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Die türkische Community in Deutschland ist meistens bekannt für ihre besondere Vorliebe für Hip-Hop. Dieser sei die Sprache der Straße, die einzig passende Ausdrucksweise für orientalische Jugendliche im Okzident, um ihre Sorgen, Probleme und persönliche Krisen zu Wort und Papier bringen zu können. Teenager und Ex-Teenager würden sich diese Gewalt verherrlichenden, mit der deutschen Grammatik und deren Satzbau nicht immer auf Du und Du stehenden Texte reinziehen und so dieser längst im Mainstream verankerten, ursprünglichen Undergroundmusikrichtung einen besonderen Platz in ihrer Seele freimachen. Das ist so die Mehrheitsmeinung über die Schwarzköpfe mit den bösen Blicken, was auch zum größten Teil nicht zu widerlegen ist.
Doch man vergisst einen anderen, besonderen Faktor für die Stimmung unter türkischen Jugendlichen und auch Erwachsenen, welcher eher als innere und psychologische Besinnung der Turkos analysiert werden muss. Dieser Faktor heißt „Arabesk“. Ohne den Arabesk untersucht zu haben, wird es schwer sein, das Unterbewusstsein, die Lebenseinstellung, die Ziele, das Verständnis der Liebe bei uns Türken verstehen zu können. Ich persönlich kenne wirklich sehr, sehr wenige Türken, die keinen Arabesk hören. Der eine mehr, der andere weniger. Ob man sonst eigentlich Rap, Rock, Jazz, Reggae hört, ist in dieser Hinsicht gleichgültig.
Werther und Alan Jackson in der dritten Potenz
Wenn es hart auf hart kommt in Sachen Liebe, Sorgen, weltliche Krisen, greifen wir Türken zu Müslüm, Orhan, Ferdi, Ibo, Cengiz Kurtoğlu und den anderen „Babas“ der berühmtberüchtigten Arabeskszene zurück. So kann man sich auch den negativen Fatalismus vieler von uns erklären, nachdem wir diese Lieder gehört haben. Man ist dazu „verdammt“, als „Versager“ vom Diesseits ins Jenseits abzutreten. Nichts aber auch gar nichts kann uns davor retten. Das einem selbst geschriebene Schicksal wird verflucht, die Geliebte zur Verräterin abgestempelt, man verabschiedet sich von den schönen und glücklichen Momenten im Leben und hat die Hoffnung auf jegliche bessere Zukunft aufgegeben.
Diese Musik strahlt eine Melancholie und Hoffnungslosigkeit aus, der man in Europa bisher weder in der Literatur noch in der Musik seit Werther begegnet ist. Wer meint, in der US-amerikanischen Countrymusik wäre jeder Song irgendwie schwermütig, ahnt noch nicht einmal, was beim „Arabesk“ auf ihn zukommt.
Arabesk: Musik der Heimat, Musik der Herzen
Wir haben nicht nur unser schwarzes Haar, unsere Holzkoffer, unsere Kopftuchfrauen, unsere Arbeitskraft mit nach Deutschland gebracht, nein, in diesen Holzkoffern waren auch unsere Musikkassetten samt den darauf befindlichen arabesken Tönen eingepackt. Mit dem Arabesk hatten wir unsere Melancholie und die absolute Emotionalität integriert, wo auch Männer mit bösen Blicken auf den Deutschen in ihrer Einsamkeit den Tränen freien Lauf lassen und ihr komplettes Denken vom Gehirn ins Herz übertragen. Wir kommen eben aus einer Kultur, wo das Weinen eines Kindes uns mehr berührt und überzeugt als logische Zusammenschlüsse.
„…ja, aber ihr Türken seid zu emotional“…Ja, für die Einheimischen leider und für uns zum Glück.
Und wie gesagt, wenn man die türkischen Generationen Deutschlands besser kennenlernen will, ist es unabdingbar, den Arabesk kennenzulernen.
Meine Hände sollen sich brechen,
Für was nützen sie denn?!
Meine Jugend geht und ich kann sie nicht festhalten.
Gott gab mir müde Beine,
Ich kann meinem Glück nicht hinterherrennen.
Mein Gott, wann wird dieses Leid enden?
Ich habe nur noch Tage ohne ein Morgen,
Meine Welt habe ich mit meiner eigenen Hand niedergemacht,
Meiner Liebe kann ich kein Heim bauen.
Jetzt bin ich weder besorgt noch glücklich,
Mein Alter ist zwar jung, doch meine Seele alt,
Sieh, für eine Liebe und meinem Tod,
würde ich von Ort zu Ort wandelnd gehen.
Mein Gott, wann wird dieses Leiden enden?
Ich habe nur noch Tage ohne ein Morgen,
Meine Welt habe ich mit meiner eigenen Hand niedergemacht,
Meiner Liebe kann ich kein Heim bauen. (Gülden Karaböcek/Kirilsin Ellerim)
Ein kleiner Einstieg mit Gülden Karaböcek für den Laien, der sich kaum auskennt mit Arabesk. Und so sieht unser Verständnis vom Leben manchmal aus, wenn es uns mal ein bisschen schlechter geht…