Ein Beitrag zum Thema „Integration“ bei den Integrationsbloggern, ist Eulen nach Athen tragen. Einerseits. Anderseits: Wir haben  in unserer Kommunikationsgesellschaft oft mit Worten zu tun, die keine Begriffe sind. Worte spricht man, Begriffe müssen geistig umfasst werden. „Nachhaltigkeit“ ist so ein Wort, das stets im Munde geführt wird. Bei der Frage nach der Definition kommt nicht selten heraus, dass der Begriff schwammig ist. Mit der „Integration“ verhält es sich ebenso. Solche Worte können leicht zur Wohlfühlvokabel werden. Und, je mehr über etwas gesprochen wird, umso mehr wird es meist entbehrt. Das gilt auch für die Aufnahme von Gruppen oder Einzelnen in ein Ganzes, obwohl diese anders sind.

Integriert sein will irgendwie jeder, und doch gibt es nicht viel Schwierigeres, als das Anderssein zu ertragen. Offenbar. Das mag zwar ein Gedanke sein, der gerade an einem Feiertag wie dem Tag der deutschen Einheit schmerzen mag, aber so ist nun einmal die Realität. Fast jeder hat die Erfahrung gemacht, integriert sein zu wollen und trotzdem gelingt einem so selten die Empathie für andere in der gleichen Situation. Fast jeder möchte zum Ganzen gehören, ohne seine Individualität aufzugeben. Und bei manchen fordert es die Mehrheitsgesellschaft auch. Bei Einwanderern zum Beispiel. Dabei gilt dies vermutlich für jede Minderheit oder Sondergruppe. Arbeitslose, die nicht gebraucht werden, möchten bei aller Isolation doch gern akzeptiert werden. Religiöse Sondergruppen und auch solche mit politischer Motivation ebenso.

Das gilt sogar für solche, die Integration, zum Beispiel von Zuwanderern, ablehnen. Rechte, extreme oder populistische Menschen bitten, wie alle Minderheiten, nicht nur täglich darum, integriert zu werden, sondern sie leiden auch, wie alle anderen Gruppen, an der Separation oder Exklusion. Auch das mag ein unbequemer Gedanke sein, ist aber ein Erfahrungswert, den ich selbst erlebt habe. Die brutalste Form von Ausschluss ist eine totalitäre, die sich aufgrund bestimmter Merkmale ergibt. Jemand gehöre nicht wegen seiner Herkunft, seines Aussehens oder bestimmter Haltungen „dazu“ – dazu meint hier eine Totalität: Er ist in seiner ganzen Existenz nicht erwünscht und wird nur durch bestimmte Merkmale definiert.

„Rechte“ exkludieren vor allem ethnische Minderheiten und gleichzeitg grenzt sich die Mehrheitsgesellschaft von ihnen ab. Ausschluss schafft Frust und Frust in der Regel Hass. Ein Teufelskreislauf. Leider führen Erfahrungswerte nur selten zu Erkenntnissen. Ausgeschlossene suchen -zumal untereinander- nur selten die Kommunikation. Was man dabei verpasst, das konnte man im Mai dieses Jahres erleben. Da zog PRO NRW auf Wahlkampfprovokationstour und zeigte Anti-Islam-Karikaturen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Die Rechnung ging gleichzeitig auf und nicht auf: Aufmerksamkeit bekam die Partei, Stimmen kaum. Leider schufen die Medien -wie nicht selten- Aufmerksamkeit an der „falschen Stelle“. Während es die Krawalle, etwa in Bonn, auf die Titelseiten schafft, ging eine Aktion auf einer anderen Station nahezu unter. Da ging eine muslimische Gemeinde mit einem Blumenstrauß auf die Provokateure zu – Integration – streckte die Hand aus und sorgte für viel mehr Verunsicherung, als wenn man sich hasserfüllt von einer Demonstrationsbarriere zur anderen anbrüllt.

Gerade ein Feiertag, wie jener, der an das Ende der DDR, eines zentralistischen Einheitsstaates, erinnert, sollte auch Besinnung und Diskussion über Gesellschaft und Integration eröffnen. Die deutsche Kultur war immer dann erfolgreich und fruchtbar, wenn sie eine Einheit in Vielfalt ermöglicht hat. Das ganze Deutsche Reich ist seit den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges, 1648 bis zur zweiten Reichsgründung 1871 heterogen gewesen und gerade deshalb kulturell so vielfältig. Zentralismus brachte vor allem in den zwei totalitären Ordnungen im zwanzigsten Jahrhundert Leid und Elend über dieses Land. Ob die Integration von Menschen und Gruppen mit verschiedenen Werthaltungen gelingt, ist auch davon abhängig, ob man in dieser Verschiedenheit ein geistiges Band findet, also Grundwerte.

Gerade als jemand, der nicht integriert gewesen ist, ist mir diese Notwendigkeit im Laufe der Jahre immer deutlicher geworden. Als Publizist und politischer Mensch habe ich deshalb ein integrationsfeindliches Milieu verlassen. „Draußen“ ist es aber gar nicht so viel anders als „drinnen“, wie ich nun feststellen muss. Ich bin Deutsch-, Politik- und Geschichtslehrer von Beruf und ich bewarb mich nach meinem „Ausstieg“ aus der rechtsextremen Szene u.a. als Nachhilfelehrer bei der Caritas, Sprachschulen und Migrationsbüros etc. , denn ich wollte mich endlich mit diesem Thema wirklich auseinandersetzen. Aber mit meiner politischen Herkunft ist man ein Problem und deshalb unerwünscht – auch hinterher. Die Caritas schrieb mir zum Beispiel, ich habe nicht das „richtige Profil“ um Deutschnachhilfe zu geben, andere sprachen offen aus, das man so seine Probleme mit der öffentlichen Meinung habe, andere schwiegen ganz.

Wie gesagt, wovon am meisten gesprochen wird, daran mangelt es in der Regel auch am meisten. Das ist unter „Integrationsbloggern“ – Eulen nach Athen – sicher keine sonderlich aufregende Feststellung. Aus meiner Erfahrung dagegen schon. Dass mein erster journalistischer Beitrag nach meinem Ausstieg  in einem Blog erscheint, der von Migranten initiiert ist, macht mir Mut. Und dass Integration möglich ist und dokumentiert, dass nichts so befreiend sein kann, wie das Abstreifen von alten Vorurteilen. Hier gibt es nicht nur Worte, sondern auch Begriffe. Am Tag der deutschen Einheit kann ich also – ganz ohne Ironie – sagen: Danke für die Gastfreundschaft.

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Ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Deutsch, Geschichte und Politik in Göttingen und war acht Jahre lang Lehrer an einer Waldorfschule. Als Publizist und Politiker arbeitete er viele Jahre im extrem rechten Milieu. Im Juli 2012 stieg er aus dieser Szene aus. Seitdem engagiert sich Molau in Sachen Extremismusprävention bei Seminaren, Vorträgen und in Aufsätzen. Heute ist er selbstständig für das Textbüro dat medienhus tätig.

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