Bildquelle: Thierry Caro | CC-BY-SA-4.0 | Zentrale des Charlie Hebdo

Die Terroranschläge auf Charlie Hebdo und den Koscher-Markt in Paris erfüllen die Welt mit Trauer. Das ist verständlich, denn was geschah, ist schockierend. Menschen wurden getötet. Das ist traurig und furchtbar. Auch für mich. Das mögen manche nicht glauben, denn ich bin Muslima. Aber, ja, ich trauere um die Opfer. Ich verurteile die Attentäter. Für mich kommen noch weitere Gefühle hinzu: Angst und Erschöpfung.

Nun geht es also schon wieder los. Die Hassparolen haben neues Futter bekommen. Die Menschen sind verunsichert. Die Muslime sind „alle mitschuldig”. Die Foren sind erfüllt von gehässigen Kommentaren wie „Nur ein toter Muslim ist ein guter Muslim“ oder „Das sind doch rückständige Barbaren“. Die Karikaturen, die das ausgelöst haben, werden zelebriert und ihr Inhalt vergöttert. Und somit haben es die Terroristen geschafft, den Hass zu schüren. Und die Welt macht mit, denn es geht ja um Pressefreiheit. Oder etwa nicht?

Die Menschen sehen

Dass Charlie Hebdo einen Mitarbeiter entlassen musste, weil dieser anti-semitische Zeichnungen angefertigt hatte, eröffnet ganz neue Sichtweisen zu. Aber lassen wir das. Ich will hier nicht noch mehr Hass schüren. Das schaffen die Terroristen sowie die PEGIDA-Anhänger schon allein. Ich habe nur eine Bitte:

Stellt diese Attentäter nicht allen Muslimen gleich. Sie vertreten mich nicht, und auch nicht meinen Glauben. Der Prophet wurde in seiner Zeit oft beschimpft und beleidigt, ohne dass er dafür Strafen verlangt hätte. Der Koran prophezeit, dass es Menschen geben wird, die schreckliche Dinge über uns verbreiten und ermahnt uns, geduldig und respektvoll zu reagieren. Dieser Terroranschlag spiegelt meinen Glauben nicht wider. Dennoch werde ich von vielen dafür verurteilt. Und ich frage mich, ob sich niemand fragt, was durch die Medienhysterie in den Köpfen vorgeht. Wenn dazu aufgerufen wird, „jetzt erst recht“ Islam-feindliche Zeichnungen in Massen zu verbreiten. Wenn Menschen in Foren uns den Tod wünschen. Wenn wir schreien können, so laut wir wollen, dass wir das alles ebenso schrecklich finden, und trotzdem dauernd gefragt werden: „Wo sind denn die friedlichen Muslime? Warum distanzieren sie sich nie von Anschlägen?“

Wirklich nur Karikaturen?

Ich denke dabei genauso an andere Zeichnungen. Zeichnungen, die in den 20er und 30er Jahren die deutsche Gesellschaft desensibilisierten und Judenhass zu etwas „Normalem“ machten. Zeichnungen, Hassparolen, Artikel und Berichte, die den Boden dafür bereiteten, dass eine ganze Bevölkerung wegschaute, als ihre jüdischen Mittbürger in Gettos verbannt und in Lagern getötet wurden. Es waren auch damals „nur Zeichnungen“. Und sie wurden auch damals als „Wahrheit“ propagiert.

Ich kann nur hoffen, dass Deutschland heute schlauer ist. Dass die meisten Deutschen immer noch in der Lage sind, uns als Menschen zu sehen, wenngleich die Medien uns zu Monstern machen. Wir sind Menschen. Es gibt unter uns Hitzköpfe, Idioten, Fanatiker und Kriminelle. Es gibt ebenso Intellektuelle, Hilfsbereite und Weltoffene. Es gibt Musiker, Ärzte, Nobelpreisträger, Automechaniker und Tierpfleger. Es gibt solche unter uns, die täglich beten, und solche, die das gar nicht tun. Und unter beiden Gruppen gibt es wiederum liebevolle Menschen, die friedlich mit ihren Nachbarn leben. Wir sind Menschen wie ihr. Mit Fehlern und Stärken. Mit Ängsten und Träumen. Wir sind nicht eure Feinde. Unser gemeinsamer Feind ist der Hass und die Angst vor allem, was uns heute noch fremd erscheint. Lasst uns aufeinander zu gehen. „Jetzt erst recht“. Lasst uns „jetzt erst recht“ Größe zeigen, indem wir als ein Volk einander mit Würde und Respekt begegnen. Dann haben sie alle verloren: Die Terroristen und auch die Hassprediger in den Camps überall in der Welt.

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Wurde 1978 als Mischlingskind einer deutschen Mutter und eines arabischen Vaters geboren. So lernte sie schon früh den Umgang mit unterschiedlichen Kulturen. Sie studierte Anglistik und Sprachwissenschaft und ist ausgebildete English-Lehrerin. In Dubai arbeitete sie als freiberufliche Journalistin und Drehbuchautorin. Heute ist sie Mutter, und schreibt ehrenamtlich für die deutschmuslimische Bildungsplattform, Grünebanane.de. Außerdem wirkte sie als Radiojournalistin für die Integrationskampagne „Perspektive Ausbildung“ mit, und unterrichtet einen Islamkurs für Nichtmuslime, dessen Ziel es ist Brücken zwischen den Kulturen zu bauen.

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