Doppelte Staatsbürgerschaft: Eine Anfrage führt zu einer Aufforderung zum Nachweis von Papieren.
Haben sie schon mal eine Behörde kontaktiert, um eine Frage zu stellen und wurden daraufhin schriftlich aufgefordert, ihre „Papiere zu zeigen“?
Ist es Ihnen sogar schon einmal passiert, dass in dem Schreiben der Behörde bestätigt wurde, dass die Nachfrage nach ihren Papieren tatsächlich im direkten Zusammenhang mit Ihrer Anfrage steht?
Ich habe gegen Ende Oktober das Einwohnermeldeamt in Nürnberg kontaktiert und um Information bezüglich doppelter Staatsbürgerschaft, genau genommen, türkisch/deutscher Staatsbürgerschaft gestellt.
Ein paar Tage später habe ich einen Brief vom Einwohnermeldeamt der Stadt Nürnberg erhalten, der sich wie folgt liest:
Erster Satz – „Ihre Anfrage bezüglich der doppelten Staatsbürgerschaft haben wir erhalten.“
Letzter Absatz – „Aufgrund Ihrer Anfrage ist uns aufgefallen, dass Sie neben der deutschen Staatsbürgerschaft noch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen. Bitte legen Sie uns hierüber einen Nachweis vor (amerikanischen Pass, Einbürgerungsurkunde).“
Man beachte, dass für diese Aufforderung keine Frist gesetzt wurde. Es geht aus dem Schreiben auch nicht klar hervor, ob es reichen würde, eines dieser Dokumente ohne das andere vorzulegen.
Nun, man könnte eine mehrseitige Analyse dieses Schreibens durchführen und Schritt für Schritt aufzeigen, in welchen unterschiedlichen Hinsichten das Schreiben in dieser Form einen Eingriff in meine demokratische Rechte darstellt. Alle Punkte werde ich heute nicht besprechen können.
Ich werde mich aber auf einige wichtige Punkte konzentrieren:
- Der erste und wichtigste Punkt ist, inwiefern diese fragwürdige Aufforderung rassistische oder politische Motive hat: Werde ich etwa aufgefordert, meine Papiere zu zeigen, weil ich eine „unbeliebte“ Frage gestellt habe? Hätte ich eine ähnliche Aufforderung erhalten, wenn es sich hier um eine Anfrage über eine EU-Doppelstaatsbürgerschaft handeln würde? Habe ich diese Aufforderung wegen meiner türkischer Wurzeln erhalten oder sogar, weil ich u. a. eine Amerikanerin bin? So ungewöhnlich diese Fragen in Deutschland sein mögen, füreine öffentliche Verwaltung, vorausgesetzt, dass sie demokratisch sein sollte, sind diese Frage unerlässlich.
- Sollte uns der direkte Zusammenhang zwischen einer Frage und einer Aufforderung, Papiere zu zeigen, darüber hinaus zum Nachdenken bringen? Will diese Behörde kommunizieren, dass ich vorsichtig sein soll, welche Fragen ich stelle oder ob ich überhaupt etwas frage? Denn meine Fragen können anscheinend dazu führen, dass das Vorhandensein meiner Papiere angezweifelt wird. Und so etwas möchte man schließlich nicht ständig durchmachen müssen. Oder?
- Ferner: Wie kann es passieren, dass dieser Umstand, von dem die Rede ist, dieser Behörde erst heute „auffällt“? Wie schlampig arbeitet diese Behörde eigentlich? Und was ist das überhauptfür ein unprofessioneller Ausdruck: „uns ist aufgefallen…“?
- Wenn diese Behörde etwas übersehen haben soll, ist sie dann nicht für ihren eigenen Fehler verantwortlich? Heißt das nicht, dass man sich für den Fehler erst einmal entschuldigt, bevor man irgendwelche Forderungen stellt?
- Was ist die tatsächliche Bedeutung dieser Dokumente, die unbedingt gesichtet werden müssten? Wenn diese Dokumente so wichtig sein sollen, warum wird in dem Brief keine Frist gesetzt? Für eine wichtige Aufforderung muss es doch normalerweise eine Frist geben. Hat die Sachbearbeiterin auch noch die Frist übersehen oder will sie nur mobben?
Das sind wichtige Fragen, die sich jede verantwortungsbewusste Mitbürgerin in diesem Fall stellen sollte. Behörden sollten eigentlich so arbeiten, dass die Öffentlichkeit ihre Arbeit verfolgen kann. Deshalb dürfte es niemals so viele unbeantwortete Fragen auf ein Schreiben hin geben. Das Schreiben müsste klare Grundlagen und Ziele haben und eindeutig und transparent sein.
Was bedeuten solche Vorfälle für den Umgang mit Diversität?
In Hinsicht auf Diversität sind diese und ähnliche Vorfälle äußerst traurige Nachrichten! Die Gründe dafür möchte ich hier aber nicht vorwegnehmen, sondern alle Behörden als auch Mitbürger auffordern, sich darüber Gedanken zu machen. Was bedeuten solche Vorfälle für unser Leben miteinander?
Zum Schluss möchte ich aber Frau Müller* vom Einwohnermeldeamt in Nürnberg eine wichtige Nachricht zukommen lassen:
Liebe Frau Müller,
gerne komme ich Ihrer Aufforderung, die von Ihnen verlangten Nachweise (amerikanischen Pass, Einbürgerungsurkunde) vorzuzeigen, nach. Leider muss ich Ihnen aber mitteilen, dass ich in der nächsten Zeit—genaugenommen die nächsten zwei bis drei Jahre – verhindert sein werde. Da Sie in Ihrem Brief aber sowieso keine Frist angegeben haben, gehe ich davon aus, dass dies für die Stadt Nürnberg überhaupt kein Problem sein wird.
Ich grüße Sie herzlichst
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*Name wurde geändert