„Das Problem an Zitaten aus dem Internet ist es, dass niemand sagen kann, ob sie authentisch sind.“ (Abraham Lincoln)
Antiislamische Märchenstunde über Atatürk
Die Türkei trauerte vor wenigen Tagen um ihren Republikgründer und ersten Staatspräsidenten Mustafa Kemal, genannt „Atatürk”, Vater der Türken. Zum 75. Mal jährte sich jener Tag, an dem der große Feldherr und Staatsmann verstarb. Um fünf nach neun starb Mustafa Kemal 1938 im Istanbuler Dolmabahçe-Palast. So ist es zum Brauch geworden, dass jedes Jahr am 10. November um neun Uhr fünf das Leben in der Türkei für einige Minuten ruht. Das monumentale Mausoleum, genannt „Anıtkabir”, in Ankara wird nicht nur an diesem Tag von Millionen Menschen besucht. Die gesamte Leitung des Staates, Parlamentarier, Beamte, Vertreter der Zivilgesellschaft und das Volk haben sich auch in diesem Jahr wieder vor dem Gründer der modernen Türkei verneigt und Kränze niedergelegt.
Atatürk, der 1881 in der damals osmanischen, heute griechischen Küstenstadt Saloniki auf die Welt kam, wird in der Türkei nicht zuletzt deshalb verehrt, weil er die feindlichen Besatzer aus Anatolien vertrieb. Nach dem Zerfall des Osmanischen Großreichs blieb den Türken damals nur noch Kleinasien. Und auch dieses Land sollte nach dem Ersten Weltkrieg durch die alliierten Mächte besetzt und aufgeteilt werden. Mit und unter der Leitung von Mustafa Kemal wurden die Invasoren, zunächst Briten, Australier, Neuseeländer, Franzosen und später Griechen, Italiener und andere Staaten jedoch vernichtend geschlagen. Sogar seine größten Feinde, u.a. der britische Premierminister David Lloyd George und Winston Churchill, der Erste Lord der Admiralität, der auch später Innen-, Finanz- und Premierminister wurde, hatten größten Respekt vor dem grandiosen Kriegsstrategen Mustafa Kemal. Daher verkörpert Kemal auch heute noch den Stolz und die Würde der heutigen Republik und des türkischen Volkes.
Als Kemal 1923 die Republik ausrief und dessen Führung übernahm, reformierte er den Staat grundlegend. Dafür wurde und wird er noch heute, 75 Jahre nach seinem Tod, von manchen Seiten kritisiert. Andere benutzen seine Ideen und verstecken sich hinter ihm, um politisch Kapital zu schlagen. Wieder andere unterstellen ihm, dass er ein Feind des Islam gewesen sei und in der Religion den Hauptgrund für die ursprüngliche Rückständigkeit des zu Grunde gehenden Osmanischen Reiches gesehen habe. So schreibt etwa Florian Stark in seinem Artikel „Der Islam ist ein verwesender Kadaver“ vom 10. November 2013 auf Welt-Online: „Kemal wurde 1923 erster Präsident der neuen türkischen Republik. Sein Credo würde heute in der islamischen Welt zu gewalttätigen Ausschreitungen führen.“ Er schreibt ihm den Satz zu: „Der Islam gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Diese Gotteslehre eines unmoralischen Beduinen ist ein verwesender Kadaver, der unser Leben vergiftet.“
Dieser zutiefst diffamierende und böswillige Titel, der dem Gründer der türkischen Republik dort in den Mund gelegt wird, entbehrt jeglicher Grundlage. Das verwendete Zitat beleidigt nicht nur die türkischstämmigen Menschen in Deutschland, sondern auch in der Türkei. Gleichfalls entwürdigt dieser haltlose Artikel auch die Muslime in Deutschland und der Welt.
Denn es lässt es nirgends belegen, dass der ehrwürdige Republikgründer der Türkei, Gazi Mustafa Kemal, jemals solch abfällige Worte über die Weltreligion Islam zum Ausdruck gebracht hat. Im Gegenteil: In einer Rede vor der türkischen Nationalversammlung unterstrich er 1922 die außerordentliche Bedeutung der Religion. „Die Religion ist ein unverzichtbares und notwendiges Element. Die Nationen können ohne sie nicht überleben“. Über den Islam sagte er ferner: „Unsere Religion ist diejenige, die unserem Geist am zuträglichsten und am natürlichsten ist. Nur aus diesem Grund wurde sie zur letzten der Religionen“.
Während seines Besuchs in der westtürkischen Stadt Balıkesir am 6. und 7. Februar 1923, wo Mustafa Kemal mehrere Moscheen besuchte und auch Predigten hielt, wurde er noch konkreter. In der Zagosa Pascha Moschee predigte er wie folgt: „Allah ist ein Einziger. Seine Würde ist unermesslich. Unser ehrwürdiger Prophet wurde von Allah gesandt und beauftragt, die religiösen Wahrheiten zu verkünden. […] Unsere Religion ist die vollkommene Religion. Die Grundlage unserer Religion bilden die im segensreichen Koran offenbarten, leicht verständlichen und unveränderlichen Regeln.“
Deutlicher kann die Identifikation und Sympathie mit dem Islam kaum ausgesprochen werden. Die teils sehr informativen Artikel, besonders die Berichte über die Türkei von Herrn Boris Kálnoky, in der „Welt“ sind durchaus beachtlich und lesenswert. Die Berichterstattung der Zeitung lässt jedoch immer deutlicher islamkritische, – um nicht zu sagen islamfeindliche – Züge erkennen.
Ob dies dem interkulturellen- sowie interreligiösen Dialog und damit dem gesellschaftlichen Frieden in unserer Gesellschaft dient oder diesen eher trübt? Darüber könnten sich die verantwortlichen Redakteure, allen voran Welt-Chefredakteur Jan-Eric Peters tief greifende Gedanken machen.