Integration bedeutet einander zuhören, verstehen und auf einander eingehen. Ohne diese Aspekte kann keine Integration erfolgen. Dieser Begriff wird von vielen leider missverstanden. Es bedeutet nicht, dass eine Person ihre Persönlichkeit aufgeben muss, sondern dass alle Seiten sich bemühen, ihr Leben als mit der Gesellschaft kompatibel zu gestalten, ohne Einschränkungen oder negative Auswirkungen sich selbst gegenüber hinnehmen zu müssen.
Russland 1992: Es herrschte immer noch Religionsfremdheit in dem so lange sozialistischen Land. Man durfte keine andere Sprache sprechen als Russisch. Überall im Lande wurde nur die slawische Sprache gesprochen. Nichts gegen die Sprache, doch leider wurde versucht, dadurch die anderen Sprachen auszurotten.
Leider ist vielen Tataren dadurch die eigene Sprache verloren gegangen. Die heutige Generation beherrscht oft ihre eigene Muttersprache nicht. Ich gehöre leider dazu. Das ist sehr schade und nicht besonders förderlich für die Bildung des Einzelnen.
Geheimes Feiern religiöser Feste zur Sowjetzeit
Die Menschen versuchten, dieser Situation zum Trotz ihre Traditionen zu erhalten, in dem sie sie in den eigenen 4 Wänden, soweit es geht, auslebten. Da die christlichen Bürger kein Weihnachten feiern durften, wurde das einfach auf Silvester verlegt. Der Silvesterbaum wurde spätestens am 31.12. aufgestellt. Man wollte offiziell das „neue Jahr“ begrüßen. Von wegen! Die meisten wissen gar nicht, was für einen Hintergrund dieser Tag hat. Da die Menschen nicht Weihnachten feiern durften, wurde das einfach auf den Papst Silvester geschoben. Aber dieser war auch christlich. Und somit hatte man am Ende doch irgendwo heimlich einen christlichen Feiertag ins sozialistische Imperium integriert.
Bis heute kennen nur wenige den wahren Hintergrund von Silvester in Russland und wissen, warum der 31.12. so gefeiert wird. Deshalb sind auch Väterchen Frost und seine Nichte als Ersatz für dem Weihnachts-/Silvestermann eingespielt worden. Somit hatten die christlichen Bürger dann auch ihre Ersatz-Weihnachten. Alle laufen einfach mit bis zum heutigen Tage. Mittlerweile geht es jedoch meist nur noch um das Feiern. Was gefeiert wird, spielt dabei überhaupt keine Rolle!
Hierzulande kommt am 06.12. noch der Nikolaus und bringt den Kindern Süßes. Werden die Kiddies eigentlich darüber aufgeklärt, dass der Nikolaus theoretisch mit der Ansage „Isch bin Türke, lan“ kommen müsste? Statt Schokolade müsste er so gesehen jedem Kind eine Döner bringen 🙂 Wäre aber auch viel gesünder für jedes Kind. 🙂
Aber wenn man mit dieser Information versucht, aufzuklären, wird man noch als blöd abgestempelt. Hallo? Dabei sagen das sogar die Medien und denen müssen wir doch, wird uns zumindest immer vermittelt, Glauben schenken!
Zurück zu Russland und dem Sozialismus:
„Opa Lenin weiß schon, was richtig ist“, dachte ich mir. Überall in den Lehrbüchern waren Bilder von ihm mit Kindern und davon, wie er ihnen vorliest und mit ihnen lernt. Ich empfand ebenfalls eine starke Sympathie für ihn. Er hatte offenbar ein sehr liebevolles und freundliches Wesen. Dabei war es nur eine Manipulation vom Kindesalter an. Ich träumte auch oft, dass er mir eine Geschichte vorlesen würde. Doch leider ging das nicht, da er zu diesem Zeitpunkt schon gestorben war und konserviert im Mausoleum am roten Platz gebunkert wird. Da wollte ich auch immer hin. Ihn sehen. Den netten und freundlichen Opa Lenin, der uns Friede, Freude, Eierkuchen versprochen hat. Stattdessen hatten wir leider nur Pustekuchen!
Nekrophiler Leninkult
Aber ist das nicht makaber, dass ein Leichnam mehrere Jahrzehnte dahinvegetiert und Touristen als auch Einheimische ihn bestaunen? Was unterscheidet einen Lenin von einem Straßenmusikanten? Sind wir nicht alle gleich? Hat nicht jeder Mensch das gleiche Ansehen verdient? Die beiden unterscheiden sich sogar sehr stark. Der Straßenmusikant hat mehr Herz, weil er hart durch das Leben gehen muss und deshalb jede kleine Freude zu schätzen weiß.
Ich wollte dann auch immer ein Oktoberkind sein und zur „Wsesojusnaj Pionerskaj Organisaziji w Imeni Wladimira Iljitscha Lenina“ sein und danach ein Pionier wie meine Schwester werden. Wie stolz sie doch alle auf den Klassenfotos waren mit dem roten Tuch um den Hals, welches immer am sorgfältigsten von allen Kleidungsstücken gepflegt werden musste. Ich sah immer meine Schwester von der Schule kommen und hoffte, eines Tages ebenfalls so ein rotes Tuch um den Hals tragen zu dürfen. Und dann noch die Broschen mit Opi Lenin (Deduschka Lenin). „Ach, ist das toll! Bald kann ich das hoffentlich auch“, dachte ich mir. Doch als ich eingeschult wurde, war alles vorbei. Na super!
Allerdings erklärten sich alle bereit, trotzdem eine Uniform zu tragen. Freiwillig! Damit alle gleich blieben und keine Klassenunterschiede entstünden. Ich freute mich sehr, diese Uniform tragen zu dürfen. Opi Lenin fand es doch so gut. Dann musste es ja auch toll sein. Wobei ich hinzufügen muss, das finde ich tatsächlich gut. Es symbolisiert die Gleichheit aller Kinder.
Vor Beginn des 2. Schuljahres auf der Klassenversammlung mit Eltern und Kindern weisen uns die Lehrer darauf hin, dass die Uniform eigentlich nicht Pflicht sei. Dennoch stimmten alle für die Uniform – Eltern UND Kinder gemeinsam! Ich fand das schön und freute mich über das weitere Jahr der Gleichheit.
Die Religionsfreiheit kam, als die Sowjetunion zusammenbrach. Die Menschen freuten sich über ihre Freiheit. Russland öffnete sich langsam und jeder bekannte sich zu einer Religion seiner Wahl oder auch nicht. Meine Cousine ließ sich im Dorf taufen. Ganz voller Freude kehrte sie nach dem Ereignis zurück. Irgendwo beneidete ich sie, aber irgendwo war ich auch froh, nicht getauft worden zu sein. Das konnte ich nicht mit mir vereinbaren. Religion war für mich etwas Fremdes, aber doch irgendwie schön und mystisch. Der Glaube an Gott ist instinktiv da. Angeboren. Da kann auch kein sozialistisch geprägter Staat etwas dagegen tun. Dieser Grundgedanke ist von Natur aus gegeben, da können die Möchtegernkommunisten etc. machen, was sie wollen. Die Köpfe der Menschen können sie nicht mit ihrer Gehirnwäsche ausknipsen. Sie können einem nur den Mund stopfen, aber die Gedankenwelt bleibt trotzdem vielfältig wie sie ist in ihrer Fantasie und eben auch im Glauben.
Schöne neue Warenwelt
Die Globalisierung drang langsam auch nach Russland durch. Viele Importartikel, allerdings alles nur Mangelware, wurden in den Läden und Basaren verkauft. Meistens chinesische Artikel, wie „Barbiepuppen“ mit Löchern in den Waden etc. wurden verkauft. Hauptsache etwas aus dem Ausland, uuuuuuuh!
Ich sah schöne Schuhe in der Einkaufswelt für Kinder, die meine Mutter mir auch kaufte. Doch mit jedem Tragen fielen sie etwas mehr auseinander. Später stellte sich heraus, dass die Schuhe nur für Begräbnisse gedacht waren. Na, das war aber ein Superschock! Nun hatte ich schon mal Totenschuhe getragen und das bei lebendigem Leibe. Dieser Gedanke war für ein Kind ein wenig unangenehm, wenn man sich das so vorstellen kann. Man kann sich ja ungefähr ausmalen, was für tolle Bilder da gerade einem Kind durch den Kopf gehen. Und da war sie wieder, die Lücke: „Was kommt nach dem Tod?“, fragte ich mich. Wenn ich schon die Totenschuhe tragen durfte, dann hab ich doch auch das Recht, zu wissen, für wen ich sie den trage, um schön zu sein unter der Erde, oder? Doch bis sich das Land komplett der Spiritualität aufgeschlossen hatte, sollte es aber noch ein wenig dauern.
Nach und nach wurden viele prunkvolle Kirchen und Moscheen gebaut und werden es immer noch. Alles lebte auf und entfaltete seine Spiritualität. Eine der schönsten Moscheen steht in der Hauptstadt von Tatarstan, nämlich Kazan. Es ist die Kul-Scharif-Moschee mit ihrer meeresblauen Kuppel, die einen zum Träumen einlädt. Dort führt Einiges hin zurück. Die wohlhabenden Kazan-Tataren (oder auch Kulaken genannt) haben den Islam im 19. Jh. ebenfalls aus Tatarstan nach Sibirien mitgebracht und später mussten sie ihr Hab und Gut verkaufen und zuerst in den Ural und anschließend nach Sibirien auswandern, um zur Regierungszeit Stalins ein sichereres Leben zu führen.
Hier geht es zum zweiten Teil…
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