Die Erde hat sich von der Sonne entfernt und die Folge davon ist das unangenehme Gefühl an Kälte. Alles, was sich in der Zeit der Wärme noch so fröhlich in der Öffentlichkeit getummelt hatte, hat sich mittlerweile zurückgezogen.
Aber die Kälte hat auch eine positive Seite: Man sieht, wie der Winter so manchen Kreisen ihre Motivation zum Krawall entzieht. Der Gezi-Park ist verwaist und statt gewalttätig zu demonstrieren oder auch nur bei Regen, Wind und 10 Grad auf das Atatürk-Standbild zu starren, dürften es die Aktivisten bevorzugen, lieber in den gut geheizten, mondänen Räumlichkeiten der „Türkischen Kommunistischen Partei“ auf dem teuren Tarlabaşı Bulvarı zu weilen. Der Drang zur Meinungsdurchsetzung bei jenen, die sich so gerne lichtscheuer Gestalten und gewalttätiger Anarchisten bedienen und diese steuern wie ein Marionettenspieler seine Puppen, nimmt umgekehrt proportional zum Aufkommen von Wind und Kälte ab und gerät in Vergessenheit. So was nennt man wohl eine natürliche Kälteschocktherapie.
In manchen Ländern wird der Frühling mit einer Form der Demokratisierung assoziiert, die durch Gewalt und Verlust an menschlichem Leben überschattet wird. Um welchen Preis wird für so etwas geworben? Die Lawine stand auch vor den Türen der Türkei. Und so manche hätten sich gewünscht, Erdoğan würde von dieser Lawine mitgerissen, obwohl die Türkei ihren demokratischen Frühling bereits im Herbst 2002 erlebt hatte. Aber am Ende endete der Versuch, eine solche Lawine im Sommer zu erzeugen, damit, dass man mit der eigenen Nase im Schnee landete. Ein medial zum Volksaufstand aufgeblasener Protest einiger halbseidener Elemente wurde von der breiten Öffentlichkeit im Regen stehen gelassen.
Die Türkei demonstriert aber auch jetzt wieder, wie sich auch in der kalten Jahreszeit ein Frühlinggefühl erwecken lässt und verlegt wie bereits 2002 das demokratische Erwachen in den Herbst. Mit einem der wichtigsten Reformpakte stellt die Türkei die Unruhestifter einmal mehr ins Abseits. Die Türkei kommt einen Schritt weiter auf dem Weg zur Weiterentwicklung der eigenen Demokratie.
Die wichtigsten Punkte sind wohl die Aufhebung überholter Bestimmungen zur Kleiderordnung, die weiteren gesetzlichen Erleichterungen zur Entfaltung der kurdischen Sprache und die Wahlordnung. Auf diese Weise werden mehrere Bereiche komplett neu strukturiert. Die Minderheiten werden gleichberechtigt. Jeder kann seine Religionsfreiheit ausüben, wie er möchte, während sie so lange nur auf dem Papier präsent war. Und die Minderheiten können sich intensiver in der Politik einbinden lassen. Klar müssen weitere Schritte folgen. Und die Türkei sollte die weltpolitische Lage differenzierter und ausgewogener betrachten.
Allerdings ist das Entscheidende, dass die Türkei zeigt, dass alle die Probleme ohne Gewalt zu lösen sind und die Zeiten, in denen andere Wege zum Erfolg führten, vorüber sind. Die Wichtigkeit der Türkei tritt immer mehr in den Vordergrund.
In diesem Sinne: Einen angenehmen Winter Euch allen!