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Der ehemalige Gouverneur von Montana, Brian Schweizer, hat neulich angedeutet, dass sich Senator Diane Feinstein in der CIA Spionageaffäre „wie eine Prostituierte“ verhalten habe. Sie sei wie eine Frau gewesen, die neben einer Straßenlaterne, ihr Kleid über ihre Knie gezogen, stehe und nun behaupte, sie sei eine Nonne. Als Antwort hat ein Repräsentant aus Colorado, Mike Coffmann, Brian Schweizer als einen „sexistischen Drecksack“ bezeichnet. Eine strafrechtliche Verfolgung kam in keinem der beiden Fälle in Frage, weil diese Äußerungen durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt sind.
Fall Norbert Müller
Das Recht auf freie Meinungsäußerung sollte laut Artikel 5 des Grundgesetzes auch in Deutschland gewährleistet sein. Dass dies aber nicht immer der Fall ist, wurde besonders im jüngsten Fall des Landtagsabgeordneten Norbert Müller illustriert. Auf die Äußerungen des Bundespräsidenten Gauck über deutsche Militäreinsätze – Deutschland müsse notfalls vermehrt militärische Mittel einsetzen, um Interessen zu verfolgen — hätte ihn der Abgeordnete auf Facebook als „widerlichen Kriegshetzer“ bezeichnet.
Daraufhin hat sich die Staatanwaltschaft in Potsdam eingeschaltet. Der Bundespräsident aber werde den Landtagsabgeordneten nicht strafrechtlich verfolgen lassen, obwohl er dies laut Paragraph 90 des deutschen Strafgesetzbuches wegen Verunglimpfung des Bundespräsidentendürfte; eigentlich ein Widerspruch zum Recht auf freie Meinungsäußerung. Eine ernsthafte kritische Debatte und Hinterfragung vom Paragraphen 90 (StGB) hat dieser Vorfall nicht ausgelöst; zumindest Medien zufolge.
Verunglimpfung des Bundespräsidenten?
Außerdem scheint auch nur wenige zu interessieren, dass in diesem Fall gar keine „Verunglimpfung“ stattgefunden haben dürfte.
Um einen Missbrauch eines kritischen Gesetzes wie diese zu verhindern, wäre es passend gewesen, im Kontext von Paragraphen 90 „Verunglimpfung“ wenistens zu definieren, genauso wie zum Beispiel andere Personen und Sachbegriffe definiert wurden.
Besonders beunruhigend in diesem Zusammenhang wirkt das Statement vom SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Die SPD würde sensibel auf solche „Angriffe“ gegen Staatsoberhäupter reagieren, „denn das war die Strategie der Nazis in der Weimarer Republik gegen Reichspräsident Ebert“; ein nicht nur sehr unpassender, sondern auch sehr unreflektierter Vergleich, da eher das „mit der Masse Gehen“, wie es in diesem Fall durch einseitige Reaktionen demonstriert wurde, gefährliche Parallelen zu der damaligen Zeit aufwirft als das Gebrauch von Recht auf freie Meinungsäußerung.
Abschreckung als Mittel gegen freie Meinungsäußerung?
Obwohl im Endeffekt in diesem Fall keine strafrechtliche Verfolgung stattgefunden hat: Was zurückbleibt, ist die Abschreckung. Abschreckung davor, eine Meinung, die in diesem Fall unter der Bevölkerung auch einigen Zuspruch gefunden haben dürfte, frei äußern zu dürfen.
Fähigkeit, mit Beleidigung umzugehen, als Voraussetzung für eine Demokratie
Freie Meinungsäußerung wird in Deutschland aber nicht nur im Falle von „Verunglimpfung“ des Bundespräsidenten limitiert. Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole ist in Deutschland auch verboten. Und in dem Fall, dass eine geäußerte Meinung jemand „beleidigt“, droht eine Strafe von bis zu einem Jahr. Da aber Demokratie die Fähigkeit, durch die Meinung anderer beleidigt zu werden voraussetzt, ist auch diese Klausel sehr problematisch und sollte somit hinterfragt werden. Wenn eine Person sich durch die Meinung anderer beleidigt fühlt, ist es ihre persönliche Verantwortung damit umzugehen. Ein demokratischer Staat darf sich nicht das Recht nehmen, dieser Art von persönlichen Interaktionen zu regeln, wenn damit die freie Meinungsäußerung gefährdet wird.
In einer Demokratie gibt es Staatsdiener, keine Staatsherren
Anstatt wie hier die Meinungsäußerung in Frage zu stellen, sollte sich die deutsche Bevölkerung Gedanken über das deutsche Demokratieverständnis machen und eine Erklärung dafür finden, wie in einer Staatsform, in der alle Staatsgewalt laut Grundgesetz Artikel 2(2) vom Volke ausgeht, also in dem das Volk an der Spitze des Organigramms stehen sollte, „Staatshoberhäupter“ eine besondere Stellung bekommen und somit anstatt als Staatsdiener eher wie Staatsherren dargestellt werden. Ausdrücke wie „Angriffe gegen Staatsoberhäupter“ in diesem Zusammenhang sind passender für autoritäre Systeme als für eine Demokratie.
Eine Gelegenheit, die Demokratie zu stärken
Der Fall Norbert Müller ist somit eine Gelegenheit für die deutsche Bevölkerung, den Status quo zu hinterfragen und die Demokratie zu stärken.