Weihnachten in Deutschland – für die einen ein heiliger Moment der Besinnung, für die anderen ein knallbuntes Lichtergewitter aus Konsum und Kitsch. Und dann gibt es uns: die Muslime, die durch das glitzernde Fest spazieren, irgendwo zwischen „Das ist nicht mein Fest“ und „Kann ich trotzdem einen Lebkuchen haben?“.
Wie fühlt es sich an, als Muslim Weihnachten in Deutschland zu erleben? Spoiler: Es ist ein Balanceakt auf einem Schneeflockendraht. Denn während ich die Geburt von Jesus (im Islam Isa genannt) als Prophet ehre, fühle ich mich beim Duft von Glühwein und Zimtsternen so fehl am Platz wie ein Veganer im Steakhouse. Aber lassen Sie uns das Ganze mit etwas Biss auseinandernehmen.
Jesus a.s. – Der Prophet, den alle lieben, aber keiner versteht
Jesus (a.s.) ist so etwas wie die interreligiöse Brücke, die niemand betritt. Im Islam wird er verehrt, seine Geburt durch Maryam (a.s.) ist ein Wunder und seine Botschaft ein Symbol für Gnade. Alles großartig, oder? Aber während ich Jesus im Qur’an wiederfinde, frage ich mich oft: Wie ist er eigentlich im deutschen Weihnachtsmarketing gelandet? Zwischen einem Coca-Cola-Santa und dem obligatorischen „Last Christmas“ bleibt der eigentliche Star des Festes irgendwo in der Schokoladenkrippe stecken.
Ironischerweise bin ich als Muslim oft näher an Jesus, als manche, die seinen Geburtstag feiern. Im Islam verehren wir ihn, ohne ihn zu vergöttlichen. Und dennoch: Wer glaubt, ich würde mich am 24. Dezember vor dem Weihnachtsbaum niederknien, hat vermutlich auch eine Barbie als theologisches Leitbild.
Weihnachten, der große gesellschaftliche Gleichmacher?
„Ach komm, du feierst doch auch ein bisschen mit, oder?“ Diese Frage ist so zuverlässig wie der erste Schnee im Ruhrgebiet – also selten, aber nicht unmöglich. Es ist erstaunlich, wie stark die Erwartung ist, dass man sich in die Weihnachtsroutine einfügt. Schließlich geht es ja nur um Gemeinschaft und Frieden, richtig? Oder, wie man in Deutschland sagt: „Geschenke. Es geht immer um Geschenke.“
Aber mal ehrlich: Was ist Weihnachten in Deutschland wirklich? Ein Anlass, um am 23. Dezember noch panisch ein Raclette-Set zu kaufen? Ein Wettbewerb, wer die kitschigste Lichterkette am Balkon hat? Oder die Zeit im Jahr, in der alle ihre inneren Philosophen auspacken und bei einem Glas Rotwein fragen: „Was bedeutet Weihnachten eigentlich?“
Als Muslim in Deutschland bin ich Zuschauer dieses Spektakels. Und manchmal auch unfreiwilliger Akteur, denn plötzlich wird man zum Aushängeschild der Integration. „Sehen Sie, unser muslimischer Nachbar hat auch einen Adventskranz. Alles bestens!“
Doppelmoral unter dem Tannenbaum
Die eigentliche Ironie liegt jedoch in der unausgesprochenen Doppelmoral. Einerseits wird von mir erwartet, dass ich mich in die Weihnachtsidylle einfüge, weil das „zusammengehört“. Andererseits begegnet man uns Muslimen oft mit Vorbehalten, wenn wir unsere eigenen Feiertage feiern. Opferfest? „Da schlachtet ihr Tiere, oder?“ Ramadan? „Wie könnt ihr so lange fasten, das ist doch ungesund!“
Während also die Weihnachtsmärkte überquellen und ich zähneknirschend das 10. Mal gefragt werde, warum ich keinen Glühwein trinke, bleibt das Gefühl, dass ich immer nur ein Gast in diesem Fest bin. Ein geduldeter Zuschauer, dessen Teilnahme nur so lange erwünscht ist, wie sie in die kulturelle Erzählung passt.
Der Spekulatius der Integration
Trotzdem gibt es Momente, in denen Weihnachten auch für mich etwas Magisches hat. Es ist die Zeit, in der Nachbarn miteinander reden, Kollegen Kekse mitbringen und die Gesellschaft für einen kurzen Moment so tut, als wäre sie wirklich eine Gemeinschaft.
Vielleicht ist das das eigentliche Geschenk von Weihnachten: eine Illusion von Zusammengehörigkeit, die alle für ein paar Wochen bereitwillig annehmen. Für uns Muslime in Deutschland bleibt es jedoch ein bittersüßer Tanz. Wir nehmen teil, aber nicht ganz. Wir sind dabei, aber nicht mittendrin.
Und wenn ich dann inmitten des Glitzerwahnsinns stehe und die Melodie von „Stille Nacht“ höre, denke ich: Vielleicht hat Weihnachten doch eine Botschaft. Aber bis sie durch den Lärm von Kassenbons und Plastiksternen dringt, bleibe ich lieber bei meinem Spekulatius und meiner eigenen Vorstellung von Jesus (a.s.).