„Nun, es ist merkwürdig, aber von einem Ereignis, das gut abläuft, und von Tagen, die man angenehm verbringt, ist rasch berichtet, und da gibt’s auch nicht viel drüber zu hören. Indessen lässt sich über unbequeme und aufregende, ja sogar schreckliche Ereignisse eine gute Geschichte erzählen, jedenfalls ist eine Menge drüber zu sagen (Der kleine Hobbit, J.R.R. Tolkien).“

Der Vater der modernen Fantasy und Autor sagenhafter Werke hat sich diesen Satz zur Richtlinie gemacht und damit unzählige Erfolge erzielt. Und in der Tat ist die Tatsache, dass negative Meldungen mit ihrer Intensität an Aufmerksamkeit gewinnen, allgegenwärtig. Positive Ereignisse erfreuen sich dagegen im Allgemeinen keiner allzu großen Aufmerksamkeit, sofern es sich dabei nicht um Themen aus Sport oder Technologie handelt, was quasi die Medienvariante von Tolkiens Aussage darstellt.

Nun gibt es aber auch das Phänomen, über positive Ereignisse zu berichten und dennoch oder gerade deswegen die Leserschaft anzuziehen. Das sei auch das Ziel, denn im Folgenden geht es um eine kleine Stadt im Ruhrgebiet namens Schwerte, die es sich zusammen mit ihren BürgerInnen zur Aufgabe gemacht hat, Gemeinsamkeiten zu finden. Es ist ein Ort, von dem die meisten unter den Lesern wahrscheinlich noch nie etwas gehört haben, aber das hindert hoffentlich niemanden daran, diesen Artikel zu lesen. Es sei denn, Sie haben Ihre Angst über das Unbekannte noch nicht überwinden können. Aber hat nicht selbst Tolkien gerne und auf seine Weise aufregend über Orte geschrieben, die niemand vorher kannte…

 

© DIB – Die Integrationsblogger

Da die Stadt, die etwa 50.000 Einwohner und davon ca. 4.000 mehrheitlich türkische Migranten beherbergt, in Zusammenarbeit mit diversen Institutionen aber viel zu viele Projekte zur Integration durchgeführt hat, soll hier nur ein einziges näher vorgestellt werden, nämlich das Projekt „Wer ist mein Nachbar?“.

Dabei ist der Name eigentlich schon recht vielsagend. Es sollten Menschen von beiden ‚Seiten‘ gemeinsam an einen Tisch und sich über Kultur und Religion austauschen. Menschen, die sich ansonsten tagtäglich sehen, aber dennoch einander wie einsame, kalte Eisschollen aus dem Weg gehen würden, haben zueinander gefunden und miteinander unbekümmert geredet. Menschen, die ansonsten eher wie massive, gigantische Eisschollen gegeneinanderprallen würden, haben hier die Möglichkeit gefunden, ihre Sorgen unbekümmert auszudrücken und vielleicht sogar Gemeinsamkeiten zu finden. Zudem wurden nur BürgerInnen der Stadt eingeladen, sodass man sich ganz seiner eigenen „Nachbarschaft“ widmen konnte.

Und wo fand das Ganze statt? Natürlich unter der Schirmherrschaft des stellvertretenden Bürgermeisters im Bürgersaal, wo seit vier Jahren der Bürgermeister jährlich zum gemeinsamen Fastenbrechen einlädt.

An dem Projekt waren die Stadt Schwerte mit ihrem Integrationsrat, das Schwerter Schichtwesen (eine Organisation, die nach einer besseren Nachbarschaft trachtet), die Prisma Bildungsplattform und der Presbyter der Stadt beteiligt. Dabei wurde den Gästen anfangs ein Film gezeigt und anschließend 20 kulturtypische Bilder verteilt, die sie in Achtergruppen nach eigenem Belieben kategorisieren sollten. Viele haben sie nach dem Muster deutsch-türkisch zugeordnet, wobei es auch einige höchst Kreative Variationen gab. Anschließend wurden die Bilder nach einem jeweils kurzen Vortrag der Referenten in der Runde diskutiert.

Bei den Gesprächsthemen haben wir uns nicht immer an einer genauen Gegenüberstellung orientiert, denn gerade dies zeigt die Vielfalt der zwei Kulturen.

Darüber hinaus gab es aber auch keine negative Kritik, was uns recht positiv gestimmt hat, denn am Ende haben die meisten Punkte auf unserem Flip-Chart den Daumen nach oben gewiesen. Nur haben der Herr Pfarrer und ich uns ein wenig in langen Ausführungen verfangen, weshalb eine Person unter den Gästen am Ende, es war meine Lehrerin, zu Recht bemerkt hat, dass die Diskussion unter „den Nachbarn“ etwas zu kurz gekommen sei.

Das Ganze wurde obendrein durch das Angebot verschiedener türkischer Leckereien abgerundet, weil wir uns dachten, dass so eine Veranstaltung ohne Cay (türkisch für Schwarzer Tee) unvollkommen wäre…

Für das nächste Mal können wir uns als Organisatoren jedenfalls viel mitnehmen. Die Idee, mit den Bildern kam beispielsweise super an, da die Beteiligten, die mit völlig unbekannten Personen an einem Tisch sitzen mussten (es wurde nämlich beim Eingang ausgelost…), auf diese Weise von Anfang an sehr gut miteinander kommunizieren konnten. Außerdem konnte man so mal aus seiner gewohnten Umgebung heraus, um Neuland zu erkunden. Der „Nachbarschaft“ hat dies jedenfalls merklich gut getan und überdies wurde man Zeuge einiger exemplarischer Aha-Erlebnisse, insbesondere nachdem Themen wie die türkische Hochzeit oder die Taufe angesprochen worden sind.

Die Tatsache, dass auch einiges aus der ein- oder anderen Kultur kritisiert und diskutiert wurde, hat uns ebenfalls sehr froh gestimmt. Es sollte letztlich auch keine Plauderstunde samt Kaffe und Kuchen sein, in der jedermann seine Befürchtungen und seinen Ärger für sich zu behalten hätte. Vielmehr wurden Probleme so auf friedlichem Wege und mit Achtung des gegenseitigen Respektes analysiert und aufgeschnürt.

Was uns aber letztlich doch betrübt hat, waren keineswegs die Anwesenden, sondern eher die fehlenden MitbürgerInnen, die überhaupt kein Interesse an etwaigen Projekten zeigen möchten (Beschäftigte sind natürlich ausgenommen). Wie es diese noch besser zu erreichen gilt, sei jedoch ein anderes Thema.

Bei dem Projekt ist mir in jedem Fall klar geworden, dass die Faktoren, welche das Beisammensein von Menschen verschiedener Kulturen maßgeblich stören, in erster Linie Unwissenheit und als nächstes Unbekümmertheit sind.

Was weiterhin deutlich wurde, ist die Tatsache, dass der interkulturelle Dialog viel spannender wirkt, wenn man ihn in „glänzenden Medien“ verpackt. So hat der Film gleich zu Anfang die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Kein Wunder, denn es waren auch einige geheime Schwerter Stars vorzufinden, die allesamt überzeugend ihre Meinung zum Thema Dialog dargelegt haben.

Es bleibt nun zu hoffen, dass dieser Text ihnen ein nützliches Konzept in Bezug auf mögliche Wege der Annäherung Menschen unterschiedlicher Kulturen geliefert hat und nebenbei der Film möglicherweise eine hilfreiche Inspirationsquelle darstellt

In Schwerte lässt sich nun jedenfalls ein Stück weit besser über Integration und kulturelle Vielfalt reden. Und die nächsten vielversprechenden Projekte und Veranstaltungen stehen Gerüchten zur Folge bereits an der Tür. Und es bleibt mein Traum, die Welt verzaubert unter dem Bann wahrer Tolkien-Wiedersacher wieder zu entdecken, eine friedlichere Welt bevölkert von Menschen, die fortan mehr über Positives zu berichten haben.

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Im Februar 1992 bin ich in Schwerte geboren. In meiner geliebten Stadt habe ich dieses Jahr mein Abitur am Ruhrtal-Gymnasium erhalten und seit einigen Jahren in einem Bildungsinstitut nebenher gearbeitet. Zum Bereich Integration und interkultureller Austausch habe ich bisher einige Veranstaltungen zum Thema (mit-)organisieren und veranstalten dürfen. Darüber hinaus interessiere ich mich insbesondere für Naturwissenschaften, Medizin und Philosophie sowie für Fremdsprachen und Kampfsport. Ab und zu geht’s dann ins Ausland, wobei ein Besuch in Istanbul einmal im Jahr quasi Pflicht ist.. Momentan studiere ich Molekulare Medizin in Göttingen und erhoffe mir für die Zukunft, zahlreiche Bücher und Aritkel zu schreiben und mich nach der Auffassung des Dichters Yunus Emre* ganz der Lehre und dem Studium zu verschreiben (von meiner Vermählung mit der hübschen 'Georgia Augusta' einmal abgesehen..). * Wissen ist die Aneignung von 'Ilm'. 'Ilm' ist die Kenntnis seiner selbst. Wenn du dich letztlich nicht näher kennenlernst, Ja, wieso studierst du dann noch?

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