Von Marco Buschmann*
Gleichheit vor dem Gesetz ist etwas Gutes. Auch soziale Gleichheit muss in dem Maße gewahrt sein, dass niemand Not um die Existenz leiden darf. Ansonsten sind die Menschen höchst unterschiedlich und das ist auch gut so: Sie haben unterschiedliche Vorstellungen vom Leben oder über Glauben und Religion. Sie besitzen ganz verschiedene Talente und Vorlieben. Manche wollen lieber reich werden an Geld, andere lieber reich an Gedanken und manche auch beides. Ach ja – – und manchmal kommen die Menschen oder ihre Eltern aus den unterschiedlichsten Teilen der Erde.
Immer dann, wenn Politik diese Vielfalt beseitigen möchte, zeigt sich das hässliche Gesicht der Gleichheit: Eine wahrhaft abscheuliche Fratze zieht das politische Gesicht der Gleichheit etwa dann, wenn Menschen aussortiert oder vertrieben werden sollen, weil sie nicht gleich sind wie die vermeintliche Mehrheit – z.B. wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihrem Aussehen.
Diese abscheuliche Fratze zeigte sich etwa in dem Brief der NPD an deutsche Staatsbürger mit sogenanntem Migrationshintergrund. Diese sollten, so das hassgetränkte Schreiben, sich nicht an Wahlen beteiligen – wie sie in Deutschland am Sonntag anstehen – und am besten auswandern. Ein „besorgter Deutschtürke“ formulierte die einzig richtige Antwort auf diese Aufforderung und sprach zu Recht von „Idioten“, die so etwas schreiben.
Dieser sogenannte „Migrant“ hat sich damit als deutscher erwiesen als jeder einzelne der braunen Hassprediger, die an das Gleichheitsideal blond-blauäugiger Einfalt glauben. Denn was unsere Gesellschaft lebenswert und erfolgreich macht, ist die Vielfalt. Und gerade die guten Seiten der deutschen Geschichte zeigen uns, dass es häufig die Vielfalt durch Einwanderung war, die unserem Land gut getan hat.
Der Aufstieg des vom Dreißigjährigen Krieg gebeutelten Brandenburg-Preußen wäre nie möglich gewesen, wenn sich der große Kurfürst Friedrich Wilhelm nicht gezielt um Einwanderer bemüht hätte – etwa der in Österreich unterdrückten Juden oder der in Frankreich verfolgten Hugenotten, die er mit dem Toleranzedikt von Potsdam umwarb. So stieg die Einwohnerzahl Berlins um ein Drittel an und die Einwanderer bereicherten die brandenburgische Einöde kulturell, wissenschaftlich und wirtschaftlich enorm. Dieser Fortschritt durch Vielfalt führte zum Ausspruch Friedrichs des Großen, dass – solange er dem Gesetz gehorche – jeder nach seiner Facon selig werden solle – und zwar unabhängig davon, woran er glaubt oder wo er herkommt.
In dieser Tradition der Toleranz steht die FDP. Toleranz ist für uns keine Spielart des Mitleids. Wir erkennen im Anderssein oder der Vielfalt keine Schwäche, die unserer mildtätigen Hilfe bedarf. Vielfalt macht Gesellschaften lebenswerter und erfolgreicher. Davon sind wir überzeugt. Wir erkennen vielmehr in jedem Menschen wertvolle Potentiale und Talente, die Fortschritt für alle ermöglichen. Und genau diese Überzeugung durchdringt das neue Wahlprogramm der FDP:
„Für ein modernes, offenes Deutschland muss gelten: Es kommt nicht darauf an, woher Du kommst. Es kommt darauf an, wohin Du willst. Egal woher ein Mensch kommt, welchen Hintergrund er hat: Er kann unsere Gesellschaft bereichern – in der Wirtschaft, in der Kultur, im Sport, im öffentlichen Leben. Und er hat ein Recht auf Teilhabe an dieser Gesellschaft“, heißt es da im Kapitel Vielfalt gleich zu Beginn.
Es bleibt aber nicht nur bei diesem Bekenntnis. Ihm folgen klare politische Forderungen:
- Wir wollen ein Einwanderungsrecht, das Fachkräften aus aller Welt eine Chance auf Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gibt.
- Wir wollen eine Möglichkeit zur beschleunigten Einbürgerung nach vier Jahren, die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft und das kommunale Wahlrecht.
- Wir wollen gezielt fachlich geeignetes Personal mit Migrationshintergrund für den öffentlichen Dienst gewinnen.
- Wir setzen uns dafür ein, dass die Visa-Vergabe großzügiger und flexibler gehandhabt wird. Auch sollten sich dabei Ausländerbehörden und Botschaften nicht als Abwehrbehörden verstehen, sondern das weltoffene Deutschland in der Welt repräsentieren, das wir sind.
- Muslime gehören zur deutschen Gesellschaft. Das muss sich auch im Schulunterricht widerspiegeln. Dazu gehört der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht in deutscher Sprache. Dazu setzen wir uns für die vermehrte Einrichtung von Lehrstühlen für islamische Theologie an deutschen Hochschulen zur Ausbildung von deutschsprachigen Imamen und muslimischen Religionslehrern ein.
So sieht unsere Vorstellung von einer Politik mit Kompetenz in Vielfalt aus. Wir sind uns dabei bewusst, dass wir als liberale Partei dieses Themenfeld in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt haben. Umso größer wurde in den letzten Jahren unser Engagement für eine Gesellschaft in Vielfalt. Wir knüpfen nun wieder an die große Tradition von Liselotte Funcke an. Genau zu einer solchen Politik ist eine liberale Partei berufen. Denn sie setzt der gefährlichen Gleichmacherei den Wert der Freiheit entgegen – und das bedeutet immer, dass jeder einzelne anders sein darf und wir alle daher Teil einer Gesellschaft in Vielfalt sind.
__________________________________________________
* Der Autor ist Geschäftsführer der Freien Demokratischen Partei
für Politik, Kommunikation und Kampagne / Rechtsanwalt
Unsere Bundestagskandidaten zu den Programmen ihrer Parteien, mit Bezug zum Brief vom „besorgten Deutschtürken“:
Sebastian Edathy (SPD): „Rassistisches Denken ist nicht auf die NPD beschränkt“
Haluk Yildiz (BIG): „Zeichen setzen gegen Fehlbesetzungen wie Friedrich und Gauck“