Vorurteile über Amerikaner sind in Deutschland so weit verbreitet, man könnte sie fast schon zum „Allgemeinwissen“ über Amerikaner in Deutschland zählen. Einigen dieser Vorurteile zufolge seien Amerikaner „dumm“, “ungebildet“, „unzivilisiert“, haben „keine Geschichte“, „keine Kultur“ und sind „oberflächlich“. Viele Amerikaner würden glauben, dass Europa ein Land ist und könnten nicht einmal wichtige Länder auf einer Weltkarte identifizieren.

Es bedarf an sich schon einer gewissen Selbstüberschätzung und Ignoranz, um die Ironie und den Widerspruch in solchenmenschenverachtenden Aussagen nicht gleich selbst zu erkennen.

Vor dem Hintergrund dessen, was in Deutschland vor nicht allzu lange Zeit passiert ist, benötigt man auch ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung, um sich über die „Unzivilisiertheit“ anderer Völker zu beschweren.

Antiamerikanismus: Rassistische Aussagen kommen von „gebildeten“ Menschen

Wer glaubt, solche Aussagen über Amerikaner kämen in Deutschland nur von „ungebildeten“ oder „Rechten“, der irrt sich; gewaltig. Ganz im Gegenteil. Den Anstoß für diesen Artikel gaben Aussagen von überwiegend „gebildeten“ Menschen in Deutschland, die weder mit einer „überdurchschnittlich“ „rechten“ noch anderweitig „ausländerfeindlichen“ Einstellung „aufgefallen“ sind.  

„Bildung“ in Deutschland: USA keine Geschichte, keine „Kultur“, „nur“ ca. 200 Jahre alt?

Die Aussage, dass die USA keine Geschichte oder keine „Kultur“ haben soll und „nur“ ca. 200 Jahre alt seien, sollte eher Fragen hinsichtlich des Bildungsniveaus in Deutschland aufwerfen – das im Übrigen seit der PISA-Studie und dem jüngsten Ranking des Weltwirtschaftsforums nun wirklich nicht unbedingt die Ergebnisse liefert, die geeignet wären, die eigene gefühlte Überlegenheit zu untermauern. Zumal mehr weltberühmte Universitäten in den USA als in Deutschland beheimatet sind.

Abgesehen davon: Die USA haben eine Geschichte, haben eine „Kultur“ und die sind definitiv nicht „nur“ ca. 200 Jahre alt! Außerdem, was wäre, wenn das alles was behauptet wird, stimmen würde? So etwas soll tatsächlich ein Hinweis auf „Minderwertigkeit“ sein? Man sollte sich fragen, wo man solche Denkweisen und Schlussfolgerungen im „gebildeten“ Deutschland wohl erlernt.

Zur Information: Native Americans (Einheimische) haben sehr lange auf dem Land gelebt, bevor die „zivilisierten Europäer“ kamen, und das Land und die Menschen vergewaltigt haben. Vielleicht ist man ja nur dann zivilisiert, wenn man durch Sklavenhaltung und Kolonialismus in der Lage gewesen ist, große Schlösser zu bauen und andere Nachlässe wie in Europa zu schaffen. Eine Lebensweise im Einklang mit der Natur ist anscheinend wenig wert und verdient, als „unzivilisiert“ bezeichnet zu werden.

Außerdem, Zivilisation ist ähnlich wie Kultur ein willkürlicher Begriff und nicht unbedingt etwas Positives. „Allgemeingültige Kennzeichen für Zivilisationen sind die Staatenbildung, hierarchische Gesellschaftsstrukturen, ein hohes Maß an Urbanisierung und eine sehr weitgehende Spezialisierung und Arbeitsteilung. […] Im 18. Jahrhundert benutzte man im Französischen die Idee der Zivilisation als Gegensatz zum Begriff „Barbarei“. So konnten nicht europäische Gesellschaften als unzivilisiert charakterisiert werden.“ 

Darüber sollte man unbedingt nachgedacht haben, bevor man Aussagen über angebliche „Zivilisationen“ macht und andere Menschen ihrer vermeintlichen  „Unzivilisiertheit“ wegen verachtet. Auschwitz, z.B., fand inmitten einer hoch industrialisierten, „zivilisierten“ europäischen Gesellschaft statt.

Respekt vor andere Lebensweisen

In den USA lebt man vielleicht „anders“ als in Deutschland und glaubt eventuell an andere Werte. Auf der anderen Seite gibt es dort auch sehr viele Menschen, die ähnliche Werte vertreten wie viele Menschen in Deutschland. Ob die Werte, an die man in Deutschland glaubt, so viel besser sind, ist sowieso offen. Es gibt viel Positives und viel Negatives in den USA, ähnlich wie anderswo auch. Von der„besseren“, „intelligenteren“, „gebildeteren“ Menschenwürde man erwarten, dass sie solche Differenzen erkennen können. 

Wohlgemerkt, in dieser Diskussion um „Amerikaner“ geht es nicht um amerikanische Außen- oder Innenpolitik, die man jederzeit kritisieren darf und auch sollte! Es geht hier auch nicht um Kritik der politischen oder sozialen Missstände, von denen es bekanntlich auch in Deutschland genug gibt, sondern um eine faktisch als selbstverständlich betrachtete Verachtung anderer Menschen und ihre Lebensweisen.

Eventuell sollte das Respektieren anderer Lebensweisen und Respekt vor Diversität in Zukunft auch ein Teil der hochwertigen „Bildung“ in Deutschland werden. Man muss immer vor Augen halten, dass wer „Amerikaner“ und ihre Lebensweise verachtet, auch „andere“ Menschen verachten wird.

Herabschauen auf „Andere“

Die Aufwertung des eigenen Selbst und die Abwertung Anderer ist ein grundlegendes Konzept des Rassismus. Gegeben, dass Rassismus in Europa über Jahrhunderte konzipiert und ausgelebt wurde, ist es selbstverständlich, dass er auch heute noch – in den Alltag eingebunden – existiert. Besonders in Deutschland, wo die jüngere Geschichte nicht richtig aufgearbeitet wurde und eine „angemessene“ Entnazifizierung nicht stattgefunden hat, ist es fast selbstverständlich, dass Rassismus als ein Teil des alltäglichen Lebens weiterhin ausgelebt wird und nicht einmal „auffällt“, weil er eben so selbstverständlich ist.

Beim Herabschauen auf andere geht es selten um Inhalte. Es geht um Herabschauen an sich. Aus unterschiedlichen Gründen bieten die Amerikaner heute eine effektive Angriffsfläche für rassistische Äußerungen. Amerika ist unter anderem ein dominantes Land, das seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges viel Einfluss auf Deutschland ausgeübt hat und immer noch ausübt. Was nicht gerne zugegeben wird, da diese Einflüsse die eigene „Überlegenheit“ und „Dominanz“ überschatten. So etwas verärgert und verbittert, natürlich. Was hilft da mehr, als den Spieß umzudrehen, und den „Gegner“ zu verachten und ihn klein zu machen? 

Deutschland hat den USA viel zu viel zu verdanken, unter anderem die Demokratie in der Form, wie wir sie heute ausleben dürfen. Ständig werden Konzepte aus dem Land kopiert, importiert und genutzt. Nicht immer sind es solche, die in den USA selbst besonders hoch angesehen sind – und trotzdem beschweren die, die sie übernommen haben, anschließend über angeblichen „Kulturimperialismus“.

Man sollte jedoch alles in allem lieber entweder mehr Dankbarkeit zeigen oder anfangen, seinen eigenen Weg zu gehen! Mit allen Konsequenzen – zu denen dann am Ende auch gehören würde, sich seinen Sicherheits- und Geheimdienstapparat vollständig selbst zu bezahlen…

 

 

 

Share.

Die Verfasserin ist geborene Fürtherin. Sie hat ein Abitur vom Dürer-Gymnasium in Nürnberg; einen Bachelor in Allgemeine Geisteswissenschaften und einen Master in Öffentliche Verwaltung vom Western Michigan University. Sie ist im Jahre 1998 in die USA ausgewandert und lebt seit 2011 wieder in Deutschland. Sie sitzt im Vorstand der internationalen gesellschaft für diversity management (idm). Sie hat ihr eigenes Blog (http://diversitygermany.blogspot.de/) wo sie Artikel über Diversity, Anti-Diskriminierung, Chancengleicheit und ähnliche Themen veröffentlicht.

Comments are closed.