu vermindern, in Deutschland tatsächlich meint.

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Die Verfasserin ist geborene Fürtherin. Sie hat ein Abitur vom Dürer-Gymnasium in Nürnberg; einen Bachelor in Allgemeine Geisteswissenschaften und einen Master in Öffentliche Verwaltung vom Western Michigan University. Sie ist im Jahre 1998 in die USA ausgewandert und lebt seit 2011 wieder in Deutschland. Sie sitzt im Vorstand der internationalen gesellschaft für diversity management (idm). Sie hat ihr eigenes Blog (http://diversitygermany.blogspot.de/) wo sie Artikel über Diversity, Anti-Diskriminierung, Chancengleicheit und ähnliche Themen veröffentlicht.

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