Die Politisierung des Privaten stoppen!
Deutschland 2013: Der „Kampf der Kulturen“ macht nicht einmal vor den eigenen vier Wänden Halt. Sozialismus, Etatismus und unterschiedlichste Spielarten kollektivistischer Ideologie leben auch hier seit Jahrtausenden von der gesellschaftlichen Spaltung und davon, Menschen in Gruppen einzuteilen, diese zu kategorisieren und sie anschließend gegeneinander aufzuhetzen. Nun erstreckt sich diese Strategie nicht nur auf sozialistische Klassenkampfparolen gegen „die Konzerne“ bzw. „die Reichen“ oder nationalistische „Wir-gegen-die“-Rhetorik, die sich gegen Einwanderer im Allgemeinen und Muslime im Besonderen richtet, sondern er findet auch den Weg ins Verhältnis zwischen Mann und Frau.
Kollektivistische Ideologen sehen in jeder Unterschiedlichkeit eine Bedrohung für ihr gesellschaftliches Ideal der umfassenden Gleichheit und Homogenität. Jede Vorstellung von Glück, die von der ungeschriebenen DIN-Norm für politisch und gesellschaftlich erwünschte Lebensführung abweicht, ist grundsätzlich suspekt und vor allem der Ausdruck eines „falschen Bewusstseins“. Das „Kopftuchmädchen“wird auf diese Weise genauso zum Feindbild wie Homeschooler, kinderreiche Familien, „Importbräute“, Einverdienerhaushalte oder eben auch einfach jede Frau, die ein positives Verhältnis zur Mutterschaft hat und nicht bereit ist, sich dafür zu rechtfertigen, ihrem Kind nicht schon pünktlich zum ersten Geburtstag einen Vollzeitplatz in der staatlichen Kinderkrippe gesichert zu haben.
Für ein „falsches Bewusstsein“ kann es aber aus Sicht von Menschen, die ihr Konzept von „Befreiung“ und „Emanzipation“ für so unfehlbar halten, dass es anderen notfalls selbst gegen deren eigenen Willen aufgezwungen werden soll, keinen Platz geben – zumal die Abweichler ja ein schlechtes Beispiel für alle noch nicht auf Linie Gebrachten geben könnten.
Der vierfachen Mutter Birgit Kelle gelang im Zusammenhang mit der so genannten „Sexismus-Debatte“ gegen Ende des Jahres 2012 der journalistische Durchbruch. Ihr auf dem Kommentarportal „The European“ erschienener Artikel „Dann mach doch die Bluse zu“, der sich kritisch mit den Darstellungen der „Stern“-Journalistin, sie wäre von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle durch eine doppeldeutige Bemerkung sexuell belästigt worden, auseinandersetzte, soll mehr als 170000 Likes über sozialen Medienkanäle erhalten haben und damit der mit Abstand meistgelesene Artikel des Jahres gewesen sein.
Gegen die Pflege feministischer Opfermythen
Nun hat die Autorin nachgelegt und sich in einem gleichnamigen Buch mit den Verirrungen befasst, die feministische Ideologie, staatlich verordnete Genderpolitik und sonstige Erscheinungsformen eines Gleichheitswahns auf Steroiden in Deutschland geschaffen oder verstärkt haben.
Ein ausgiebiger Rückblick auf die Brüderle-Affäre und die Aufarbeitung derselben in der Öffentlichkeit dürfen natürlich darin nicht fehlen. Birgit Kelle wehrt sich dabei einmal mehr gegen kollektive Opfermythen, ohne jedoch tatsächliche Probleme mit real vorhandenem Sexismus zu verkennen. Sie prangert die Doppelmoral an, die sich an Gruppen wie Femen ebenso zeigt wie an Fernsehformaten à la „Germany`s Next Topmodel“, wo junge Frauen zu Parias gemacht werden, wenn sie sich nicht wie alle anderen entblößen wollen.
Interessanter sind jedoch Birgit Kelles tiefer greifende Analysen. Sie arbeitet heraus, wie das Konzept einer umfassenden ideologischen Umerziehung, das bei Simone de Beauvoir begann und sich bis Alice Schwarzer fortentwickelte, den Konsens innerhalb der autochthonen europäischen Kultur prägt – und dass die etablierte Politik wie eine Glucke darüber wacht, dass es nicht zu viele Beispiele für einen Weg jenseits dieses Kollektivismus geben kann.
Die kinderlose Gesellschaft wird durch kinderlose, geschiedene politische Eliten dirigiert. Selbst ein vorsichtiger Schritt in Richtung Pluralisierung der Lebensstile wie das Betreuungsgeld gilt als Anschlag auf alle Bemühungen im Sinne ihres „Emanzipations“-Ideals.
Um zu verhindern, dass Menschen Gefallen an traditionellen Rollenvorstellungen finden, die davon ausgehen, dass Mann und Frau nicht nur „soziale Konstrukte“ sind, sondern dass es einen tieferen Sinn hinter deren Unterscheidbarkeit gibt, werden alle Register gezogen, um mittels „Genderpolitik“ das Verhalten von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden in Richtung Gleichmacherei zu steuern.
Psychoexperimente unter „Gender“-Prämisse und ihre verheerenden Folgen
Dass irrwitzige Experimente mit Kinderseelen unter dem Titel der „Überwindung überkommener Rollenbilder“ sogar schon zu Selbstmorden geführt haben, erfährt man üblicherweise selten. Und auch nicht, wie sehr der Neid auf glückliche Familien schon in pure Menschenverachtung gegenüber Müttern und Kindern umgeschlagen ist, die bereits in nicht unerheblichen Teilen der Bevölkerung als Verlierer und Schmarotzer dargestellt werden.
Man muss nicht jeden Gedanken und jede Position Birgit Kelles teilen oder nachvollziehen können. In manchen Bereichen hätte man sich durchaus sogar noch grundlegendere Formen der Kritik an den Verhältnissen gewünscht. An anderer Stelle – etwa im Zusammenhang mit der Homo-Ehe bzw. Homo-Adoption – schüttet sie hingegen möglicherweise das Kind mit dem Bade aus.
Entscheidend ist aber – und das ist die Quintessenz des Buches: Sie will das Private privat sein lassen und nicht politisiert sehen. Und dass dies mittlerweile geradezu wie eine revolutionäre Forderung erscheint, statt selbstverständlich zu sein, ist eigentlich der beste Beweis dafür, dass es noch viel zu wenige Publizistinnen und Publizisten von ihrer Sorte gibt.
In besonderer Weise ragt die Kritik Birgit Kelles an der „vaterlosen Gesellschaft“ heraus. In diesem Kapitel weist sie mit Blick auf die Situation in den USA darauf hin, wie überdurchschnittlich hoch der Anteil an Schulabbrechern, Häftlingen, Obdachlosen und Selbstmörder in vaterlosen Familien ist. Und in diesem Zusammenhang bleiben Debatten über Quoten oder Zuschüsse für Kinderbetreuung natürlich entsprechend an der absoluten Oberfläche.
„Wir brauchen keine Gesellschaft, in der alle gleich sind, das Gleiche wollen, das Gleiche denken und das Gleiche anstreben“, betont Birgit Kelle zu Recht. „Wir brauchen die Freigeister, die Gegen-den-Strom-Schwimmer, die schwarzen Schafe, die Individualisten, die Träumer, die Visionäre, die Widerständler und auch ein paar Wahnsinnige im besten Sinne.“ Und sie zeigt anschaulich, dass kein noch so großer ökonomischer Vorteil, der vielleicht dadurch entstehen könnte, wenn alle Elternteile bedingt durch eine möglichst frühzeitige Einheitserziehung in Kindergärten und Schulen wieder umfassend dem Produktionsprozess zur Verfügung stehen, die geistige Armut beseitigen kann, die eine Gesellschaft ohne Familien mit sich bringt.
Rechte Doppelzüngigkeit: Gegen Einwandererfamilien lieber Hand in Hand mit Schwarzer und Kelek
Das Buch Birgit Kelles, „Dann mach doch die Bluse zu“, ist auf jeden Fall lesenswert und spricht zahlreiche wichtige und auch durchaus befremdliche Aspekte dahingehend an, wohin sich die Mehrheitsgesellschaft entwickelt hat.
Allerdings zeigt gerade der Blick auf jenes politische Spektrum, aus dem die Autorin den meisten Zuspruch bekommt – prononciert Konservative in Union und FDP oder auch politisch rechts davon -, dass die geistige Verwirrung durch Kollektivismus und Gleichmacherei auch und gerade dort ihre Spuren hinterlassen hat.
Wenn man nicht gerade Birgit Kelles Plädoyers für die intakte Familie feiert, werden in Publikationen wie der „Jungen Freiheit“ oder der „Freien Welt“ Kinderreichtum und ausgeprägte Religiosität, die ja ein natürliches Bollwerk gegen die in Kelles Buch zu Recht angeprangerten Zustände und Tendenzen bilden, regelmäßig als Bedrohungen wahrgenommen – nämlich, wenn es beispielsweise um türkische Einwandererfamilien geht. Sobald nämlich das Gespenst der „Islamisierung“ an die Wand gemalt wird, entdecken deutsche Konservative auf wundersame Weise dann doch immer wieder ihre Zuneigung zu den feministischen Thesen Alice Schwarzers oder Necla Keleks…