Allerdings ist immer noch nicht geklärt, warum ich vor dem Innenminister, den ich mit dem Nachkriegs-US-Senator McCarthy vergleiche, Angst haben sollte? Die Antwort ist leicht: Der sanfte Hauch vom Geist des gefürchteten Ex-US-Senators Joseph McCarthy der Nachkriegs-50ger ist kaum zu übersehen. Fast genauso enthusiastisch wie McCarthy kommunistische Spione in amerikanischen Staatsämtern befürchtete, Gesinnungstests einführte und in der Folge das Leben harmloser Linker zerstörte und sich in seinen antikommunistischen Wahn hineinsteigerte, ja sogar berühmte Persönlichkeiten ohne stichhaltige Beweise der Spionage verdächtigte, mindestens genauso enthusiastisch widmet sich unser Innenminister Friedrich der Vermeidung des „Religionskriegs“ auf Deutschem Boden hin.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte der Rheinischen Post, Deutschland werde sich “keine Religionskriege aufzwingen lassen”.1

Auszug aus dem Interview – Friedrich mit der Bildzeitung: „[…] wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten. Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben […]“.2

So sehr mir auch die Ideologie der Wahhabitischen-Salafisten zuwider ist, trotzdem muss ich ihnen fairerweise eingestehen, dass sie die deutsche Rechtsordnung weder angreifen, noch zu stürzen bemüht sind. Sie distanzieren sich von ihr, respektieren aber die gesetzlichen Normen, indem sie sie einhalten, ohne sie mitgestalten zu wollen. Ich betone: Sie haben zu keinem Augenblick den Anspruch erhoben, die vorherrschende Rechtsordnung mitgestalten zu wollen. Verfolgten sie ein solches Bestreben, würden sie nach ihrer eigenen Religionsauffassung in Unglauben verfallen. In diesem Fall kann man den Wahhabitischen-Salafisten vielleicht vorwerfen, nicht fortschrittlich zu denken. Das sie aber bestrebt seien, in Deutschland die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bekämpfen, hat mit der Lebenswirklichkeit der Wahhabitischen-Salafisten nichts zu tun. Sie mischen sich weder in die Politik ein, noch wollen sie darin teilhaben. So makaber das jetzt auch klingen mag, auch die Entscheidung, nicht partizipieren zu wollen, ist ein verfassungsmäßig geschütztes Grundrecht. Daraus abzuleiten, dass diese Gruppierung eine Bedrohung für die deutsche Demokratie sei, ist lächerlich.

Wieso unser Innenminister nun den Teufel heraufbeschwört, dass entzieht sich meiner kreativen Vorstellungskraft. Vielleicht scheint ihn wirklich derselbe Wahn gepackt zu haben, wie es vor über 60 Jahren den US-Senator gepackt hatte. Zwar geht er nicht gleichermaßen rigoros vor, wie McCarthy es mit potentiellen Kommunisten getan hat. Schließlich ist McCarthy mit seinen zweifelhaften Verhörtechniken in die Geschichte eingegangen. Aber auch im Vergleich zu McCarthy erscheint mir das Vorgehen des Innenminister Friedrichs nicht wirklich harmlos zu sein. Denn er stellt die Muslime unter Generalverdacht und reduziert den Islam auf Sicherheitsaspekte und begründet hieraus sämtliches Vorgehen. Freitag online schreibt berechtigterweise:

Anstatt, wie angekündigt, einen „Dialog auf Augenhöhe“ einzuleiten, legte Friedrich die Themen für den Präventionsgipfel alleine fest. So ging es in der Veranstaltung hauptsächlich um Präventionsarbeit in den Moscheegemeinden, islamistischen Extremismus, häusliche Gewalt, Geschlechtergerechtigkeit oder Antisemitismus. 3

Ich muss eingestehen, da hat sich das Innenministerium ein sehr interessantes Vorgehen ausgedacht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt eine „Beratungsstelle“ ein, die prophylaktisch gegen die Radikalisierung Vorkehrungen vornehmen soll. Zynisch müsste ich jetzt den Einwand erheben, ob eine solche Beratungsstelle auch für den „Rechtsextremismus“ eingerichtet wurde, aber nun gut. Der Präventionsgipfel gegen Extremismus stellt folgende Begründung für das Einführen einer solchen Beratungsstelle vor:

„[…] die Radikalisierung verlaufe meist sehr langsam und werde als erstes vom nahen Umkreis und den Familienangehörigen bemerkt. Diese würden ihre Freunde und Verwandten natürlich nicht direkt anzeigen wollen aber bräuchten Rat, Hilfe und Unterstützung“. 4

Eben diese Unterstützung soll nun das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übernehmen. Diesbezüglich muss ich sagen, schaffe ich es gerade noch, meinen Zynismus im Zaum zu halten. Was ist besser, der Spitzelbürger oder der Spitzelpräventionsschlag führender politischer Persönlichkeiten? Innerhalb eines solchen Präventionskonzepts hat sich zum Beispiel Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) schon so einigen Fauxpas geleistet. Sein kritisches Beäugen der Muslime ging soweit, dass er „zuletzt (…) für seine Abschiebepraxis eine weitere Rüge vom Bundesverfassungsgericht“ 5 bekommen habe, berichtet Migazin online und schreibt weiter: „Auch die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen an Freitagsgebeten mit polizeilichen Hundertmannschaften und Maschinengewehren hatte Schünemann eingestellt, nachdem der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages Verfassungswidrigkeit attestierte“. 6

Dem ganzen sind weitere auffällige Aussagen des Innenministers und seiner Parteifreunde hinzuzufügen. Nachfolgend fasse ich einige Berichte und Aussagen zusammen:

Nach den Auseinandersetzungen zwischen rechten Demonstranten und radikalen Muslimen in deutschen Städten verschärfen Innenpolitiker von Union und FDP den Ton gegen die Salafisten, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte der Rheinischen Post, Deutschland werde sich “keine Religionskriege aufzwingen lassen”. Ohne Frage hätten die Salafisten “eine ideologische Nähe” zum Terrornetzwerk Al-Kaida. “Sie haben das klare politische Ziel, unseren freiheitlich-demokratischen Staat zu zerstören“. 7

Wer aber kein deutscher Staatsbürger ist und hier nur sein krudes Gedankengut verbreiten will oder unseren Sozialstaat ausnutzen will, der muss ausgewiesen werden”, sagte Uhl der Bild-Zeitung. “Außerdem müssen wir bei denjenigen, die in der Vergangenheit eingebürgert wurden, den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft prüfen.“ (ebd)

Ähnlich äußerte sich auch der hessische Innenminister Jörg-Uwe Hahn (FDP). Eine wehrhafte Demokratie dürfe sich nicht scheuen, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. “Dazu gehören strafrechtliche Konsequenzen ebenso wie eine Abschiebung, ein Einreiseverbot oder das Verbot von Versammlungen”, sagte Hahn der Bild-Zeitung. (ebd)

Die Herausforderung, auf extremistische und radikale Bedrohungen zu reagieren, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Fraglich finden wir zudem das Menschenbild, das Herr Schünemann hier suggeriert. Er spricht davon, verhindern zu müssen, dass junge Menschen in die „Fänge einer Sekte geraten“. 8

Ich denke, es müsste jetzt nachvollziehbar sein, warum ich unseren Innenminister Friedrich in dieselbe Schublade packe wie den Nachkriegs-US-Senator Joseph McCarthy.

Von besorgten Freunden bekomme ich die Empfehlung, ein wenig zurückhaltender zu schreiben. Die Sorge rührt sicherlich daher, dass berechtigte Befürchtungen bestehen, dass ich dem Wahn einiger Politiker zum Opfer fallen könnte. So leid es mir tut, in diesem Kontext egozentrisch und zynisch klingen zu müssen, aber die Meinungsfreiheit werde auch ich mir nicht verbieten lassen!

Wie die obigen Beispiele gezeigt haben, ist es durchaus möglich, dass Muslime unbegründet verdächtigt, schikaniert oder gedemütigt werden können, bis sich die Verwaltungsgerichte der Sache annehmen werden. Deutschland hat in dieser Beziehung nämlich nicht einfach nur die Graswurzeldemokratie aus den Vereinigten Staaten gelernt und eingeführt, in regelmäßigen Abständen wendet die politische Praxis leider auch die dunklen Seiten ihrer Geschichte in Deutschland an. Allerdings vergisst unser Innenminister Friedrich, dass der Kalte Krieg zu Ende ist, die Welt nicht mehr in Blockstaaten unterteilt ist, und dass in den Ex-Blockfreien-Staaten lange genug die Stellvertreterkriege ausgetragen wurden. Wir haben es nicht mit einem „Religionskrieg“ zu tun, wir haben es mit einer Politik zu tun, die einfach nicht lernt, sich selbst zu erziehen.

Mit freundlichen Grüßen an alle vergangenen und zukünftigen McCarthy‘s in diesem Lande. Oder sollte ich lieber sagen: „Und täglich grüßt das Murmeltier“?

Hier geht es zum 1. Teil: Muslime zwischen Akzeptanz und Diffamierung

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1 Radikale Islamisten – Friedrich verschärft Ton gegen Salafiten

2 Schock Studie – Muslime verweigern Integration

3 Hans-Peter-Friedrich – Der erste Integrationsverweigerer im staat

4 Junge Muslime

5 Arbeitgeber sollen auffällige muslimische Mitarbeiter melden

6 Verdachtsunabhängige Moscheekontrollen werden eingestellt

7 Radikale Islamisten – Friedrich verschärft Ton gegen Salafiten

8 Schünemann will Islamkonferenz weiterhin instrumentalisieren

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Dipl. Hdl. Saara Welt ist gebürtige Badenerin. Sie ist deutsche Staatsbürgerin und hat türkischen Mig-rationshintergrund. Genauso wie ihre Geschwister ist sie in Deutschland auf die Welt gekommen. Die Stadt Karlsruhe empfinden alle ihre Familienmitglieder als ihre erlebte Heimat. Studiert hat sie eine Zeit lang in Heidelberg und anschließend in Mannheim. Ihren akademischen Abschluss hat sie im Fach Wirtschaftspädagogik mit Politikwissenschaften aus der Universität Mannheim. Bowling und Street Ball gehören zu ihren Lieblingsfreizeitaktivitäten, genauso wie das Walken. Außerdem fotogra-fiert und zeichnet sie gerne. Zum Entspannen und um vom Alltagsstress abzuschalten, hört sie nicht nur gerne Musik, sie analysiert die Songtexte und beschäftigt sich gerne mit klassischer Literatur.

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