Bildquelle: „Istanbul.Sultanahmet.BlueMosque.Ramazan.02“ von Cem Topçu – selbst gemacht / own work. Lizenziert unter CC BY 2.5 über Wikimedia Commons.

Es ist wie ein Sprung ins kalte Wasser. Zuerst  scheut man sich davor, doch dann  gewöhnt sich der Körper  schnell daran. 17 Stunden Fasten, hungern bis ca 21 Uhr. Eigentlich kann man es nicht mal Hungern nennen, denn es ist ein Phänomen. Der Körper bekommt nichts zu Essen und zu Trinken und hält es besser aus, als wenn er um 8 Uhr gefrühstückt hat und um die Mittagszeit schon eine Hungerkrise bekommt. Das Fasten porträtiert die Anteilnahme bzw. sich in das Hineinversetzen in Menschen, ganz aktuell Somalia, die Hunger erleiden. Damit ist es nicht getan, doch honorig sind das Hungern im Fastenmonat sowie die Verteilung von „Fitre“ (Almosen).

Meist kommt die Frage: „WAAAS und ihr dürft auch nicht trinken??“. Ja, ohne Trinken, ohne Nasentropfen, ohne Injektion, ohne Medikamente, all das bricht nämlich das Fasten ab. Warum heißt es eigentlich „FASTENBRECHEN“, wenn am Abend die Zeit reif ist und wieder gegessen werden darf. Im islamischen Sprachgebrauch gibt es das „IFTAR“, im Türkischen sogar „IFTAR acmak“ = Iftar eröffnen, soll ungefähr heißen: „das Buffet ist eröffnet“.

Das Fasten wird gebrochen, wenn das Licht aus geht

Wenn die Straßenlaternen in Berlin angehen, ist es so weit mit dem Fastenbrechen. Wenn ich gerade keine Uhr bei mir habe oder keinen (Imsakiye) Fastenkalender oder einfach die genaue Uhrzeit des Fastenbrechens für den Abend nicht kenne, kann ich mich auf die Straßenlaternen verlassen. Diese gehen nämlich genau zur Abenddämmerung an.

Am liebsten eröffne ich meinen Iftar mit dem Cift-Athan, dies ist ein Gebetsruf im Duoformat, den ich  aus dem YouTube heruntergeladen hatte.

Manche Gelehrte sagen jedoch: „Den Athan aus dem Rekorder, Laptop etc. zu hören, gilt nicht als Eröffnung für den Iftar. Entweder Live von der Minarette in der Stadt hören oder jemand zuhause muss den Athan-Ruf übernehmen.“ ((Halil Günenç, Günümüz Mes`elelerine Fetvâlar)) Dies hat meiner Meinung nach Sinn, denn dadurch wird die Obsolenz eines Müezzins (Gebetsrufers) verhindert.

Am 1. Tag des Ramadan habe ich das Iftar-Essen mit der gesamten Familie verbracht. Meine 9-jährige Nichte fastete sogar, natürlich freiwillig. Ich konnte es nicht fassen, sie hat es tatsächlich bis 21:07 Uhr geschafft durchzuhalten. Dabei haben wir ihr zwischendurch angeboten, es abzubrechen weil sie noch ein Kind ist und dass wir in der Hinsicht nicht penibel sind. Sie ging zur Nachbarstochter und spielte dort. „Spielen ist die ernsthafteste Tätigkeit von Kindern“, dabei mögen sie es nicht gestört zu werden. Als es dann so weit war, alle am Tisch saßen, haben wir sie für ihr Durchhaltevermögen applaudiert und ihr nochmal die Gewissheit gegeben, dass sie am nächsten Tag nicht auch noch fasten muss. Nach fünf Min. wurde sie nicht nur satt, sondern wollte sich hinlegen. Das war ihr dann doch zu viel, nicht mal den Nachtisch, eine Himbeer-Torte, die ich extra für sie gemacht hatte, konnte sie abwarten. Vielleicht wollte sie ihrem Bekenntnis mit ihrem Fasten Ausdruck verleihen oder es ist ein typisches Verhalten von „Lernen am Modell“  von Albert Bandura. Kinder machen viel nach (Imitationslernen), vor allem nehmen sie bis zu ihrem 12. Lebensjahr die Familienangehörigen als Vorbild. Es war höchst spekulativ, dass sie es durchhält, doch das Resultat beantwortete die Zumutbarkeit eines solchen Gebotes an mündige erwachsene Menschen – kinderleicht sozusagen.

Nun ist der theologische Rahmen für das Fasten der Koran. Darin gibt es mehrere Verse, die das Fasten für Pflicht erklären. Diese sind:

(Esst und trinkt, doch verrichtet die Formen der Anbetung, die euch helfen, eure Seele im Zaum zu halten wie das Fasten.) Und verschlingt nicht euren Besitz untereinander auf falsche Art (durch Nichtigkeiten, Sünden und Verbrechen wie Diebstahl, unberechtigte Aneignung, Bestechung, Wucher und Glücksspiel), und bietet ihn nicht den Herrschenden an, um dadurch einen Teil vom Besitz anderer Menschen auf sündige Weise zu verschlingen, und das wissentlich. (Sure 2, Vers 188)[1]

„O ihr, die ihr glaubt! Das Fasten ist euch vorgeschrieben, so wie es denen vorgeschrieben war, die vor euch waren, damit ihr Gottes Schutz (vor der Versuchung durch körperliche Begierden) verdient und Gottesfürchtigkeit erlangt.“  (Sure 2, Vers 183)[2]

Was aber allgemein gilt ist folgender Vers, wenn es um das Essen geht:

„O ihr Kinder Adams! Zieht euch für jede gottesdienstliche Handlung sauber und schön an; und (ohne Dinge, die Gott euch erlaubt hat, für unerlaubt zu erklären) esst und trinkt, doch seid nicht verschwenderisch (indem ihr euch überesst oder etwas auf unnötige Weise zu euch nehmt), denn Er liebt wahrlich nicht die Verschwenderischen. (Sura 7/31). [3]

Hier ist u.a. der Verweis auf den üppigen Lebensmitteleinkauf, der vermieden werden soll. Alles, was übrig bleibt oder auch vom Magen im Überfluss absorbiert wird, ist per se Verschwendung.

Die Hermeneutik des Fastens ist allumfassend, denn die Pflicht beruht zwar in dem Monat Ramadan, doch findet sie auch viel Anwendung in den restlichen Monaten. Der Prophet Muhammad (sav) hat z.B. in der Woche an zwei Tagen gefastet, diese waren immer montags und donnerstags. Das Fasten gehört  mitunter auch zu einer modernen gesunden Art zu leben. Die Enthaltsamkeit, die nicht nur gottgewollt, sondern auch menschengewollt sein kann, wie es die Fastendiäten zeigen. Hierbei soll beispielsweise  der Magen seine Rast vor bestimmten Lebensmitteln aber auch Alkaloiden wie Coffein, Teein und Nikotin bekommen. Eine Reinigung, die bspw. 1 Woche dauert und den Körper entgiften soll.  und auch gibt es verschiedenste Arten vom Fasten, die sich in Fastendiäten finden.

Dass das Fasten nicht nur zum Islam gehört, dürfte klar sein. Im Christentum sowie im Judentum gibt es folgende Fastengebote: Die Apostelgeschichte berichtet von Gläubigen, die fasten bevor sie Entscheidungen trafen (Apg. 13:4; 14:23). Fasten und Gebet sind oft miteinander verknüpft (Lukas 2:37; 5:33). Jom Kippur ist der große Versöhnungs- und Fastentag im Judentum. An diesem Tag darf weder gegessen, getrunken noch geraucht werden. Man wäscht sich nicht, ist enthaltsam und geht nicht zur Arbeit, alle zuvor begangenen Sünden sollen an diesem Tag gesühnt werden

Im Wesentlichen war  das Herab senden der Fastenpflicht eine Sternstunde für die Sklaven. In der Großen Fastenzeit wurden Sklaven oft in die Freiheit entlassen oder von der Arbeit befreit (Tertullian).

Es gibt eine weit verbreitete  Überlieferung, dass ein unentschuldigtes Abbrechen oder gar die Versäumnis des Fastens, die nicht an den Koranklauseln festzumachen sind, mit 61 Tagen Nachfasten bestraft wird. Im Koran gibt es jedoch das 2-monate hintereinander Fasten für diejenigen, die jemanden versehentlich getötet haben, dafür ein Wergeld an die Angehörigen zahlen und zusätzlich einen Sklaven befreien sollen, bei Ausfall des letzteren gilt es als Ersatzpflicht 2 Monate hintereinander zu fasten (Sure 4, Vers 92, Koran).

Diejenigen, die körperlich im Stande sind zu fasten und es dennoch nicht tun, müssen ersatzweise einen Armen speisen und diejenigen, die krank oder auf Reise sind, gilt das Gleiche (Sure 2, Verse 183-187, Koran).

Bei Sichtung des Halbmondes mit dem Fasten beginnen und bei der nächsten Sichtung des Halbmondes – genannt auch Neumond, Sichel – die Fastenzeit beenden (Hadith (Buhari, Savm: 11; Müslim, Sıyâm: 9; Muvatta, Sıyâm: 1; Ebu Dâvud, Savm: 4); Nesâi, Savm : 10, 11). In der Regel feiern wir Muslime nach 29-30 Tagen den Abschluss des Ramadan und dieser wird dieses Jahr hoffentlich am gleichen Tag für alle Muslime der Welt sein. Die Differenzen um einen Tag bei Beginn und auch bei Beenden des Fastens entstehen aufgrund der Präferenz die Mondsichel selbst zu sichten oder sich auf Kalenderberechnungen von Astronomen zu verlassen. Dabei gibt es auch die Divergenz, ob sich nach Vorgeburt der Mondsichel oder nach Erscheinen der Mondsichel gerichtet wird.

Im Fall der Fälle, wie z.B. wenn eine Wolke die Sicht des Halbmondes zum Schluss des Ramadans hindert, sind 30 Tage zu fasten (Ebu Dâvud, Savm: 6).

Ich wünsche allen einen segenreichen, friedlichen und vor allem köstlichen Ramadan und hoffe, dass wir bei all der Heterogenität und innermuslimischen Diskussion einen gemeinsamen Nenner, wenigstens bezüglich der Ramadanabschlussfeier finden.


[1] Der Koran und seine Übersetzung mit Kommentar und Anmerkungen, 2009 , Istanbul, Ali Ünal

[2] Ebd.

[3] Der Koran und seine Übersetzung mit Kommentar und Anmerkungen, 2009 , Istanbul, Ali Ünal

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Geboren in Berlin, Deutsche mit türkischen Wurzeln, MA-Publizistin mit dem Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit, Erziehungswissenschaftlerin mit dem Nebenfach Psychologie (Abschluss 2010).

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